Fr. Cheng over de schoonheid van de ziel (4)

Die Idee dass die Seele das Wesen der menschlichen Würde beherbergt, wird von grossen Denkern vertreten. Ich denke dabei besonders an zwei uns nahestehende Schriftsteller: Camus und J.M.G. Le Clézio. 1944 verurteilt Camus in einem Leuiartikel der Zeitung Combat das Verbrechen der Nationalsozialisten, indem er es genau definiert: Durch die Folter, so schreibt er, besteht es darin, “nicht nur den Geist der Opfer zu töten, sondern auch ihre Seele”. Was J.M.G. Le Clézio betrifft, so hat mich folgende Passage aus L’Extase matérielle besonders beeindruckt: “Die grosse Schönheit der Religion besteht darin, einem jeden von uns eine SEELE gewährt zu haben. Ungeachtet der Person, die sie in sich trägt, ungeachtet ihres moralischen Verhaltens, ihrer Intelligenz, ihrer Sensibilität. Die Person kann hässlich, schön, reich oder arm, fromm oder gottlos sein, das ändert nichts. Sie hat eine SEELE: diese seltsame, verborgene Präsenx, diesen geheimnisvollen Schatten, der in den Körper gegossen ist, der hinter dem Gesicht und den Augen lebt und den man nicht sieht. Schatten der Achtung, Zeichen der Anerkennung des Menschengeslechts, Zeichen Gottes in jdem Körper.”
Vielleicht sind Sie indessen, wenn Sie dieses Zitat lesen, verunsichert, wie ich es war, durch den Ausdruck «ungeachtet ihres moralischen Verhaltens … ».
Das wirft ein Problem auf. Für mich ist die Seele nicht von Fragen der Ethik auszunehmen, obwohl ihre Seinsart eher instinktiv oder intuitiv als vom logischen Denken gesteuert ist. Wenn ich allem von meiner persönlichen Erfahrung ausgehe, weiss ich, dass die Seele sich über lange Zeit verirren and durch verantwortungsloses Handeln die anderen tief verletzen kann, manchmal sogar auf nicht wiedergutzumachende Weise. Ich weiss aber auch, dass unter dem quälenden Einfluss der Reue die Seele die Macht hat, wenn sie es will, in einer vollkommenen Umkehrung des Wesens ganz neu aus dem Nichts aufzuerstehen. Vielleicht ist das der Sinn des Hoffnung spendenden Zuspruchs, den Jesus an den guten Schacher gerichtet hat.. . pag 45-46

 

Denn ich für meinen Teil höre, indem ich Ihnen all das schreibe, eine weibliche Stimme aus alten Zeiten, die mir ins Ohr flüstert: «Der Körper ist die Werkstatt der Seele, in der
der Geist seine Übungen abhält.» Diesen so einfachen wie richtigen Satz sagte im 12. Jahrhundert Hildegard von Bingen, jene grosse geistige Persönlichkeit, die eine auf Intuition und Beobachtung gründende kosmische Vision und eine künstlerische Begabung in Malerei, Dichtung und Gesang in sich vereinte. Sie reicht mir zur rechten Zeit die Hand und gestattet mir, einen Moment innezuhalten, Atem zu schöpfen.

Dieses kurze Abstand nehmen gibt mir Gelegenheit, eine Klärung nachzuholen, die ich Ihnen schulde. Es geht keineswegs darum, die Seele zu idealisieren. Es ist im Gegenteil sogar angebracht einzugestehen, dass tief im Innern des Wesens, dort, wo die Wiege oder der Abgrund ist, die Seele alle tragischen Umstande des menschlichen Schicksals auf sich nimmt. Belehrt durch die Erfahrung von Leid und Tod, ist sie zu Öffnung und
Überwindung fähig, indem sie das Wesen, das sie bewohnt, bis ins Reich des Göttlichen emporhebt. Aber sie kann auch Verirrungen und Perversionen erfahren und verschiedenen zerstörischen Trieben nachgeben. Bewusst oder unbewusst, frei oder gezwungen ist sie in  der Lage, komplexe Verbindungen mit dem BÖSEN einzugehen. Um es bildlich auszudrücken, würde ich sagen, dass in jeder menschlichen Seele ein Engel und ein Teufel zusammen leben. Und sie begnügen sich nicht etwa damit, zusammen zu leben, sie stehen in einer ständigen Wechselbeziehung. Alle Konstellationen sind möglich: Der eine kämpft unablässig gegen den anderen, oder im äussersten Fall verwandelt sich der eine in den anderen. Diese großenteils psychisch bedingten Phänomene werden in psychiatrischen und psychoanalytischen Studien untersucht, die, ohne unbedingt sämtliche Dimensionen der Fragestellung zu berücksichtigen, einen ganz wesentlichen Beitrag leisten. Gewiss ist, ich erwähnte es bereits, das Wort «Seele» aus ihrem Gesichtskreis verbannt und die einstige Vorstellung von der Seele in eine heterogene Reihe von Begriffen und Auffassungen zerfallen. Es lohnt sich indessen, daran zu erinnern, dass Freud selbst das Wort «Seele» durchaus gebrauchte und dass nach ihm C. G. Jung daraus eine Grundidee gemacht hat. Was nun mich betrifft, gilt mein Interesse nicht klinischen Untersuchungen. Meine Absicht ist, ich wiederhole es, die Seele gegenüber dem Körper und dem Geist neu zu verorten als einen der Bestandteile unseres Wesens und gleichzeitig, so weit wie möglich, die spezifische Rolle zu umreissen, die sie innerhalb dieser Trias spielt. pag 50-51

 

 

In China enstammt die Vorstellung von der Seele im Wesentlichen der daoistischen Tradition. Danach enthält die vom UR-HAUCH belebte menschliche Seele zwei Instanzen: einen höheren Teil von himmlicher Bedeutung, hun genannt, und ein niedrigeren Teil von irdischer Bedeutung, po genannt. Solange der Mensch lebt, geben ihm hun und po gemeinsam die Möglichkeit, in gutem Einvernehmen mit der ERDE zu leben, und bieten ihm gleichzeitig eine Öffnung in die Sphäre, die Raum und Zeit transzendiert. Das stellt den idealen Zustand dar. Aber hun kann der Verwirrung anheimfallen und po dem sittlichen Verfall. Im äussersten Fall der Verneinung des LEBENS führt das hun-po zu seiner eigenen Vernichtung. Andernfalls kehrt beim Tod der Person – der «Norm» entsprechend – ihr po in die Erde und ihr hun in den Himmel, beide also an ihren jeweiligen Herkunftsort, zurück.
Hier ist zu vermerken, dass im heutigen Sprachgebrauch «Seele» ling-hun heisst, wobei man die Komponente ling mit «Wesen der Seele» übersetzen kann. Ausserdem wird das Substantiv ling auch verbal gebraucht und bedeutet dann «effizient sein». Im chinesischen Denken gilt es von jeher als natürlich, dass eine menschliche Seele nur im Einssein mit der göttlichen Seele ein effizientes Leben gewährleisten kann. Ich möchte noch hinzufügen, dass der chinesische Ausdruck für «Totenwache halten», shou-ling, wörtlich «Seelenwache halten» bedeutet. pag 53-54

 

bron: Cheng, François, Über die Schönheit der Seele. Sieben Briefe an eine wiedergefundene Freundin, München 2018, (C.H. Beck)

 

L1180682

My paintings on:

On Saatchi 

On Weebly  

On Behance

Texts about my art: Blog