Cioran: Ironie und Selbstironie

Wenn du alles frenetisch verneint und mit allen Daseinsformen radikal gebrochen hast, wenn nichts dem Trieb zur und dem Exzess von Negativität standzuhalten vermochte, an wen dich noch klammern außer an dich selbst, über wen noch lachen oder weinen außer über dich selbst? Nachdem die ganze Welt für dich versunken ist, versinkst auch du endgültig. Die Grenzenlosigkeit der Ironie löst alle Inhalte des Lebens auf. Ich meine nicht die elegante, intelligente und feine Ironie, die einem Überlegenheitsgefühl oder leichtfertiger Überheblichkeit entspringt, jene Ironie, durch die einige Menschen ihre Distanz zur Welt auf emphatische Weise kundtun, sondern die tragische, die unendlich bittere Ironie, die Ironie der Verzweiflung. Die einzig wahre Ironie ist die, welche eine Träne oder eine Verkrampfung, wenn nicht gar ein groteskes und verbrecherisches Grinsen ersetzt. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen der Ironie der Menschen, die gelitten haben, und der Ironie der Gecken und Trägen. Denn bei den ersteren deutet sie auf die Unfähigkeit der naiven Teilnahme am Leben hin, die mit dem Gefühl des endgültigen Verlustes der Lebenswerte einhergeht, während sich diese Unfähigkeit bei den Bequemen nicht schmerzhaft im Bewusstsein widerspiegelt, weil das Gefühl eines unwiederbringlichen Verlustes fehlt. Die Ironie kündet von einer Inneren Verkrampfung, von einer Vertiefung der Furchen, einem Mangel an Spontaneität und Liebe, an Einssein und menschlichem Verständnis! Sie ist eine verschleierte Verachtung, eine Verklärung der Wirklichkeit und mancher Schwäche. Die Ironie verachtet die naive und spontane Gebärde, weil sich der ironische Zustand jenseits des Hintergründigen und Naiven befindet. In der Ironie liegt indessen viel Neid auf den Naiven. Der Ironiker, wegen seiner ungeheuren Vermessenheit unfähig, der Einfalt seine Bewunderung zu zollen, beneidet, vergiftet, verachtet und verkrampft sich. Aus diesem Grunde scheint mir die bittere, tragische und agonale Ironie viel echter zu sein als die lächelnde, die einem leichtfertigen Skeptizismus von verschwommener und mehrdeutiger Heiterkeit entspringt, der aber Anspruch auf Lichtheit und Wohlwollen erhebt. Wie bezeichnend der Umstand ist, dass man in der Selbstironie nur der tragischen Form begegnet, dass der Ironiker in diesem Falle ein Sterbender ist! Selbstironie kann man nicht durch Lächeln erlangen, sondern nur durch Seufzer, selbst wenn diese vollends erstickt sein sollten Denn die Selbstironie ist ein Ausdruck der Verzweiflung. Wenn du die Welt verlierst, so bist auch du verloren. Und dann begleitet ein finsteres, giftiges und grausiges Lachen alle deine Gebärden wie eine schreckliche Maske, zerstört alle beschwingenden Illusionen, und auf den Trümmern alles naiven, sanften und tröstlichen Lächelns erscheint das agonale Lächeln, verkrampfter als die primitiven Masken, aber endgültiger als die ägyptischen.

pag. 114-115

Bron: Cioran, E.M., Werke, Frankfürt am Main 2008 (Suhrkamp)