Todespforte

 

TODESPFORTE

 

im Andenken an Henryk Bereska

 

als ich anfing Gedichte zu schreiben

lebten noch „alle“

dann gingen sie nach und nach

 

das Schwierigste ist

ohne Beistand des Engels

durch die Todespforte zu gehen

 

der Gläubige durchschreitet

die Todespforte

mit geschlossenen Augen

auf der anderen Seite

hat er ein Lächeln auf den Lippen

 

ich habe einen Weg hinter mir

der länger wird

Stunde um Stunde

vor mir habe ich einen Weg

der immer kürzer wird

 

an etwas glauben das existiert

ist nicht Glaube sondern Wissen

an etwas glauben das nicht existiert

ist wahrer Glaube

 

wer glaubt dass Gott existiert

braucht keine Wunder

der Glaube ist das Wunder

 

wer Weiß dass die Liebe existiert

muss sie beschreiben

und anderen ihr Bild zeigen

Die Todespforte

Das Geheimnis ihrer Konstruktion

liegt darin dass es diese Pforte nicht gibt

sie aber trotzdem

allen weit offen steht.

 

Sie ist so eng

Dass der Mensch sich hindurchzwängt

im Schweiße seines Angesichts

in blutiger Mühe

jahrelang pfeifend

oder schreiend vor Angst

 

Glücklich wer stirbt

Im Schlaf

an der Hand gehalten

von Euridike

die sterblich ist

und weint weil sie allein

weiterleben muss

 

Wroclaw 2005

Tadeusz Rósewicz