M. Buber, Baal Shem Tow. Unterweisung im Umgang mit Gott, Heidelberg 1981 (Verlag Lambert Schneider)
VOM ERKENNEN
Hätten sie doch mich verlassen, spricht Gott, und meine Lehre bewahrt!
Das ist so zu deuten: Der Endsinn des Wissens ist, dass wir nicht wissen können. Aber es gibt zwei Arten des Nichtwissenkönnens. Das eine ist das alsbaldige: da beginnt einer gar nicht erst zu forschen und zu erkennen, weil es ja doch unmöglich ist zu wissen.
Ein andrer aber forscht und sucht, bis er erkennt, dass man nicht wissen kann. Und der Unterschied zwischen beiden- wem sind sie wohl zu vergleichen? Zweien, die den König kennen lernen wollen. Der eine betritt alle Gemacher des Königs, er erfreut sich an des Königs Schatzkammern und Prunkhallen, und danach erfährt er, dass er den König nicht kennen lernen kann.
Der andre sagt sich: Da es nicht möglich ist, den König kennen zu lernen, wollen wir gar nicht eintreten, sondern uns mit dem Nichtkennen bescheiden. Daraus ist zu verstehn, was jene Worte Gottes bedeuten: Sie haben mich verlassen- das ist, sie haben aufgegeben, mich zu erkennen, weil es nicht möglich sei; aber hatten sie mich doch verlassen aus Forschen und Erkennen, indem sie meine Lehre bewahrten!
Warum sprechen wir: » Unser Gott und Gott unsrer Väter!«?
Es gibt zwei Gattungen von Menschen, die an Gott glauben. Der eine glaubt, weil es ihm von seinen Vätern überliefert ist; und sein Glaube ist stark. Der andre ist durch das Forschen zum Glauben gekommen. Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Des ersten Vorzug ist, dass sein Glaube nicht erschüttert werden kann , wie vielen Widerspruch man auch vorbringen mag, denn sein Glaube ist fest, weil er von den Vätern übernommen ward; aber ein Mangel haftet daran: dass sein Glaube nur ein Menschengebot ist, erlernt ohne Sinn und Verstand.
Des zweiten Vorzug ist, dass er, weil er Gott durch großes Forschen fand, zum eignen Glauben gelangt ist; aber auch an ihm haftet ein Mangel: dass es ein Leichtes ist, seinen Glauben durch widerstreitenden Beweis zu erschüttern. Wer jedoch beides vereinigt, dem ist keiner überlegen. Darum sprechen wir: »Unser Gott«, unsrer Forschung halber, und »Gott unsrer Vater«, um unsrer Überlieferung willen.
Und so auch ist gedeutet worden, dass wir sprechen: »Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs«, nicht aber sprechen wir: » Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs« -damit ist gesagt: Isaak und Jakob stützten sich nicht auf Abrahams Überlieferung allein, sondern selber suchten sie das Göttliche.
VOM EIFER UND VOM WERK
Der Mensch ergreife die Eigenschaft des Eifers gar sehr. Er erhebe sich im Eifer von seinem Schlaf, denn er ist geheiligt und ein andrer worden und ist würdig zu zeugen und ist worden nach der Eigenschaft Gottes des Heiligen, da er seine Welt zeugte.
» Alles, was du zu tun vermögend bist, tu es mit deiner Kraft! « Das ist: binde die Tat an die Kraft des Gedankens. Wie von Henoch erzählt wird, er sei ein Flickschuster gewesen und habe mit jedem Stich seiner Ahle, der das Oberleder an die Sohle nahte, den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit verbunden.
Unsere Weisen sagen: »Micha kam und stellte es auf drei Dinge«, das ist, er befestigte das Gesetz durch die drei Säulen, auf denen die Welt ruht: ,Recht üben’, das ist Gerechtigkeit, ,und gütige Liebe’, das ist Guttat, , und züchtig wandeln mit deinem Gott’, das ist die Mittelsäule, die Ordnung der Wahrheit: dass dein Mund und dein Herz eins seien, und sei auf keine abseitigen Zwecke gerichtet, auf keine der bösen Gewalten, die ,die Toten’ Heißen. Darum sagen unsre Weisen: »Züchtig wandeln, das ist Totengeleit und Brautempfang«; erst werden die Toten, die bösen Gewalten, hinausgeführt, und dann zieht die Braut ein: denn wer seinen Mund und sein Herz eint, der eint den Bräutigam mit der Braut -den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit.
Durch eine verkehrte Demut kann einer sich vom Dienste Gottes entfernen: wenn er vor Selbsterniedrigung nicht glaubt, dass der Mensch durch Gebet und Lehre die Fülle über alle Welten herab bringt und die Engel selber sich von seinem Lernen und Beten nähren. Glaubte er daran, wie würde er da Gott dienen in großer Furcht und Freude, und jeder Bewegung und jedes Wortes achten, nach der rechten Weise zu reden und zu tun!
Der Mensch soll seinen Sinn darauf richten, dass er eine Leiter ist, gestellt auf die Erde und ihr Haupt an den Himmel rührend, und alle Seine Gebärden und Geschäfte und Reden ziehen Spuren in der oberen Welt.
VON DEN HEILIGEN FUNKEN
Die heiligen Funken, die gefallen sind, als Gott Welten baute und zerstörte, soll der Mensch erheben und aufwärts läutern van Gestein zu Gewächs, van Gewächs zu Getier, van Getier zu redendem Wesen, läutern den heiligen Funken, der van der Schalengewalt umschlossen ist. Das ist der Grundsinn des Dienstes jedermanns in Israel.
Es ist bekannt, dass jeder Funke, der in einem Gestein oder Gewächs oder einer andern Kreatur wohnt, eine völlige Gestalt hat mit der Vollzahl der Glieder und Sehnen, und wenn er in dem Gestein oder Gewächs wohnt, ist er im Kerker, kann Hände und Füße nicht strecken und kann nicht sprechen, sondern sein Kopf liegt auf seinen Knien. Und wer mit der guten Kraft seines Geistes den heiligen Funken von Gestein zu Gewächs, von Gewächs zu Getier, von Getier zu redendem Wesen zu heben vermag, der führt ihn in die Freiheit, und keine Lösung Gefangener ist großer als diese .Wie wer einen Königssohn aus der Gefangenschaft errettet und zu seinem Vater bringt.
Alles, was der Mensch zu eigen hat, seine Knechte, seine Tiere, seine Geräte, alles birgt Funken, die der Wurzel seiner Seele Zugehoren und von ihm zu ihrem Ursprung erhoben werden wollen.
Alle Dinge dieser Welt, die ihm zugehören, begehren mit aller Macht ihm nahe zu kommen, damit die Funken der Heiligkeit, die in ihnen sind, durch ihn erhoben werden. Man isst Menschen, man trinkt Menschen, man gebraucht Menschen; das sind die Funken, die in den Dingen wohnen. Darum soll man sich seiner Geräte und all seines Besitzes erbarmen, um der Funken willen, die darin sind; man soll sich der heiligen Funken erbarmen.
Achte, dass alles, was du um Gottes willen tust, selber Dienst Gottes sei. So das Essen: sage nicht, es solle die Absicht des Essens sein, dass du Kraft zum Dienste Gottes gewinnst. Wohl ist auch dies eine gute Absicht; aber die wahre Vollendung gibt es nur, wo die Tat selber dem Himmel zu geschieht, das ist, wo die heiligen Funken gehoben werden. In allem, was in der Welt ist, wohnen heilige Funken, kein Ding ist ihrer ledig. Auch in den Handlungen des Menschen, ja sogar in der Sünde, die ein Mensch tut, wohnen Funken der Herrlichkeit Gottes. Und was sind das für Funken, die in der Sünde wohnen? Es ist die Umkehr .In der Stunde, wo du ob der Sünde Umkehr tust, hebst du die Funken, die in ihr waren, in die obere Welt.
WIE MAN DIENEN SOLL
Der Mensch soll Gott mit seiner ganzen Kraft dienen, denn alles ist not, Denn Gott will, dass man ihm auf alle Arten diene. Und dies ist gemeint : Wenn einer zuweilen sich ergeht und mit den Leuten sich unterredet, und zu der Zeit vermag er nicht zu lernen, da soll er an Gott haften und mit seiner Seele die Namen Gottes einen; und wenn einer sich auf eine Reise begibt und vermag alsdann nicht nach seinem Brauch zu beten, da soll er Gott auf andre Arten dienen. Und er gräme sich darob nicht, denn Gott will, dass man ihm auf alle Arten diene, zuzeiten auf diese, zu andern auf jene Weise, und deswegen hat er ihm bestimmt, auf eine Reise zu gehen oder mit den Leuten zu reden, damit er auch diesen Dienst vollziehe .
Dies ist das Geheimnis der Einheit Gottes, dass ich, an welchem Ort ich ein Endchen ihrer erfasse, die ganze fasse. Und da die Lehre und alle Gebote Strahlungen seines Wesens sind, so halt, wer ein Gebot bis auf den Grund in Liebe erfüllt und in diesem Gebot ein Endchen der Einheit Gottes erfasst, die ganze in seiner Hand, als hätte er alles erfüllt.
Wenn wir nicht glauben, dass Gott an jedem Tag das Werk der Schöpfung erneut, dann wird uns unser Beten und Gebote erfüllen alt und gewohnt und überdrüssig. Wie es im Psalm heißt: „Verwirf mich nicht zur Zeit des Alterns“, das ist, lass mir meine Welt nicht alt werden. Und im Klaglied heißt es: »Neu an jedem Morgen, Groß ist deine Treue« – dass uns die Welt an jedem Morgen neu wird, das ist deine große Treue.
VON FERNE UND NÄHE
Zuweilen muss der Mensch erfahren, dass es noch unendlich viele Firmamente und Sphären gibt, und er steht auf einem Fleckchen der kleinen Erde, die ganze Allwelt aber ist wie nichts vor Gott, der der Schrankenlose ist und der die Einschränkung tat und Ort in sich selber setzte, die Welten darin zu erschaffen. Und wiewohl der Mensch dies mit seiner Einsicht begreift, vermag er nicht zu den Obern Welten aufzusteigen; und dies ist, was geschrieben steht: »Aus der Feme ist mir der Herr erschienen“- er betrachtet Gott aus der Ferne. Dient er aber Gott mit all seiner Macht, dann fasst er große Gewalt in sich ein und erhebt sich in seinem Geist und durchbricht auf einmal alle Firmamente und steigt über Engel und Himmelsräder und Seraphim und Throne: und das ist der vollkommene Dienst.
VON FERNE UND NAHE
Wer in der Inbrunst des Gottanhaftens das Rechte tut oder der Lehre obliegt, der macht seinen Leib zum Thron der Lebensseele und die Lebensseele zum Thron des Gemüts und das Gemüt zum Thron des Geistes und den Geist zum Thron des Lichts der Einwohnenden Herrlichkeit , das über seinem Haupt ist, und das Licht umfließt ihn ringsum, und er sitzt inmitten des Lichtes und zittert und frohlockt. Des zum Zeichen erscheint der Himmel an jedem Ort als eine Halbkugel.
VON FERNE UND NAHE
Mit Gott ging Noah. „Noah hing Gott so sehr an, dass ihm jeder Schritt, den er tat, von Gott geleitet schien, als stünde Gott ihm gegenüber und setzte ihm die Füße zurecht und führte ihn, wie ein Vater, der seinem kleinen Sohn das Gehen beibringt. Darum, wenn sich der Vater von ihm entfernte, wusste Noah: „Das ist, damit ich gehen lerne.“
VON DER HEIMLICHKEIT
Der Mensch vermag alles Gute zu genießen und sich mit den Wonnen zu kasteien. Er vermag zu blicken, wohin er will und sich nicht über seinen Vierellenumkreis zu verlieren, denn in allen Dingen gewahrt er den geheimen Namen Gottes. Er vermag unbewegt im Gebet zu stehen, dass keiner seinen Dienst bemerkt, verborgen aber brennt sein Geist, und er schreit in der Stille.
VON DER HEIMLTCHKEIT
Zuweilen ruht ein Mensch auf seinem Lager, und seinen Hausgenossen erscheint es, als schlafe er, er aber weilt zu dieser Stunde in der Einsamkeit mit dem Schöpfer, gesegnet sei Er. Das ist eine hohe Stufe, dass er den Schöpfer allzeit mit dem Auge seiner Einsicht anschaut, wie einen andern Menschen. Und besinne dies: wenn du stets in einem läutern Gedanken verharrst, dann schaut auch der Schöpfer dich wie ein Mensch an.
VON DER HEIMLICHKEIT
Es gibt zwei Arten der Liebe. Der eine liebt das Tun und Reden seines klugen Sohns und rühmt sich seiner, dass er Kluges tue und rede; der andre liebt seinen Sohn selber, was er auch reden und tun mag. So ist es mit der LiebeGottes zum Menschen. Wenn ein bewährter Mann Gebote und gute Werke in großer Weisheit erfüllt, da liebt Gott sein Tun und ist all seinem Tun gegenwärtig, und so wird die Äußerlichkeit der Welten an Gott gebunden. Wem aber der Bewährte selber an Gott hangt, dann liebt Gott ihn selber, ob er auch seine Werke nicht in Weisheit vollbringt, sondern in grot3er Einfalt wandelt und Gott anhangt ; eben darum liebt ihn Gott . Und so wird die Innerlichkeit der Welten zu Gott erhoben.
EIN GLEICHNIS VOM GEBET
Das Gebet ist eine Paarung mit der Herrlichkeit Gottes. Darum soll der Mensch sich im Anbeginn des Gebets auf und nieder bewegen, dann aber kann er auch unbewegt stehen und wird an der Herrlichkeit haften, in einem großen Haften. Und weil er sich bewegte, kann er zu einem großen Erwachen gelangen, dass er besinnen muss: Warum bewege ich mich auf und nieder? gewiss, weil die Herrlichkeit Gottes mir gegenüber steht. Und darüber wird er in eine große Entzückung gelangen.
„In meinem Fleische“, spricht Hiob, »werde ich Gort schauen.“ Wie in der leiblichen Paarung nur der zeugen kann, der ein lebendiges Glied mit Verlangen und Freude gebraucht, so in der geistigen Paarung, das ist, dem Sprechen der Lehre und des Gebets, wer sie mit lebendigem Glied in Freude und Wonne tut, der zeugt.
EIN GLEICHNIS VOM GEBET
Wie die Braut zur Hochzeit mit allerlei Gewändern bekleidet und geschmückt wird, wenn aber die Vermählung selber geschehen soll, werden die Gewänder von ihr genommen, damit die Leiber einander nahe kommen können, so heißt es auch: »Aus meinem Fleisch heraus werde ich Gott schauen“, denn das Gebet ist die Braut, die erst mit vielen Gewändern geschmückt wird , dann aber, wenn ihr Freund sie um-fangt, ist alles Gewand von ihr genommen.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Es ist gesagt: »Man bete nicht anders als aus der Schwere des Hauptes. « Das ist so zu verstehn: Bete nicht um ein Ding, das dir fehlt, denn dein Gebet wird nicht angenommen werden. Sondern wenn du beten willst, bete ob der Schwere, die in dem Haupte der Welt ist. Denn das Ding, das dir fehlt, dessen Mangel ist in der Einwohnenden Herrlichkeit. Denn der Mensch ist ein Teil Gottes, und der Mangel, der im Teil ist, ist im Ganzen, und das Ganze erleidet den Mangel des Teils, Daher sei dein Gebet auf den Mangel des Ganzen gerichtet.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Das Gebet ist ein hohes Bedürfen. Denn der Mensch Weiß von seinem Mangel, dass er aus einem Obern kommt, und er betet, dass der Mangel der Herrlichkeit gestillt werde. Und da wird in einem der seine gestillt.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Der Mensch sinne nicht auf Lösung zugleich für Oben und Unten, dass er nicht sei, wie der die ewige Pflanzung zerhaut und Trennung schafft, sondern alles tue er um des Mangels der Herrlichkeit willen, und aus sich selber wird alles gelöst werden, und auch sein eignes Leid wird gestillt werden aus der Stillung der oberen Wurzel. Denn alles, Oben und Unten, ist Eine Einheit.
VONDER WAHREN AUSRICHTUNG
Bete stets für Gottes Herrlichkeit, dass sie aus der Verbannung erlöst werde.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Der Mensch soll alle Dinge der Welt mit all seinem Denken, Reden, Handeln einen, auf Gott zu, in Wahrheit und Einfalt. Denn kein Ding der Welt ist außerhalb der Einheit Gottes gesetzt. Wer aber ein Ding anders als auf Gott zu tut, trennt es von Ihm.
VON DER MACHT DES WORTS
Wenn du redest, hege das Geheimnis der Stimme und des Worts im Sinn und rede in Furcht und Liebe und besinne, dass die Welt des Worts aus deinem Munde spricht. Dann wirst du die Worte erheben.
Besinne, dass du nur ein Gefäß bist, dass dein Gedanke und dein Wort Welten sind, die sich breiten: die Welt des Worts, das ist die Einwohnende Herrlichkeit, begehrt in dieser Rede von der Welt des Gedankens. Und wenn du das Licht Gottes in deinen Gedanken und dein Wort gezogen hast, dann sei dies deine Bitte, dass die segnende Fülle sich aus der Welt des Gedankens über die Welt des Wortes ergieße. Dann wird auch dir werden, wessen du bedarfst. Darum heißt es: »Lass uns dich finden in unseren Bitten! « In unsern Bitten selber lässt Gott sich finden.
VON DER MACHT DES WORTS
Wer in seinem Gebet alle Aus Richtungskünste anwendet, die er kennt, der wirkt eben nur, was er kennt. Wer aber das Wort in großer Verbundenheit spricht, dem geht in jedes Wort die Allheit der Ausrichtung von selber ein. Denn jedes Zeichen ist eine völlige Welt, und wer das Wort in großer Verbundenheit spricht, erweckt jene Obern Welten und tut ein großes Werk.
VON DER MACHT DES WORTS
In jedem Zeichen sind die Drei: Welt, Seele und Gottheit. Sie verbinden und vereinen sich miteinander. Und danach vereinen und verbinden sich die Zeichen, und es wird das Wort, Sie einen sich mit wahrer Einung in der Gottheit. Und der Mensch soll seine Seele in jedes der Drei einfassen: dann eint sich alles zu Einem, und es wird große Wonne ohne Grenzen.
VON DER HINGABE
Der Mensch besinne vor dem Gebet, dass er bereit ist, in diesem Gebet zu sterben um der Ausrichtung willen.
VON DER HINGABE
Wisse, dass jedes Wort eine vollständige Gestalt ist, und es tut not, mit deiner ganzen Kraft darin zu sein, denn wird dem nicht Genüge, so ist es wie das Fehlen eines Glieds. Es ist eine große Gnade von Gott, dass der Mensch nach dem Gebet lebt. Denn dem Weg der Natur gemäß müsste er sterben, weil seine Kraft dahin ist, denn er hat seine Kraft um der großen Ausrichtung willen in das Gebet hingegeben.
VON DER VERBUNDENHEIT
Wenn ich meinen Gedanken an den Schöpfer hefte, lasse ich meinen Mund reden, was er will, denn die Worte sind an die obere Wurzel gebunden.
VON DER VERBUNDENHEIT
Wenn der Mensch immer neues Feuer auf den Altar seiner Seele tragt, entflammt sich der Funke der Einwohnenden Herrlichkeit, der in ihm ist, und sie redet die Worte mit seinem Mund, dass es erscheint, als schweige er und die Worte kämen aus seinem Mund von selber.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
In der Stunde der Lehre und des Gebets ist kein trennender Vorhang zwischen dem Menschen und seinem Gott. Auch wenn viele fremde Gedanken in dir aufsteigen, Gewänder und Decken sind sie, hinter denen der Heilige, gesegnet sei Er, sich verbirgt, und wenn du darum weißt, ist da keine Verborgenheit mehr.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
Wenn der Mensch betet und es kommt ihn ein fremder Gedanke an, dann reitet die Schalengewalt auf dem Wort; denn der Gedanke reitet auf dem Wort.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
In allen Gedanken des Menschen birgt sich die Wirklichkeit Gottes. Und jeder Gedanke ist eine vollständige Gestalt. Und wem in dem Denken des Menschen zur Zeit seines Gebets ein böser oder fremder Gedanke aufgeht, kommt er zum Menschen, dass der ihn erlöse und emporsteigen lasse. Wer aber daran nicht glaubt, nimmt das Joch des Himmelreichs nicht wahrhaft an.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
Und Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sprach: Wahrlich, gegenwärtig ist ER an dieser Statte, und ich wusste es nicht.’ Und er erschauerte und sprach: “Wie schauervoll ist diese Stätte!’«
»Gegenwärtig ist ER an dieser Stätte « – das bedeutet: Wo das Lebendige sich schart, da ist Gottes Name. So wohnen auch in allen fremden und bösen Gedanken, welche Kriegsscharen des Lebens und Räuber und die Schalengewalten des Übels sind, heilige Funken der Herrlichkeit, die in der Urzeit niederfielen, als die Gefäße der Schöpfung zerbrachen. »Und er erschauerte und sprach: Wie schauervoll ist diese Statte!’« Denn Schauer und Zittern überkamen ihn, weil er den Schmerz der
Herrlichkeit und ihren Niedergang zu den Schalengewalten des Übels erlitt. Dadurch geschah eine Einung des Schauers mit dem Schauererregenden, und die Schalen brachen auseinander.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
Die fremden Gedanken kommen zum Menschen inmitten seines Gebets aus dem Geheimnis des Zerbrechens der Urgefäße, weil der Mensch sie an jedem Tag ausläutern soll, und sie kommen zu ihm als zu ihrer Erlösung. Und der fremde Gedanke von heute gleicht nicht dem von morgen.
VON ABLENKENDEN GEDANKEND
Der Mensch binde seine Regung an Gott. Wenn ihn eine böse Liebe überkommt, richte er seine Liebe auf Gott allein und all sein Streben gehe auf dieses eine. Und wenn er in Zorn, das ist in eine böse Furcht, gerät, die sich aus der Eigenschaft der Gewalt herleitet, dann gewaltige er seinen Trieb und mache aus eben dieser Eigenschaft einen Wagen für Gott.
VON GUTUND BÖSE
Die Einwohnende Herrlichkeit waltet von oben bis unten, bis zum Rand aller Stufen. Das ist das Geheimnis des Wortes »Und du belebst sie alle“. Sogar wenn der Mensch eine Sunde tut, auch dann ist die Herrlichkeit darein gekleidet, denn ohne sie hatte er nicht die Kraft, ein Glied zu bewegen. Und dies ist das Exil der Herrlichkeit Gottes.
VON GUTUND BÖSE
In der Geschichte der Schöpfung heißt es: »Ja, es war sehr gut, « Aber in der Mahnrede Mose heißt es: „Sieh, gegeben habe ich heuttags vor dich hin das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.“ Woher ist das Böse gekommen? Auch das Böse ist gut, es ist die unterste Stufe des vollkommen Guten, Tut man Gutes, dann wird auch das Böse gut; sündigt man aber, dann wird es zum wirklichen Bösen.
VON GUT UND BÖSE
Die Einwohnende Herrlichkeit umfasst alle Welten, alle Kreaturen, Gute und Böse. Und sie ist die wahre Einheit. Wie kann sie denn die Gegensatze des Guten und des Bösen in sich tragen? Aber in Wahrheit ist da kein Gegensatz, denn das Böse ist der Thronsitz des Guten.
VON GUT UND BÖSE
Wie die Herrlichkeit alle Welten, Gut und Böse, umfasst, so waren sie in Mose beschlossen. Als Gott Mose zum ersten Mal anrief, antwortete er nicht: „Hier bin ich“, weil er im Staunen verging: Wie kann sich da die Einung vollziehn? Denn als Gott sich im Dornbusch, das ist im Bösen, als in der untersten Stufe offenbarte, öffneten sich alle Feuerquellen, von der obersten bis zur Tiefe – aber der Dornbusch verbrannte nicht, das Böse wurde nicht verzehrt: wie konnte das geschehn? Doch Gott rief zum zweiten Mal:“Mose!“ – da band sich in Mose selber die unterste an die oberste Stufe, und er sprach: »Hier bin ich. «
VON HOCHMUT UND DEMUT
Sprich nicht in deinem Herzen, du seist grösser als dein Gefährte, weil du Gott mit Inbrunst dienst. Du bist nicht anders als alle Geschöpfe, die zum Dienst Gottes geschaffen wurden. Und womit warst du angesehener als ein Wurm? Dient er doch. dem Schöpfer mit seiner ganzen Einsicht und Kraft!
VON HOCHMUT UND DEMUT
Die Leute, mit denen du dich unterredest, prüfe nicht, ob ihr Gedanke stetig an Gott hafte. Die prüfende Seele leidet Schaden.
Geschieht es dir, dass du eine Sünde siehst oder von einer vernimmst, suche deinen Anteil an dieser Sünde auf und strebe dich zu Recht zuschaffen. Dann wird auch jener Böse umkehren. Du musst ihn nur mit umfassen nach dem Sinn der Einheit, denn alle sind ein Mensch.
VON HOCHMUT UND DEMUT
Dies sind die Worte, die Mose redete zu all Israel jenseits des Jordans in der Wüste. « Mancher, der Gott zu haben sich bedünkt, Weiß nicht von ihm. Manchem, der aus der Ferne nach ihm zu verlangen meint, ist er nah. Du aber denke immer, du stundest am Ufer des Jordans und seist in das Land noch nicht eingegangen. Und hast du schon allerlei Gebote erfüllt, so wisse, du hast nichts getan.
VON HOCHMUT UND DEMUT
Es gibt zwei äußerste Arten von Menschen. Der eine ist ein vollkommen Böser, der seinen Herrn kennt und gesonnen ist, sich wider ihn zu empören. Der andre bedünkt sich in seiner Verblendung, ein vollkommen Gerechter zu sein, aber auch den Leuten erscheint er als ein vollkommen Gerechter. In Wahrheit jedoch, ob er auch unablässig lernt und betet und sich kasteit, muht er sich umsonst, denn er hat die Treue nicht. Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Für den vollkommen Bösen gibt es eine Heilung seines Gebrechens- wenn die Umkehr sich in ihm erweckt und er mit seinem ganzen Herzen zu Gott umkehrt und ihn bittet, ihm den Weg zu weisen, wo das Licht wohnt. Der andre aber, der unvermögend ist, den Schöpfer, seine Größe und seinen Dienst zu schauen, weil er in seinem eignen Auge gerecht ist – wie kann er umkehren?
VON HOCHMUT UND DEMUT
Der Hochmut ist schwerer als alle Sünde. Denn allen Sündigen gilt das Wort Gottes von sich: »der inmitten ihrer Unreinheiten wohnte. Von dem Hochmütigen aber spricht Gott, wie unsre Weisen lehren: »Ich und er können nicht zusammen in der Welt weilen. «
VON HOCHMUT UND DEMUT
Auch die Jünger Abrahams kannten den Hochmut, auch. die Jünger Bileams kannten die Demut. Aber jene hatten den rechten Hochmut, sie erhoben ihr Herz und erdreisteten sich, Großes auf den Wegen Gottes zu vollbringen, und diese hatten die schlechte Demut , sie erniedrigten ihr Herz und getrauten sich nicht, das Gebot zu erfüllen: Weiche vom Bösen und tue das Gute das heißt: Mache aus dem Bösen das Gute.
VON DER ZWIEFÄLTIGER BEWEGUNG
Wenn zuerst in dem Weibe die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren. Und das Männliche ist das Sinnbild des Erbarmens.
Wenn zuerst von unten die Bewegung erwacht, waltet die Gotteseigenschaft des Erbarmens.
Davon heißt es auch: »Ich erwecke die Morgenröte.“
Und wohl steht vom Tag der Versöhnung geschrieben: »An diesem Tag bedeckt man über euch“ – auch wenn sie nicht von selber zu ihr erwachten, wurde die Sühnung von oben erweckt, „euch zu reinigen: von all euern Sünden«. Nun aber folgt das Wort des geziemenden Heils:“Vor Gott reinigt ihr euch“ ehe Gott euch anregt, sollt ihr euch regen.
Und so sagt es Rabbi Akiba: »Heil euch Israel! Vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel.“ An euch ist der Anbeginn. Denn wenn zuerst in dem Weibe die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren.
M. Buber, Baal Shem Tow. Unterweisung im Umgang mit Gott, Heidelberg 1981 (Verlag Lambert Schneider)
M. Buber, Baal Shem Tow. Unterweisung im Umgang mit Gott, Heidelberg 1981 (Verlag Lambert Schneider)
VOM ERKENNEN
Hätten sie doch mich verlassen, spricht Gott, und meine Lehre bewahrt!
Das ist so zu deuten: Der Endsinn des Wissens ist, dass wir nicht wissen können. Aber es gibt zwei Arten des Nichtwissenkönnens. Das eine ist das alsbaldige: da beginnt einer gar nicht erst zu forschen und zu erkennen, weil es ja doch unmöglich ist zu wissen.
Ein andrer aber forscht und sucht, bis er erkennt, dass man nicht wissen kann. Und der Unterschied zwischen beiden- wem sind sie wohl zu vergleichen? Zweien, die den König kennen lernen wollen. Der eine betritt alle Gemacher des Königs, er erfreut sich an des Königs Schatzkammern und Prunkhallen, und danach erfährt er, dass er den König nicht kennen lernen kann.
Der andre sagt sich: Da es nicht möglich ist, den König kennen zu lernen, wollen wir gar nicht eintreten, sondern uns mit dem Nichtkennen bescheiden. Daraus ist zu verstehn, was jene Worte Gottes bedeuten: Sie haben mich verlassen- das ist, sie haben aufgegeben, mich zu erkennen, weil es nicht möglich sei; aber hatten sie mich doch verlassen aus Forschen und Erkennen, indem sie meine Lehre bewahrten!
Warum sprechen wir: » Unser Gott und Gott unsrer Väter!«?
Es gibt zwei Gattungen von Menschen, die an Gott glauben. Der eine glaubt, weil es ihm von seinen Vätern überliefert ist; und sein Glaube ist stark. Der andre ist durch das Forschen zum Glauben gekommen. Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Des ersten Vorzug ist, dass sein Glaube nicht erschüttert werden kann , wie vielen Widerspruch man auch vorbringen mag, denn sein Glaube ist fest, weil er von den Vätern übernommen ward; aber ein Mangel haftet daran: dass sein Glaube nur ein Menschengebot ist, erlernt ohne Sinn und Verstand.
Des zweiten Vorzug ist, dass er, weil er Gott durch großes Forschen fand, zum eignen Glauben gelangt ist; aber auch an ihm haftet ein Mangel: dass es ein Leichtes ist, seinen Glauben durch widerstreitenden Beweis zu erschüttern. Wer jedoch beides vereinigt, dem ist keiner überlegen. Darum sprechen wir: »Unser Gott«, unsrer Forschung halber, und »Gott unsrer Vater«, um unsrer Überlieferung willen.
Und so auch ist gedeutet worden, dass wir sprechen: »Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs«, nicht aber sprechen wir: » Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs« -damit ist gesagt: Isaak und Jakob stützten sich nicht auf Abrahams Überlieferung allein, sondern selber suchten sie das Göttliche.
VOM EIFER UND VOM WERK
Der Mensch ergreife die Eigenschaft des Eifers gar sehr. Er erhebe sich im Eifer von seinem Schlaf, denn er ist geheiligt und ein andrer worden und ist würdig zu zeugen und ist worden nach der Eigenschaft Gottes des Heiligen, da er seine Welt zeugte.
» Alles, was du zu tun vermögend bist, tu es mit deiner Kraft! « Das ist: binde die Tat an die Kraft des Gedankens. Wie von Henoch erzählt wird, er sei ein Flickschuster gewesen und habe mit jedem Stich seiner Ahle, der das Oberleder an die Sohle nahte, den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit verbunden.
Unsere Weisen sagen: »Micha kam und stellte es auf drei Dinge«, das ist, er befestigte das Gesetz durch die drei Säulen, auf denen die Welt ruht: ,Recht üben’, das ist Gerechtigkeit, ,und gütige Liebe’, das ist Guttat, , und züchtig wandeln mit deinem Gott’, das ist die Mittelsäule, die Ordnung der Wahrheit: dass dein Mund und dein Herz eins seien, und sei auf keine abseitigen Zwecke gerichtet, auf keine der bösen Gewalten, die ,die Toten’ Heißen. Darum sagen unsre Weisen: »Züchtig wandeln, das ist Totengeleit und Brautempfang«; erst werden die Toten, die bösen Gewalten, hinausgeführt, und dann zieht die Braut ein: denn wer seinen Mund und sein Herz eint, der eint den Bräutigam mit der Braut -den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit.
Durch eine verkehrte Demut kann einer sich vom Dienste Gottes entfernen: wenn er vor Selbsterniedrigung nicht glaubt, dass der Mensch durch Gebet und Lehre die Fülle über alle Welten herab bringt und die Engel selber sich von seinem Lernen und Beten nähren. Glaubte er daran, wie würde er da Gott dienen in großer Furcht und Freude, und jeder Bewegung und jedes Wortes achten, nach der rechten Weise zu reden und zu tun!
Der Mensch soll seinen Sinn darauf richten, dass er eine Leiter ist, gestellt auf die Erde und ihr Haupt an den Himmel rührend, und alle Seine Gebärden und Geschäfte und Reden ziehen Spuren in der oberen Welt.
VON DEN HEILIGEN FUNKEN
Die heiligen Funken, die gefallen sind, als Gott Welten baute und zerstörte, soll der Mensch erheben und aufwärts läutern van Gestein zu Gewächs, van Gewächs zu Getier, van Getier zu redendem Wesen, läutern den heiligen Funken, der van der Schalengewalt umschlossen ist. Das ist der Grundsinn des Dienstes jedermanns in Israel.
Es ist bekannt, dass jeder Funke, der in einem Gestein oder Gewächs oder einer andern Kreatur wohnt, eine völlige Gestalt hat mit der Vollzahl der Glieder und Sehnen, und wenn er in dem Gestein oder Gewächs wohnt, ist er im Kerker, kann Hände und Füße nicht strecken und kann nicht sprechen, sondern sein Kopf liegt auf seinen Knien. Und wer mit der guten Kraft seines Geistes den heiligen Funken von Gestein zu Gewächs, von Gewächs zu Getier, von Getier zu redendem Wesen zu heben vermag, der führt ihn in die Freiheit, und keine Lösung Gefangener ist großer als diese .Wie wer einen Königssohn aus der Gefangenschaft errettet und zu seinem Vater bringt.
Alles, was der Mensch zu eigen hat, seine Knechte, seine Tiere, seine Geräte, alles birgt Funken, die der Wurzel seiner Seele Zugehoren und von ihm zu ihrem Ursprung erhoben werden wollen.
Alle Dinge dieser Welt, die ihm zugehören, begehren mit aller Macht ihm nahe zu kommen, damit die Funken der Heiligkeit, die in ihnen sind, durch ihn erhoben werden. Man isst Menschen, man trinkt Menschen, man gebraucht Menschen; das sind die Funken, die in den Dingen wohnen. Darum soll man sich seiner Geräte und all seines Besitzes erbarmen, um der Funken willen, die darin sind; man soll sich der heiligen Funken erbarmen.
Achte, dass alles, was du um Gottes willen tust, selber Dienst Gottes sei. So das Essen: sage nicht, es solle die Absicht des Essens sein, dass du Kraft zum Dienste Gottes gewinnst. Wohl ist auch dies eine gute Absicht; aber die wahre Vollendung gibt es nur, wo die Tat selber dem Himmel zu geschieht, das ist, wo die heiligen Funken gehoben werden. In allem, was in der Welt ist, wohnen heilige Funken, kein Ding ist ihrer ledig. Auch in den Handlungen des Menschen, ja sogar in der Sünde, die ein Mensch tut, wohnen Funken der Herrlichkeit Gottes. Und was sind das für Funken, die in der Sünde wohnen? Es ist die Umkehr .In der Stunde, wo du ob der Sünde Umkehr tust, hebst du die Funken, die in ihr waren, in die obere Welt.
WIE MAN DIENEN SOLL
Der Mensch soll Gott mit seiner ganzen Kraft dienen, denn alles ist not, Denn Gott will, dass man ihm auf alle Arten diene. Und dies ist gemeint : Wenn einer zuweilen sich ergeht und mit den Leuten sich unterredet, und zu der Zeit vermag er nicht zu lernen, da soll er an Gott haften und mit seiner Seele die Namen Gottes einen; und wenn einer sich auf eine Reise begibt und vermag alsdann nicht nach seinem Brauch zu beten, da soll er Gott auf andre Arten dienen. Und er gräme sich darob nicht, denn Gott will, dass man ihm auf alle Arten diene, zuzeiten auf diese, zu andern auf jene Weise, und deswegen hat er ihm bestimmt, auf eine Reise zu gehen oder mit den Leuten zu reden, damit er auch diesen Dienst vollziehe .
Dies ist das Geheimnis der Einheit Gottes, dass ich, an welchem Ort ich ein Endchen ihrer erfasse, die ganze fasse. Und da die Lehre und alle Gebote Strahlungen seines Wesens sind, so halt, wer ein Gebot bis auf den Grund in Liebe erfüllt und in diesem Gebot ein Endchen der Einheit Gottes erfasst, die ganze in seiner Hand, als hätte er alles erfüllt.
Wenn wir nicht glauben, dass Gott an jedem Tag das Werk der Schöpfung erneut, dann wird uns unser Beten und Gebote erfüllen alt und gewohnt und überdrüssig. Wie es im Psalm heißt: „Verwirf mich nicht zur Zeit des Alterns“, das ist, lass mir meine Welt nicht alt werden. Und im Klaglied heißt es: »Neu an jedem Morgen, Groß ist deine Treue« – dass uns die Welt an jedem Morgen neu wird, das ist deine große Treue.
VON FERNE UND NÄHE
Zuweilen muss der Mensch erfahren, dass es noch unendlich viele Firmamente und Sphären gibt, und er steht auf einem Fleckchen der kleinen Erde, die ganze Allwelt aber ist wie nichts vor Gott, der der Schrankenlose ist und der die Einschränkung tat und Ort in sich selber setzte, die Welten darin zu erschaffen. Und wiewohl der Mensch dies mit seiner Einsicht begreift, vermag er nicht zu den Obern Welten aufzusteigen; und dies ist, was geschrieben steht: »Aus der Feme ist mir der Herr erschienen“- er betrachtet Gott aus der Ferne. Dient er aber Gott mit all seiner Macht, dann fasst er große Gewalt in sich ein und erhebt sich in seinem Geist und durchbricht auf einmal alle Firmamente und steigt über Engel und Himmelsräder und Seraphim und Throne: und das ist der vollkommene Dienst.
VON FERNE UND NAHE
Wer in der Inbrunst des Gottanhaftens das Rechte tut oder der Lehre obliegt, der macht seinen Leib zum Thron der Lebensseele und die Lebensseele zum Thron des Gemüts und das Gemüt zum Thron des Geistes und den Geist zum Thron des Lichts der Einwohnenden Herrlichkeit , das über seinem Haupt ist, und das Licht umfließt ihn ringsum, und er sitzt inmitten des Lichtes und zittert und frohlockt. Des zum Zeichen erscheint der Himmel an jedem Ort als eine Halbkugel.
VON FERNE UND NAHE
Mit Gott ging Noah. „Noah hing Gott so sehr an, dass ihm jeder Schritt, den er tat, von Gott geleitet schien, als stünde Gott ihm gegenüber und setzte ihm die Füße zurecht und führte ihn, wie ein Vater, der seinem kleinen Sohn das Gehen beibringt. Darum, wenn sich der Vater von ihm entfernte, wusste Noah: „Das ist, damit ich gehen lerne.“
VON DER HEIMLICHKEIT
Der Mensch vermag alles Gute zu genießen und sich mit den Wonnen zu kasteien. Er vermag zu blicken, wohin er will und sich nicht über seinen Vierellenumkreis zu verlieren, denn in allen Dingen gewahrt er den geheimen Namen Gottes. Er vermag unbewegt im Gebet zu stehen, dass keiner seinen Dienst bemerkt, verborgen aber brennt sein Geist, und er schreit in der Stille.
VON DER HEIMLTCHKEIT
Zuweilen ruht ein Mensch auf seinem Lager, und seinen Hausgenossen erscheint es, als schlafe er, er aber weilt zu dieser Stunde in der Einsamkeit mit dem Schöpfer, gesegnet sei Er. Das ist eine hohe Stufe, dass er den Schöpfer allzeit mit dem Auge seiner Einsicht anschaut, wie einen andern Menschen. Und besinne dies: wenn du stets in einem läutern Gedanken verharrst, dann schaut auch der Schöpfer dich wie ein Mensch an.
VON DER HEIMLICHKEIT
Es gibt zwei Arten der Liebe. Der eine liebt das Tun und Reden seines klugen Sohns und rühmt sich seiner, dass er Kluges tue und rede; der andre liebt seinen Sohn selber, was er auch reden und tun mag. So ist es mit der LiebeGottes zum Menschen. Wenn ein bewährter Mann Gebote und gute Werke in großer Weisheit erfüllt, da liebt Gott sein Tun und ist all seinem Tun gegenwärtig, und so wird die Äußerlichkeit der Welten an Gott gebunden. Wem aber der Bewährte selber an Gott hangt, dann liebt Gott ihn selber, ob er auch seine Werke nicht in Weisheit vollbringt, sondern in grot3er Einfalt wandelt und Gott anhangt ; eben darum liebt ihn Gott . Und so wird die Innerlichkeit der Welten zu Gott erhoben.
EIN GLEICHNIS VOM GEBET
Das Gebet ist eine Paarung mit der Herrlichkeit Gottes. Darum soll der Mensch sich im Anbeginn des Gebets auf und nieder bewegen, dann aber kann er auch unbewegt stehen und wird an der Herrlichkeit haften, in einem großen Haften. Und weil er sich bewegte, kann er zu einem großen Erwachen gelangen, dass er besinnen muss: Warum bewege ich mich auf und nieder? gewiss, weil die Herrlichkeit Gottes mir gegenüber steht. Und darüber wird er in eine große Entzückung gelangen.
„In meinem Fleische“, spricht Hiob, »werde ich Gort schauen.“ Wie in der leiblichen Paarung nur der zeugen kann, der ein lebendiges Glied mit Verlangen und Freude gebraucht, so in der geistigen Paarung, das ist, dem Sprechen der Lehre und des Gebets, wer sie mit lebendigem Glied in Freude und Wonne tut, der zeugt.
EIN GLEICHNIS VOM GEBET
Wie die Braut zur Hochzeit mit allerlei Gewändern bekleidet und geschmückt wird, wenn aber die Vermählung selber geschehen soll, werden die Gewänder von ihr genommen, damit die Leiber einander nahe kommen können, so heißt es auch: »Aus meinem Fleisch heraus werde ich Gott schauen“, denn das Gebet ist die Braut, die erst mit vielen Gewändern geschmückt wird , dann aber, wenn ihr Freund sie um-fangt, ist alles Gewand von ihr genommen.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Es ist gesagt: »Man bete nicht anders als aus der Schwere des Hauptes. « Das ist so zu verstehn: Bete nicht um ein Ding, das dir fehlt, denn dein Gebet wird nicht angenommen werden. Sondern wenn du beten willst, bete ob der Schwere, die in dem Haupte der Welt ist. Denn das Ding, das dir fehlt, dessen Mangel ist in der Einwohnenden Herrlichkeit. Denn der Mensch ist ein Teil Gottes, und der Mangel, der im Teil ist, ist im Ganzen, und das Ganze erleidet den Mangel des Teils, Daher sei dein Gebet auf den Mangel des Ganzen gerichtet.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Das Gebet ist ein hohes Bedürfen. Denn der Mensch Weiß von seinem Mangel, dass er aus einem Obern kommt, und er betet, dass der Mangel der Herrlichkeit gestillt werde. Und da wird in einem der seine gestillt.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Der Mensch sinne nicht auf Lösung zugleich für Oben und Unten, dass er nicht sei, wie der die ewige Pflanzung zerhaut und Trennung schafft, sondern alles tue er um des Mangels der Herrlichkeit willen, und aus sich selber wird alles gelöst werden, und auch sein eignes Leid wird gestillt werden aus der Stillung der oberen Wurzel. Denn alles, Oben und Unten, ist Eine Einheit.
VONDER WAHREN AUSRICHTUNG
Bete stets für Gottes Herrlichkeit, dass sie aus der Verbannung erlöst werde.
VON DER WAHREN AUSRICHTUNG
Der Mensch soll alle Dinge der Welt mit all seinem Denken, Reden, Handeln einen, auf Gott zu, in Wahrheit und Einfalt. Denn kein Ding der Welt ist außerhalb der Einheit Gottes gesetzt. Wer aber ein Ding anders als auf Gott zu tut, trennt es von Ihm.
VON DER MACHT DES WORTS
Wenn du redest, hege das Geheimnis der Stimme und des Worts im Sinn und rede in Furcht und Liebe und besinne, dass die Welt des Worts aus deinem Munde spricht. Dann wirst du die Worte erheben.
Besinne, dass du nur ein Gefäß bist, dass dein Gedanke und dein Wort Welten sind, die sich breiten: die Welt des Worts, das ist die Einwohnende Herrlichkeit, begehrt in dieser Rede von der Welt des Gedankens. Und wenn du das Licht Gottes in deinen Gedanken und dein Wort gezogen hast, dann sei dies deine Bitte, dass die segnende Fülle sich aus der Welt des Gedankens über die Welt des Wortes ergieße. Dann wird auch dir werden, wessen du bedarfst. Darum heißt es: »Lass uns dich finden in unseren Bitten! « In unsern Bitten selber lässt Gott sich finden.
VON DER MACHT DES WORTS
Wer in seinem Gebet alle Aus Richtungskünste anwendet, die er kennt, der wirkt eben nur, was er kennt. Wer aber das Wort in großer Verbundenheit spricht, dem geht in jedes Wort die Allheit der Ausrichtung von selber ein. Denn jedes Zeichen ist eine völlige Welt, und wer das Wort in großer Verbundenheit spricht, erweckt jene Obern Welten und tut ein großes Werk.
VON DER MACHT DES WORTS
In jedem Zeichen sind die Drei: Welt, Seele und Gottheit. Sie verbinden und vereinen sich miteinander. Und danach vereinen und verbinden sich die Zeichen, und es wird das Wort, Sie einen sich mit wahrer Einung in der Gottheit. Und der Mensch soll seine Seele in jedes der Drei einfassen: dann eint sich alles zu Einem, und es wird große Wonne ohne Grenzen.
VON DER HINGABE
Der Mensch besinne vor dem Gebet, dass er bereit ist, in diesem Gebet zu sterben um der Ausrichtung willen.
VON DER HINGABE
Wisse, dass jedes Wort eine vollständige Gestalt ist, und es tut not, mit deiner ganzen Kraft darin zu sein, denn wird dem nicht Genüge, so ist es wie das Fehlen eines Glieds. Es ist eine große Gnade von Gott, dass der Mensch nach dem Gebet lebt. Denn dem Weg der Natur gemäß müsste er sterben, weil seine Kraft dahin ist, denn er hat seine Kraft um der großen Ausrichtung willen in das Gebet hingegeben.
VON DER VERBUNDENHEIT
Wenn ich meinen Gedanken an den Schöpfer hefte, lasse ich meinen Mund reden, was er will, denn die Worte sind an die obere Wurzel gebunden.
VON DER VERBUNDENHEIT
Wenn der Mensch immer neues Feuer auf den Altar seiner Seele tragt, entflammt sich der Funke der Einwohnenden Herrlichkeit, der in ihm ist, und sie redet die Worte mit seinem Mund, dass es erscheint, als schweige er und die Worte kämen aus seinem Mund von selber.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
In der Stunde der Lehre und des Gebets ist kein trennender Vorhang zwischen dem Menschen und seinem Gott. Auch wenn viele fremde Gedanken in dir aufsteigen, Gewänder und Decken sind sie, hinter denen der Heilige, gesegnet sei Er, sich verbirgt, und wenn du darum weißt, ist da keine Verborgenheit mehr.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
Wenn der Mensch betet und es kommt ihn ein fremder Gedanke an, dann reitet die Schalengewalt auf dem Wort; denn der Gedanke reitet auf dem Wort.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
In allen Gedanken des Menschen birgt sich die Wirklichkeit Gottes. Und jeder Gedanke ist eine vollständige Gestalt. Und wem in dem Denken des Menschen zur Zeit seines Gebets ein böser oder fremder Gedanke aufgeht, kommt er zum Menschen, dass der ihn erlöse und emporsteigen lasse. Wer aber daran nicht glaubt, nimmt das Joch des Himmelreichs nicht wahrhaft an.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
Und Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sprach: Wahrlich, gegenwärtig ist ER an dieser Statte, und ich wusste es nicht.’ Und er erschauerte und sprach: “Wie schauervoll ist diese Stätte!’«
»Gegenwärtig ist ER an dieser Stätte « – das bedeutet: Wo das Lebendige sich schart, da ist Gottes Name. So wohnen auch in allen fremden und bösen Gedanken, welche Kriegsscharen des Lebens und Räuber und die Schalengewalten des Übels sind, heilige Funken der Herrlichkeit, die in der Urzeit niederfielen, als die Gefäße der Schöpfung zerbrachen. »Und er erschauerte und sprach: Wie schauervoll ist diese Statte!’« Denn Schauer und Zittern überkamen ihn, weil er den Schmerz der
Herrlichkeit und ihren Niedergang zu den Schalengewalten des Übels erlitt. Dadurch geschah eine Einung des Schauers mit dem Schauererregenden, und die Schalen brachen auseinander.
VON ABLENKENDEN GEDANKEN
Die fremden Gedanken kommen zum Menschen inmitten seines Gebets aus dem Geheimnis des Zerbrechens der Urgefäße, weil der Mensch sie an jedem Tag ausläutern soll, und sie kommen zu ihm als zu ihrer Erlösung. Und der fremde Gedanke von heute gleicht nicht dem von morgen.
VON ABLENKENDEN GEDANKEND
Der Mensch binde seine Regung an Gott. Wenn ihn eine böse Liebe überkommt, richte er seine Liebe auf Gott allein und all sein Streben gehe auf dieses eine. Und wenn er in Zorn, das ist in eine böse Furcht, gerät, die sich aus der Eigenschaft der Gewalt herleitet, dann gewaltige er seinen Trieb und mache aus eben dieser Eigenschaft einen Wagen für Gott.
VON GUTUND BÖSE
Die Einwohnende Herrlichkeit waltet von oben bis unten, bis zum Rand aller Stufen. Das ist das Geheimnis des Wortes »Und du belebst sie alle“. Sogar wenn der Mensch eine Sunde tut, auch dann ist die Herrlichkeit darein gekleidet, denn ohne sie hatte er nicht die Kraft, ein Glied zu bewegen. Und dies ist das Exil der Herrlichkeit Gottes.
VON GUTUND BÖSE
In der Geschichte der Schöpfung heißt es: »Ja, es war sehr gut, « Aber in der Mahnrede Mose heißt es: „Sieh, gegeben habe ich heuttags vor dich hin das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.“ Woher ist das Böse gekommen? Auch das Böse ist gut, es ist die unterste Stufe des vollkommen Guten, Tut man Gutes, dann wird auch das Böse gut; sündigt man aber, dann wird es zum wirklichen Bösen.
VON GUT UND BÖSE
Die Einwohnende Herrlichkeit umfasst alle Welten, alle Kreaturen, Gute und Böse. Und sie ist die wahre Einheit. Wie kann sie denn die Gegensatze des Guten und des Bösen in sich tragen? Aber in Wahrheit ist da kein Gegensatz, denn das Böse ist der Thronsitz des Guten.
VON GUT UND BÖSE
Wie die Herrlichkeit alle Welten, Gut und Böse, umfasst, so waren sie in Mose beschlossen. Als Gott Mose zum ersten Mal anrief, antwortete er nicht: „Hier bin ich“, weil er im Staunen verging: Wie kann sich da die Einung vollziehn? Denn als Gott sich im Dornbusch, das ist im Bösen, als in der untersten Stufe offenbarte, öffneten sich alle Feuerquellen, von der obersten bis zur Tiefe – aber der Dornbusch verbrannte nicht, das Böse wurde nicht verzehrt: wie konnte das geschehn? Doch Gott rief zum zweiten Mal:“Mose!“ – da band sich in Mose selber die unterste an die oberste Stufe, und er sprach: »Hier bin ich. «
VON HOCHMUT UND DEMUT
Sprich nicht in deinem Herzen, du seist grösser als dein Gefährte, weil du Gott mit Inbrunst dienst. Du bist nicht anders als alle Geschöpfe, die zum Dienst Gottes geschaffen wurden. Und womit warst du angesehener als ein Wurm? Dient er doch. dem Schöpfer mit seiner ganzen Einsicht und Kraft!
VON HOCHMUT UND DEMUT
Die Leute, mit denen du dich unterredest, prüfe nicht, ob ihr Gedanke stetig an Gott hafte. Die prüfende Seele leidet Schaden.
Geschieht es dir, dass du eine Sünde siehst oder von einer vernimmst, suche deinen Anteil an dieser Sünde auf und strebe dich zu Recht zuschaffen. Dann wird auch jener Böse umkehren. Du musst ihn nur mit umfassen nach dem Sinn der Einheit, denn alle sind ein Mensch.
VON HOCHMUT UND DEMUT
Dies sind die Worte, die Mose redete zu all Israel jenseits des Jordans in der Wüste. « Mancher, der Gott zu haben sich bedünkt, Weiß nicht von ihm. Manchem, der aus der Ferne nach ihm zu verlangen meint, ist er nah. Du aber denke immer, du stundest am Ufer des Jordans und seist in das Land noch nicht eingegangen. Und hast du schon allerlei Gebote erfüllt, so wisse, du hast nichts getan.
VON HOCHMUT UND DEMUT
Es gibt zwei äußerste Arten von Menschen. Der eine ist ein vollkommen Böser, der seinen Herrn kennt und gesonnen ist, sich wider ihn zu empören. Der andre bedünkt sich in seiner Verblendung, ein vollkommen Gerechter zu sein, aber auch den Leuten erscheint er als ein vollkommen Gerechter. In Wahrheit jedoch, ob er auch unablässig lernt und betet und sich kasteit, muht er sich umsonst, denn er hat die Treue nicht. Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Für den vollkommen Bösen gibt es eine Heilung seines Gebrechens- wenn die Umkehr sich in ihm erweckt und er mit seinem ganzen Herzen zu Gott umkehrt und ihn bittet, ihm den Weg zu weisen, wo das Licht wohnt. Der andre aber, der unvermögend ist, den Schöpfer, seine Größe und seinen Dienst zu schauen, weil er in seinem eignen Auge gerecht ist – wie kann er umkehren?
VON HOCHMUT UND DEMUT
Der Hochmut ist schwerer als alle Sünde. Denn allen Sündigen gilt das Wort Gottes von sich: »der inmitten ihrer Unreinheiten wohnte. Von dem Hochmütigen aber spricht Gott, wie unsre Weisen lehren: »Ich und er können nicht zusammen in der Welt weilen. «
VON HOCHMUT UND DEMUT
Auch die Jünger Abrahams kannten den Hochmut, auch. die Jünger Bileams kannten die Demut. Aber jene hatten den rechten Hochmut, sie erhoben ihr Herz und erdreisteten sich, Großes auf den Wegen Gottes zu vollbringen, und diese hatten die schlechte Demut , sie erniedrigten ihr Herz und getrauten sich nicht, das Gebot zu erfüllen: Weiche vom Bösen und tue das Gute das heißt: Mache aus dem Bösen das Gute.
VON DER ZWIEFÄLTIGER BEWEGUNG
Wenn zuerst in dem Weibe die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren. Und das Männliche ist das Sinnbild des Erbarmens.
Wenn zuerst von unten die Bewegung erwacht, waltet die Gotteseigenschaft des Erbarmens.
Davon heißt es auch: »Ich erwecke die Morgenröte.“
Und wohl steht vom Tag der Versöhnung geschrieben: »An diesem Tag bedeckt man über euch“ – auch wenn sie nicht von selber zu ihr erwachten, wurde die Sühnung von oben erweckt, „euch zu reinigen: von all euern Sünden«. Nun aber folgt das Wort des geziemenden Heils:“Vor Gott reinigt ihr euch“ ehe Gott euch anregt, sollt ihr euch regen.
Und so sagt es Rabbi Akiba: »Heil euch Israel! Vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel.“ An euch ist der Anbeginn. Denn wenn zuerst in dem Weibe die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren.
M. Buber, Baal Shem Tow. Unterweisung im Umgang mit Gott, Heidelberg 1981 (Verlag Lambert Schneider)