
Citaten en toelichting uit: Han, Byung-Chul, Philosophie des Zen-Buddhismus, Stuttgart 2002, (Reclame)
- Zonder (een) God
In zen is er geen God, er is geen hogere macht, er is geen toewijding aan een hogere macht. Ook Boeddha wordt niet als een god vereerd. Een aantal citaten maakt dit duidelijk. Immanentie, deze wereld en deze verloop van de tijd staat centraal. Leven in het hier en nu van deze wereld. Dat is waar het om draait. Transcendentie is er niet, zeker niet buiten de immanentie van het bestaan. Geen wereld buiten deze wereld. Verlichting is een sprong in deze wereld. Niet een tasten naar wat er buiten zou kunnen zijn want er is geen buiten.
Die Abwesenheit von »Wille« oder »Subjektivität« ist gerade fürs Friedliche des Buddhismus konstitutiv. Auch die Kategorie >Macht< ist dem buddhistischen Nichts unangemessen, denn sie ist eine Äußerung der >Substanz< oder des >Subjekts<. Dem Nichts, das gerade jede Substantialität, jede Subjektivität negiert, ist jene >Macht< fremd, die sich >offenbart< oder >manifestiert<. Es stellt keine »tuende, wirkende Macht« dar. Es >bewirkt< nichts. Die Abwesenheit des >Herrn< entbindet den Buddhismus ferner von jeder Ökonomie der Herrschaft. Die fehlende Konzentrierung der >Macht< auf einen Namen führt zu einer Gewaltlosigkeit. Niemand repräsentiert eine >Macht<. Sein Fundament wäre eine leere Mitte, die nichts ausschließt, die von keinem Träger der Macht besetzt ist. Diese Leerheit, diese Abwesenheit der >ausschließenden Subjektivität< macht den Buddhismus gerade freundlich. Der >Fundamentalismus< widerspräche seinem Wesen. Der Buddhismus lässt keine Anrufung Gottes zu. Er kennt weder die göttliche Innerlichkeit, in die sich die Anrufung versenken könnte, noch die menschliche Innerlichkeit, die einer Anrufung bedürfte. Er ist frei vom Anrufungstrieb. Ihm ist jener »unmittelbare Trieb«, jene »Sehnsucht«, jener »Instinkt des Geistes« fremd, der die Konkretion oder Konzentration Gottes »in der Gestalt eines wirklichen Menschen« (sc. Christus) forderte. pag. 17
In der menschlichen Gestalt Gottes sähe der Mensch sich selbst. Er gefiele sich in Gott. Der Buddhismus ist dagegen nicht narzisstisch strukturiert. Der Zen-Meister Dung-schan würde mit seinem »Säbel zum Töten« den >Gott< zerschmettern wollen. Der Zen-Buddhismus wendet die buddhistische Religion auf die radikalste Weise in die Immanenz: »Weit aufgeräumt. Nichts Heiliges.« Zen-Worte wie »Buddha ist Ziegelscherben und Kieselsteine« oder »drei Pfund Hanf« weisen ebenfalls auf jene zen-buddhistische Geisteshaltung hin, die der Immanenz ganz zugewandt ist. Sie bringen den »alltäglichen Geist« zum Ausdruck, der den Zen-Buddhismus zu einer Religion der Immanenz macht. Das Nichts bzw. die Leere des Zen-Buddhismus ist auf kein göttliches Dort gerichtet. Die radikale Wendung in die Immanenz, ins Hier kennzeichnet gerade den chinesischen bzw. fernöstlichen Charakter des Zen-Buddhimus.21 Wie Linji betreibt der Zen-Meister Yunmen eine Destruktion des Heiligen. Er weiß offenbar, wovon das Friedliche abhängt.
pag 18
Das zen-buddhistische Weltbild ist weder nach Oben ausgerichtet noch auf die Mitte hin zentriert. Ihm fehlt das herrschende Zentrum. Man könnte auch sagen: Die Mitte ist überall. Jedes Seiende bildet eine Mitte. Als eine freundliche Mitte, die nichts ausschließt, spiegelt es das Ganze in sich. Das Seiende ent-innerlicht sich, öffnet sich schrankenlos einer welthaften Weite: »Wir müssen das ganze Universum in einem einzigen Staubkörnchen erblicken.« So erblüht das ganze Universum in einer einzigen Pflaumenblüte.
Jene Welt, die in ein Staubkörnchen passt, ist gewiss jedes theologisch-teleologischen >Sinns< entleert. Sie ist auch in dem Sinne leer, dass sie weder vom theos noch vom anthropos besetzt ist. Sie ist frei von jener Komplizenschaft, die zwischen anthropos und theos bestünde. Das Nichts des. Zen-Buddhismus bietet nichts zum Festhalten, keinen festen >Grund< dessen man sich versichern, sich vergewissern, nichts, woran man sich festklammern könnte. Die Welt ist ohne Grund: »Uber dem Kopf gibt es kein Dach und unter den Füßen keine Erde.« »Mit einem Schlag bricht jäh der große Himmel in Trümmer. Heiliges, Weltliches spurlos entschwunden. Im Unbegangenen endet der Weg.« Das Grundlose in einen singulären Halt und Aufenthalt zu verwandeln, das Nichts zu bewohnen, den großen Zweifel in ein Ja zu wenden, in dieser singulären Wendung bestünde die geistige Kraft des Zen-Buddhismus.
Der Weg führt in keine >Transzendenz<. Unmöglich wäre eine Weltflucht, denn es gibt keine andere Welt:
»Im Unbegangenen ereignet sich eine Wendung, und plötzlich öffnet sich ein neuer, vielmehr der alte Weg. Dann leuchtet der helle Mond vor dem Tempel und rauscht der Wind.« Der Weg mündet ins Uralte, führt in eine tiefe Immanenz, in eine alltägliche Welt von »Männern und Frauen, Alt und Jung, Pfanne und Kessel, Katze und Löffel«.
Die Zen-Meditation ist radikal unterschieden von jener Meditation Descartes, die in ihrer Orientierung an der Maxime der Gewissheit sich aus dem Zweifel bekanntlich durch die Vorstellung von >Ich< und >Gott< rettet. Der Zen-Meister Dôgen würde Descartes ans Herz legen, dass er mit seiner Meditation fortfahren, seinen Zweifel noch vorantreiben, vertiefen möge, bis es zu jenem großen Zweifel kommt, bis er selbst der große Zweifel wird, in dem sowohl das >Ich< als auch die Idee >Gottes< gänzlich zerbrechen.
pag 19-20
In Zen-Buddhismus wird eine andere Ruhe angestrebt. Diese wird erreicht gerade durch die Aufhebung der Warum-Frage, der Frage nach dem Grund. Jenem Gott der Metaphysik als letztem Grund wird eine blühende Grundlosigkeit entgegengesetzt: »Rote Blumen blühen in herrlicher Wirre.«30 Auf eine singuläre Ruhe verweist das Zen-Wort: »Gestern, heute ist es so, wie es ist. Am Himmel geht die Sonne auf und der Mond unter. Vor dem Fenster ragt fern der Berg und fließt der tiefe Fluss.«
pag 21
Der Zen-Buddhismus ließe diese strikte Trennung zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten, zwischen dem Erscheinenden und dem Verborgenen nicht zu. Alles, was zwischen Himmel und Erde glänzt und blüht, tönt und duftet, steigt und kommt, geht und fällt, klagt und schweigt, erbleicht und dunkelt, wäre schon maßgebend. Es wird nicht nach etwas Verborgenem hinter der Erscheinung gesucht. Das Geheimnis wäre das Offenbare. Es gibt keine höhere Seinsebene, die der Erscheinung, der Phänomenalität vorgelagert wäre. Jenes Nichts bewohnt dieselbe Seinsebene wie die erscheinenden Dinge. Die Welt ist ganz da in einer Pflaumenblüte. Es gäbe nichts außerhalb der Offenbarkeit von Himmel und Erde, von Pflaumenblüte und Mond, nichts außerhalb der in ihrem eigenen Licht erscheinenden Dinge. Wenn ein Mönch seinen Meister gefragt hätte: »Gibt es auf Erden ein Maß?«, hätte er womöglich als Antwort erhalten:
»Ziegelscherben und Kieselsteine«. Auch das Haiku lässt die ganze Welt in den Dingen erscheinen. Sie ist ganz offenbar in der Offenbarkeit der Dinge zwischen Himmel und Erde. Nichts bleibt >verborgen<; nichts zieht sich ins Unbekannte zurück.
pag 24
Der Zen-Buddhismus ist frei von jeder narzisstischen Selbstbezüglichkeit. Es gäbe nichts, mit dem ich >verschmelzen< könnte, kein göttliches Gegenüber, was mein Selbst zurückspiegeln würde. Kein >Gott< restituiert oder erstattet das Selbst zurück. Keine Ökonomie des Selbst beseelt das entleerte Herz. Die Leere des Zen-Buddhismus negiert gerade jede Form narzisstischer Rückkehr zu sich. Sie ent-spiegelt das Selbst. Eckharts Seele geht zwar zu Grunde. Aber sie stirbt sich nicht gänzlich wie im Zen-Buddhismus. Die Erleuchtung (Satori) bezeichnet keine >Entrückung<, keinen ungewöhnlichen >ekstatischen< Zustand, in dem man doch sich gefiele. Sie ist vielmehr das Erwachen zum Gewöhnlichen. Man erwacht nicht in ein extraordinäres Dort, sondern in ein uraltes Hier, in eine tiefe Immanenz. Der Raum, den der »alltägliche Geist« bewohnt, ist auch keine göttliche »Wüste« Eckharts, keine >Transzendenz<, sondern eine vielfältige Welt. Der Zen-Buddhismus ist beseelt von einem Urvertrauen ins
pag 32
Hier, von einem ursprünglichen Weltvertrauen. Diese Geisteshaltung, die weder Aktionismus noch Heroismus kennt, ist wohl charakteristisch fürs fernöstliche Denken überhaupt. Aufgrund seines Weltvertrauens wäre der Zen-Buddhismus eine Welt-Religion im besonderen Sinne. Er kennt weder Weltflucht noch Weltverneinung. Das Zen-Wort »Nichts Heiliges« verneint jeden extraordinären, extraterrestrischen Ort. Es formuliert einen Rückschwung ins alltägliche Hier.
Unter einem Dach
schliefen auch noch die Dirnen,
Kleeblüten und Mond.
Bashô
Die »Leere« oder das »Nichts« des Zen-Buddhismus ist keine » Wüste«. Der in Der Ochs und sein· Hirte beschriebene Weg führt ebensowenig in eine göttliche Wüstenlandschaft. Auf dem neunten Bild ist ein blühender Baum zu sehen. Der Zen-Buddhismus bewohnt die erscheinende Welt.
pag 33
Die Erleuchtung ist ein Erwachen zum Alltäglichen. Jede Suche nach einem extraordinären Dort lässt einen vom Weg abkommen. Erfolgen soll ein Sprung ins gewöhnliche Hier: »Wozu das Suchen? Seit jeher ist der Ochse niemals vermisst worden.«74 Der Blick soll sich, statt anderswohin zu schweifen, in die Immanenz vertiefen: »Wir müssen stets achtsam auf die Stelle schauen, auf die unsere Füße treten und dürfen uns nicht in die Ferne verlieren. Denn wo wir auch gehen und stehen, liegt der Ochse in Wahrheit schon immer unter unseren Füssen.«75 Im neunzehnten Kôan des Mumonkan heißt es:
Den Nan-ch’üan fragte einst Chao-chou: »Was ist der Weg?« Nan-ch’üan sprach: »Der alltägliche Geist ist der Weg.« Chao-chou sprach: »Muss man sich zu ihm hinwenden oder nicht?« Nan-ch’üan sprach: »Wer sich eigens zu ihm hinwendet, wendet sich von ihm ab.«
Das Herz soll nach nichts streben, auch nicht nach >Buddha<. Das Streben verfehlt gerade den Weg. Die ungewöhnliche Forderung des Zen-Meister Linji, ,Buddha, zu töten, verweist auf jenen alltäglichen Geist. Es gilt das Herz freizuräumen, es auch vom >Heiligen< freizumachen. Absichtslos-gehen ist selbst der Weg. In dieser Absichtslosigkeit, in dieser singulären Zeit ohne Sorge glückt der Tag.
Eines Tages sagte der Meister: »Heute sind es elf Tage seit Beginn der Sommerübungszeit. Habt ihr einen Zugang gefunden? Was sagt ihr?« An Stelle der stummen Zuhörer sagte Meister Yunmen: »Morgen ist der zwölfte.«
»Tag um Tag ist guter Tag«, und zwar da, wo man zum alltäglichen Geist erwacht. Der geglückte Tag ist der tiefe All-Tag, der in sich ruht. Es gilt, in der Wiederholung des Gewöhnlichen, des Uralten das Ungewöhnliche zu erblicken. Satori mündet in eine singuläre Wiederholung. Die Zeit der Wiederholung als Zeit ohne Sorge verspricht eine »gute Zeit«.
pag 40-41

2. (In de) leegte
In zen is leegte een centraal begrip. Leegte is immanent. Leegte staat tegenover substantie, tegenover het tegenover elkaar stellen van de dingen door hen gewicht te geven, hen substantieel te beschouwen en te behandelen. Het denken in van elkaar afgescheiden substanties staat haaks op de ervaring van immanentie en leegte waarin alles met alles samenhangt en waarin het onderscheid is opgeheven in het denken.
Sûnyatá stellt dagegen eine Bewegung der Ent-Eignung dar. Sie ent-leert das Seiende, das in sich verharrt, das sich auf sich versteift oder sich in sich verschließt. Sie versenkt es in eine Offenheit, in eine offene Weite. lm Feld der Leere verdichtet sich nichts zu einer massiven Präsenz. Nichts beruht allein auf sich. Ihre ent-grenzende, ent-eignende Bewegung hebt das monadische Für-sich in eine wechselseitige Beziehung auf. Die Leere stellt jedoch kein Entstehungsprinzip, keine erste >Ursache< dar, aus der alles Seiende, alles Formhafte >entstünde<. ihr wohnt keine >substantielle Macht< inne, von der eine >Wirkung< ausginge. Und kein >ontologischer< Bruch erhebt sie in eine höhere Seinsordnung. Sie markiert keine >Transzendenz<, die der erscheinenden Form vorgelagert wäre. So sind Form und Leere auf derselben Seinsebene angesiedelt. Kein Seinsgefälle trennt die Leere von der >Immanenz< der erscheinenden Dinge. Die >Transzendenz< oder das >Ganz Andere< stellt, wie oft betont, kein fern östliches Seinsmodell dar.
Yü-chiens zen-buddhistisch inspirierte Landschaftsbilder Acht Ansichten van Hs’iao-Hsing liegen sich als Ansichten der Leere interpretieren. Sie bestehen aus flüchtigen, nur andeutenden Pinselstrichen, gleichsam aus Spuren, die nichts festlegen. Die dargestellten Formen wirken mit einer eigentümlichen Abwesenheit überzogen. Alles scheint dazu zu neigen, kaum dagewesen, wieder in die Abwesenheit hinabzutauchen. Die Formen scheinen sich in die unendliche Weite des weißen Grundes zurückzuziehen. Eine Scheu hält die Artikulation in einer eigentümlichen Schwebe. In einer Losgelöstheit schweben die Dinge zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, zwischen Sein und Nicht-Sein. Sie sprechen nichts Endgültiges aus. Nichts drängt sich auf; nichts grenzt sich, schließt sich ab. Alle Figuren gehen ineinander über, schmiegen sich an, spiegeln einander, als wäre die Leere ein Medium der Freundlichkeit. Der Flug sitzt, und der Berg beginnt zu fliegen. Erde und Himmel schmiegen sich an. Das Eigentümliche an dieser Landschaft ist, dass die Leere die besondere Gestalt der Dinge nicht einfach zum Verschwinden bringt, sondern in ihrer anmutigen Anwesenheit leuchten lässt. Einer aufdringlichen Präsenz fehlte jede Anmut.
Der Ruf des Kuckucks
erfüllt den hohen Bambus
die ganze Mondnacht.
Bashô
In den Sûtren der Berge und Flüsse bringt Dôgen eine besondere Landschaft der Leere zur Sprache, in der »die blauen Berge wandern«: »Schmähe die Berge nicht, indem du sagst, die blauen Berge können nicht wandern oder der östliche Berg kann nicht übers Wasser schreiten. Nur ein Mensch mit großem Verständnis bezweifelt das Wort ,Die blauen Berge wandern<, Es ist wegen der Armut an Erfahrungen, dass man sich verwundert über ein solches Wort wie >fließende Berge <.« Der Ausdruck »fließende Berge« ist hier keine >Metapher<. Dôgen würde sagen, dass die Berge ,wirklich, fließen. Metaphorisch wäre die Rede vom »fließenden Berg« nur auf der Ebene der >Substanz<, wo der Berg sich vom Fluss unterscheidet. lm Feld der Leere aber, wo Berge und Flüsse ineinander spielen, nämlich auf der Ebene der In-Differenz fließt der Berg >wirklich<. Der Berg fließt nicht wie der Fluss, sondern der Berg ist der Fluss. Aufgehoben ist hier der auf dem Substanz-Modell beruhende Unterschied zwischen Berg und Fluss. In der metaphorischen Rede würde eine Eigenschaft des Flusses auf die Berge bloß >übertragen<, wobei die Berge >eigentlich, nicht flössen. Die Berge sähen nur so aus, als ob sie in Bewegung wären. So spricht die metaphorische Rede >uneigentlich<. Dôgens Rede ist dagegen weder >eigentlich< noch >uneigentlich,. Sie verlässt die substanziale Seinsebene, auf der allein die Trennung von >eigentlicher< und >uneigentlicher< Rede sinnvoll wäre. Auf der Ebene der Leere verharrt der Berg nicht substanzhaft in sich. Er verfließt vielmehr in den Fluss. So entfaltet sich eine fließende Landschaft: »Die Berge schweben über den Wolken und wandern durch den Himmel. Die Gipfel des Wassers sind die Berge; das Wandern der Berge, aufwärts und abwärts, geschieht ständig auf dem Wasser. Weil die Zehen der Berge über alle Arten des Wassers wandern können, wobei sie das Wasser zum Tanzen bringen, ist das Wandern frei in allen Richtungen […].« Die ent-schränkende Leere hebt jede starre Gegensätzlichkeit auf: »Das Wasser ist weder stark noch schwach, weder nass noch trocken, weder in Bewegung noch ruhig, weder kalt noch warm, weder existent noch nicht-existent, weder Täuschung noch Erleuchtung.« Die Ent-Schränkung gilt auch dem Sehen. Angestrebt wird ein Sehen, das vor der Trennung von >Subjekt< und >Objekt< stattfindet, Kein >Subjekt< soll sich dem Ding aufdrängen. Ein Ding muss so gesehen werden, wie es sich selbst sieht. Ein gewisser Vorrang des Objekts soll dies vor der Aneignung durchs >Subjekt, bewahren. Die Leere leert den Blickenden ins Erblickte. Geübt wird ein gleichsam objekthaftes, Objekt werdendes, ein sein-lassendes, freundliches Sehen. Man muss das Wasser so betrachten, wie das Wasser Wasser sieht. Eine vollkommene Betrachtung käme dadurch zustande, dass der Betrachter gleichsam wasserhaft wird. Sie sieht das Wasser in seinem So-sein.
Die Leere ist eine freundliche ln-Differenz, in der der Blickende zugleich der Erblickte ist: »Der Esel sieht in den Brunnen und der Brunnen in den Esel. Der Vogel schaut die Blume an und die Blume schaut den Vogel an. Dies alles ist die >Sammlung im Erwachen<. Das eine Wesen west an in allem Anwesenden und alles Anwesende scheint in das eine Wesen.« Der Vogel ist auch die Blume; die Blume ist auch der Vogel. Die Leere ist das Offene, das eine gegenseitige Durchdringung zulässt. Sie stiftet die Freundlichkeit. Das eine Seiende spiegelt das Ganze in sich. Und das Ganze wohnt in dem einen Seienden. Nichts zieht sich in ein isoliertes Für-sich zurück. Es fließt alles. Die Dinge gehen ineinander über, vermischen sich. So ist das Wasser überall: »Es ist die falsche Lehre der Nicht-Buddhisten, dass es Orte gäbe, wohin Wasser nicht gelangen könnte. Es durchdringt die Flammen; es durchdringt Herz und Verstand; es durchdringt die Unterscheidung und die erleuchtete Weisheit der Buddha-Natur.« Der Unterschied zwischen >Natur< und Geist< wird aufgehoben. Das Wasser ist nach Dôgen der Weisen Körper und Geist. Für die Weisen, die tief in den Bergen leben, sind diese ihr Körper und Geist: »Wir sollten uns daran erinnern, dass die Berge und die Weisen einander gleichen.« Die Übung bestünde darin, dass die Mönche, die in den Bergen leben, berghaft werden, das Ge-Sicht des Berges an nehmen. Eine >Magie, wäre es, einen Berg einfach in einen Fluss zu verwandeln. Die >Magie< verwandelt eine Substanz in eine andere. Sie transzendiert aber die Sphäre der Substanz nicht. Dôgens »fließende Berge« entspringen dagegen keiner magischen Wesensverwandlung. Sie stellen vielmehr eine alltägliche Ansicht der Leere dar, in der eine wechselseitige Durchdringung der Dinge stattfindet: »In der echten Wahrheit gibt es weder Zauberei noch Geheimnisse noch Wunder. Wer es meint, geht auf dem Irrweg. Allerdings gibt es im Zen allerlei Kunststücke: zum Beispiel aus dem Kessel den Berg Fuji ragen zu lassen, aus der glühenden Feuerzange Wasser zu pressen, sich in den Holzpfosten zu setzen der zwei Berge wechselweise sich versetzen zu lassen. Aber das ist nicht Zauberei und nichts Wunderbares, sondern eine alltägliche Trivialität.« In einem Pflaumenbaum wohnen Frühling und Winter, Wind und Regen. Er ist auch die Stirn eines Mönchs. Aber er zieht sich auch ganz in seinen Duft zurück. Das Feld der Leere ist frei vom Zwang der Identität: »Der alte Pflaumenbaum […] ist sehr ungezwungen. Er blüht ganz plötzlich und trägt von selbst Früchte. Manchmal macht er den Frühling und manchmal den Winter. Manchmal holt er einen tobenden Wind und manchmal einen heftigen Regen. Manchmal ist er die Stirn eines einfachen Mönchs und manchmal das Auge des ewigen Buddhas. Manchmal erscheint er mit Gräsern und Bäumen und manchmal ist er nur ein reiner Duft.« Man hat hier nicht mit einer >poetischen< Rede zu tun, es sei denn, poetisch bezeichnet einen Seinszustand, in dem die Klammer der Identität sich lockert, nämlich den Zustand einer besonderen In Differenz, in dem die Rede gleichsam fließt. Diese fließende Rede antwortet auf die fließende Landschaft der Leere. Im Feld der Leere befreien sich die Dinge aus der Isolierzelle der Identität in eine All-Einheit, in die Freiheit und Ungezwungenheit einer wechselseitigen Durchdringung. Wie das alles durchdringende Weiß des Schnees taucht es die Dinge in eine In-Differenz. Schwer ist es nämlich, zu unterscheiden zwischen dem Weiss einer Blüte und dem des darauf liegenden Schnees: „Schnee liegt auf den Blütenrispen des Uferschilfs; schwer ist’s, zu unterscheiden, wo diese anfangen und wo jener auf hört.« Das Feld der Leere ist in gewisser Hinsicht grenzenlos. Innen und Außen durchdringen sich: »Schnee in den Augen, Schnee in den Ohren: genauso ist es, wenn sich einer in der Gegend der Einfarbigkeit [sc. der Leere] aufhält.« Die »Einfarbigkeit« der Leere tötet zwar die Farben, die in sich verharren. Aber dieser Tod belebt sie zugleich. Sie gewinnen an Weite und Tiefe oder an Stille. Die »Einfarbigkeit« hat also mit der unterschiedslosen, farblosen oder eintönigen Einheit nichts gemeinsam. Man könnte sagen: Das Weiß bzw. die Leere ist die Tiefenschicht oder der unsichtbare Atemraum der Farben bzw. der Formen. Die Leere taucht sie zwar in eine Art Abwesenheit. Aber diese Abwesenheit erhebt sie zugleich in eine besondere Anwesenheit. Eine massive Präsenz, die nur >anwesend< wäre, würde nicht atmen. Die wechselseitige Durchdringung im Feld der Leere zieht kein gestalt- und formloses Durcheinander nach sich. Sie bewahrt die Gestalt. Leere ist Form: »Meister Yunmen sagte einmal: >Die wahre Leere vernichtet nicht das, was ist. Wahre Leere ist nicht verschieden vom Gestalthaften.<« Die Leere verhindert nur, dass das Einzelne sich auf sich versteift. Sie löst die substanzhafte Starre. Die Seienden fließen ineinander, ohne dass sie zu einer substanzhaften >Einheit< verschmölzen. Im Shôbôgenzô heißt es: »Der erleuchtete Mensch ist wie der Mond, der im Wasser sich spiegelt (wörtlich: wohnt, haust): der Mond wird nicht nass, und das Wasser wird nicht gestört. Obwohl das Licht des Mondes breit und groß ist, wohnt es in einem kleinen Wasser. Der ganze Mond und der ganze Himmel wohnen in einem Tautropfen auf einem Grashalm, in einem einzigen Wassertropfen. Erleuchtung durchbricht das Einzelwesen nicht, genauso wie der Mond das Wasser nicht durchbohrt. Das Einzelwesen stört den Zustand der Erleuchtung nicht, genauso wie ein Tautropfen den Himmel und den Mond nicht stört.« Die Leere bedeutet also keine Negation des Einzelnen. Die erleuchtete Sicht sieht jedes Seiende in seiner Einzigartigkeit leuchten. Und nichts herrscht. Der Mond bleibt dem Wasser freundlich. Die Seienden wohnen ineinander, ohne sich aufzudrängen, ohne das Andere zu behindern.
Einer Windenblüte
einziger tiefer Kelch atmet
die Farbe des Bergsees …
Buso
Die Leere oder das Nichts des Zen-Buddhismus ist also keine einfache Negation des Seienden, keine Formel des Nihilismus oder des Skeptizismus. Sie stellt vielmehr eine Äußerste Bejahung des Seins dar. Verneint wird nur die substanzhafte Abgrenzung, die gegensätzliche Spannungen erzeugt. Die Offenheit, die Freundlichkeit der Leere besagt auch, dass das jeweilige Seiende nicht nur >in< der Welt ist, sondern in seinem Grunde die Welt ist, in seiner Tiefenschicht die anderen Dinge atmet oder diesen Aufenthaltsräume bereitet. So wohnt in dem einen Ding die ganze Welt.
pag 44–52
Man könnte auch sagen: Die Leere des Zen-Buddhismus ist ohne Seele und ohne Stimme. Sie ist eher zerstreut als >gesammelt<. Oder: ihr wohnt eine singuläre Sammlung inne, nämlich eine Sammlung ohne Innerlichkeit, eine Stimmung ohne Stimme.
Zum Pflaumendufte
ging plötzlich die Sonne auf
am schmalen Bergpfad.
Bashô
pag 63.

3. Niemand
In zen doet mijn zelfverstaan als ego er niet toe. Ik ben als onderscheidend van al wat is, wil zeggen dat het zelf bezig is met zichzelf. Dat is een illusie. De afscheiding is een illusie. Er is geen afscheiding, er is geen onderscheid in substantiele zin. Ik ben niemand en allen, en alles, en allen en alles ben ik. Alle onderscheiding lost op, ik vervaag en en ben niet te onderscheiden van wat mij omgeeft. Identiteit is een illusie. Het zelf is een hersenspinsel. Maak je niet druk (over jezelf, voor jezelf), want er is niets om je druk over te maken.
Die zen-buddhistische Übung bestünde dagegen darin, diese Schwere des Sich abzuwerfen, d. h, ohne Sorge zu sein, die Welt ohne Sorge um sich in ihrem So-sein wahrzunehmen. Im Shôbôgenzô heißt es: »Dass das Selbst sich selbst und alle Dinge praktiziert und bestätigt, ist Illusion. Dass alle Dinge herbeikommen und das Selbst praktizieren und es bestätigen, ist Erleuchtung.«
Obwohl kein Buddha,
steht doch so selbstvergessen
die alte Kiefer.
Issa
Der Mensch ohne Sorge hütet kein Ich-bin. Er verwandelt sich dem Lauf der Dinge entsprechend, statt sich gleich bleiben zu wollen. Sein niemandiges, selbstloses Selbst besteht aus Spiegelungen der Dinge. Er leuchtet im Lichte der Dinge. Zu Faust, der darüber klagt, zwei Seelen in seiner Brust zu haben, würde Bashô womöglich gesagt haben: »Schneide dir die Seelen heraus, und lasse dort eine Pflaume blühen.«
Jede zen-buddhistisch inspirierte Kunst beruht auf einer singulären Erfahrung der Verwandlung. Ein Zen Wort lautet: »Nachdem ich die Landschaft Hsiao-Hsing erschöpfend betrachtet habe, komme ich mit dem Boot in das gemalte Bild hinein.« Die Landschaft erschöpfend betrachten heißt nicht, sie vollständig erfassen. Einen Gegenstand vollständig erfassen würde bedeuten, sich seiner ganz bemächtigen. Die Landschaft erschöpfend betrachten heißt dagegen, von sich wegsehend sich in die Landschaft versenken. Der Betrachter hat hier die Landschaft nicht als einen Gegen-Stand vor sich. Viel mehr verschmilzt er mit der Landschaft. Zu dem Bild Abendschnee auf dem Land, wo Fluss und Himmel in einander übergehen schreibt Yü-chien: »Die unendliche Weite von Fluss und Himmel ist die unendliche Weite des Herzens. « Das Herz ist hier kein Organ der Innerlichkeit. Es schlägt gleichsam draußen. Seine Weite ist der Weite der Landschaft koextensiv. Fluss und Himmel gehen ineinander über, und strömen in das ent-inner lichte, ent-leerte, niemandige Herz.
Yü-chien rahmt sein Bild In die ferne Bucht kommen Segelboote zurück in die Worte ein: »Grenzen loses Land kommt in die Haarspitze des Pinsels herein. Segel sind in den herbstlichen Fluss gefallen und verborgen im abendlichen Dunst. Der letzte Abendschein ist noch nicht erloschen, doch beginnen schon die Lampen der Fischer zu flimmern. Zwei Greise in einem Boot sprechen gelassen vom Land Jiang-nan.« Grenzen-los ist diese Landschaft deshalb, weil sie fließt. Der abendliche Dunst verhüllt die Segel. Vom herbstlichen Fluss ist das Boot kaum zu unterscheiden. Hell und Dunkel vermischen sich. Und wo das grenzenlose Land in die Pinselspitze hineinkommt, ist der Maler die Landschaft. Er malt sich weg in die Landschaft. Der Maler spiegelt die Landschaft niemandig in sich. Die Landschaft malt die Landschaft. Sie führt den Pinsel. Die Landschaft wird so gesehen, wie sie sich selbst sieht ohne die Perspektive des beobachtenden Malers. Der Pinsel, der mit der Landschaft eins wird, ließe keine Distanz zu, in der ein perspektivisches, vergegenständlichendes Sehen möglich wäre. Und wo grenzenloses Land mit der Pinselspitze verschmilzt, ist jeder Pinselstrich die ganze Landschaft. Jeder einzelne Strich atmet das Ganze, die ganze Landschaft von Hsiao-Hsing. Im zen-buddhistischen Landschaftsbild wird eigentlich nichts >gemalt< oder >ausgeführt<. Teile werden nicht zu einem Ganzen diskursiv angehäuft oder zusammengeführt.
pag 73-75
Auch die Haikus bzw. die Zen-Gedichte sind kein >Ausdruck< der >Seele<. Sie lassen sich eher als Ansichten des Niemandes interpretieren. In ihnen ist keine Innerlichkeit auszumachen. Kein >lyrisches Ich< drückt sich aus. Auch die Dinge des Haikus sind zu nichts gedrängt. Kein >lyrisches< Ich überflutet die Dinge, macht diese dadurch zu Metaphern oder Symbolen. Das Haiku lässt die Dinge vielmehr in ihrem So-Sein leuchte Das Zu-nichts-gedrängt-Sein als Grundstimmung de Haikus verweist auf das fastende Herz des Dichters, da die Welt in sich spiegelt.
Auf Entenflügel
der zarte Schnee sich häuft
oh, diese Stille.
Shiki
pag 77
Die Haikus bringen die Welt bzw. die Dinge in ihrem So-sein zur Sprache, das leuchtet außerhalb des menschlichen Zugriffes. Aber dieses So-sein manifestiert sich nicht als ein dämonisches, impersonales Es. Es ist eher freundlich als dämonisch oder unheimlich. Im Gegensatz zu Es-Gedichten verweisen die Haikus eigentlich auf nichts, auf kein unverfügbares Substantiv. Kein dämonisches Es überflutet das Ich und die Welt. Das Es-Gedicht verrät, nimmt man es genauer unter die Lupe, noch ein Ich, das in einem totalen Verlust des sinnhaften Bezuges der Welt als einer impersonalen anonymen Größe ausgesetzt ist. Aus den Dingen, die es gibt, meldet sich ein entfremdetes, ausgehöhltes, weltlos herumschweifendes, suchendes, anrufendes Ich zu Wort. Auch die Dinge kommunizieren nicht miteinander. Jedes Ding wird zum leeren, anonymen Widerhall des Es. In den Es-Gedichten drängt sich eine totale Bezugslosigkeit auf, während die Haikus eine Bezüglichkeit, eine freundliche Verhältnishaftigkeit artikulieren.
Die Leere als der Ort des Haiku ent-leert sowohl das Ich als auch das Es. So ist das Haiku weder >personal< noch >impersonal<
Der Duft vom Felsen:
Das Sommergras, das rot ward,
In Tau und Hitze.
Bashô
Die Haikus verweisen ferner auf keine verborgene Bedeutung, die herauszufinden wäre. Es gibt keine Metapher, die einer Deutung zu unterziehen wäre. Das Haiku ist ganz offenbar. Es ist an sich hell. Man braucht es nicht erst zu ,beleuchten,.
Der eine Windstoß
lässt die Wasservögel
viel weißer aussehen.
Buson
Das Haiku offenbart seinen >Sinn< vollständig. Es hat gleichsam nichts zu verbergen. Es ist nicht nach innen gekehrt. Ihm wohnt kein >Tiefsinn< inne. Diese Abwesenheit des >Tiefsinns< macht gerade die Tiefe des Haikus aus. Sie korreliert mit der Abwesenheit der seelenhaften Innerlichkeit. Die helle Offenheit, die ungehinderte Weite des Haiku entspringt dem ent-innerlichten, ent-leerten Herzen, der niemandigen Sammlung ohne Innerlichkeit
pag 79-81

4. Nergens (wonend)
Overal thuis en nergens een vaste plek, een thuis, een thuiskomen. Leven als wandeling en wandeling als leven. Geen bezit. De dag aanvaarden zoals de dag komt. Het landschap doorkruisen zoals het landschap is. Leven in volslagen aanvaarding van wat is – wat je meemaakt – wat op je weg komt. Ik-loos wandelend in het landschap.
Auch Dôgen verweist aufs Nirgends-Wohnen: »Ein Zen-Mönch soll wie die Wolken ohne festen Wohnsitz sein und wie das Wasser ohne feste Stütze.« Das Wandern als Nirgends-Wohnen verabschiedet jede Form des Festhaltens. Es betrifft nicht nur das Verhältnis zur Welt, sondern auch das Verhältnis zu sich. Nirgends-Wohnen heißt zugleich nicht an sich festhalten, nicht in sich verharren, also sich lassen, von sich ablassen, mitten im Vergänglichen auch sich vergehen lassen. Diese Gelassenheit ist die Verfasstheit des nirgends wohnenden Herzens. Wandern heißt auch sich wegwandern. Der Mensch, der nirgends wohnt, ist nicht bei sich zu Hause. Er ist vielmehr bei sich selbst zu Gast. Verzichtet wird auf jede Form des Besitzes und des Selbstbesitzes. Weder der Leib noch der Geist sind mein. Jenes Haus, das es gilt zu verlassen zum Nirgends Wohnen, ist kein bloßer Schutzraum. Es ist der Ort der Seele und der Innerlichkeit, an dem ich mir gefalle, mich einrolle, ein Raum meines Könnens und Vermögens, in dem ich mich und meine Welt besitze. Das Ich hängt ab von der Möglichkeit des Besitzes und der Sammlung. Oikos (Haus) ist der Ort dieser ökonomischen Existenz. So stellt das Nirgends-Wohnen die Gegenfigur zum Ökonomischen, zum Haushälterischen dar.
pag 86
Das Nirgends-Wohnen als Wandern setzt einen radikalen Verzicht auf den Besitz, aufs Meine voraus. Bashô wanden sich und seinen Besitz weg. Er kündigt seine ökonomische Existenz gänzlich auf. Sein Wandern ist nicht auf die Zukunft des Versprechens gerichtet. Die Zeitlichkeit des Wanderns ist ohne Zukunft. Bashô wandert je, hält sich in der jeweiligen Gegenwart auf. Seinem Wandern fehlt jeder teleologische oder theologische Sinn. Bashô ist immer schon angekommen.
pag 89
Das Nirgends-Wohnen stellt das Paradigma der Identität radikal in Frage. Kein Streben nach dem Unwandelbaren beseelt das Herz: »Geist ändert sich den zehntausend Umständen entsprechend, / und dieser Wandel ist wirklich geheimnisvoll – / wird das Wesen in der Entsprechung mit dem Fließen erkannt, / dann gibt es weder Freude noch Leid.« Das Herz des Nirgends-Wohnens, das an nichts festhält, fügt sich dem Wandel der Dinge. Es bleibt sich nicht gleich. Das Nirgends-Wohnen ist ein sterbliches Wohnen. In einer Losgelöstheit kennt das Herz, das nichts verhaftet bleibt, weder Freude noch Leid, weder Liebe noch Hass. Das nirgends wohnende Herz ist gleichsam zu leer, um lieben oder hassen, um sich freuen oder leiden zu können. Die Freiheit der Losgelöstheit stellt eine singuläre In-Differenz dar. In dieser Gleich-Gültigkeit ist das Herz freundlich gegenüber allem, was kommt und geht.
pag 90
Das Nirgends-Wohnen stellt keine Weltflucht dar. Verneint wird nicht der Aufenthalt in dieser Welt. Der Erleuchtete schweift nicht in einer Wüste des >Nichts< umher. Er wohnt vielmehr »inmitten des Gedränges der Nirgends wohnen ist ein Wohnen, und zwar ein Wohnen ohne jedes Begehren, ein Wohnen ohne das fest abgeriegelte Ich. Es kehrt der Welt nicht den Rücken. Die Leere formuliert ein gewisses Nein. Der zen-buddhistische Weg endet aber nicht in diesem Nein. Er führt wieder ins Ja, nämlich in die bewohnte, vielgestaltige Welt. Dieses Ja ist die tiefe Bedeutung des bereits zitierten Zen-Wortes: »Alles ist wie einst. ,Gestern Abend aß ich drei Schalen Reis, heute Abend fünf Schalen Weizenbrei<. Alles Anwesende wird so, wie es ist, groß bejaht.« Diese doppelte Bewegung von Nein und Ja bringt auch das folgende Wort zur Sprache:
Als wir noch nicht erwacht waren, war der Berg nur Berg und war der Fluss nur Fluss. Als wir aber durch die Übung beim einsichtigen Meister ein einziges Mal jäh erwachten, war der Berg nicht Berg, und war der Fluss nicht Fluss, war die Weide nicht grün und die Blume nicht rot. Schreiten wir aber weiter auf dem Wege des Aufganges und gelangen hier in ,den Grund und Ursprung<, dann ist der Berg durchaus Berg, ist der Fluss durchaus Fluss, ist die Weide grün und die Blume rot. >Das vollendete Erwachen ist gleich dem Noch nicht-Erwachen<, trotz des großen Wesensunterschiedes beider.
pag 93-94
Das Nirgends-Wohnen impliziert das Ja zum Wohnen. Aber dieses Wohnen ist durchs Nein des Nirgends bzw. der Leere, durch den Tod hindurchgegangen. Die Welt ist >inhaltlich< dieselbe. Aber sie ist gleichsam um die Leere leichter geworden. Diese Leere macht das Wohnen zum Wandern. Das Nirgends-Wohnen verneint also nicht einfach das Haus und das Wohnen. Es eröffnet vielmehr eine ursprüngliche Dimension des Wohnens. Es lässt wohnen, ohne bei sich zu Hause zu sein, ohne sich in sich einzuhausen, ohne an sich und an seinem Besitz festzuhalten. Es öffnet das Haus, stimmt es freundlich. Das Haus verliert dadurch das Haushälterische, die Enge des Interieurs und der Innerlichkeit. Es ent-innerlicht sich zu einem Gasthaus.
pag 95

5. Dood
Leven voor de scheiding en onderscheiding van leven en dood, sterven voor de scheiding en onderscheiding van leven en dood. Het onderscheid is een hindernis op de weg, het verleent substantie aan leven en aan het ontbreken van leven of het einde van het leven, de dood. Die substantie is een illusie. Leven is het laten gebeuren wat er gebeurt: dingen leven, dingen sterven, mensen leven, mensen sterven, jij leeft, jij sterft. Gericht op het eigen ik is de vergankelijkheid buiten beeld en de dood een bedreiging. Innerlijkheid en ik-betrokkenheid staan als een muur tussen jou en de dood en daardoor boezemt de dood angst in. Dat is een illusie. Er is geen scheiding, geen onderscheiding die angst hoeft in te boezemen.
Auch im Zen-Buddhismus stellt der Tod sicher keine Katastrophe, kein Skandalon dar. Er setzt aber nicht jene Trauerarbeit in Gang, die zwanghaft gegen die Endlichkeit arbeitet. Keine Ökonomie der Trauer münzt das >Nichts< ins >Sein< um. Der Zen-Buddhismus entwickelt vielmehr eine Gelassenheit zum Tod die frei ist von Heroismus und Begehren, die mit der Endlichkeit gleichsam Schritt hält, statt ihr entgegenzuarbeiten.
Schon von früh an war Dôgen mit Tod und Vergänglichkeit intensiv konfrontiert. Ein Biograph von ihm schreibt: »Beim Verlust der geliebten Mutter im Alter von sieben Jahren war seine Betrübnis sehr tief. Als er im Takao-Tempel den Weihrauch emporsteigen sah, er kannte er das Werden und Vergehen und die Vergänglichkeit. Er erweckte im Herzen das Verlangen nach der Erleuchtung.« Die »Erleuchtung« wird jedoch nicht in einer Überwindung der Vergänglichkeit bestanden haben. Kurz vor seinem Tod schreibt Dôgen:
Wem vergleich ich wohl
Welt und des Menschen Leben?
Dem Mondschatten,
wenn er im Tautropf berührt
des Wasservogels Schnabel.
Die Hinfälligkeit, die Vergänglichkeit und die Flüchtigkeit der Dinge, die hier zur Sprache kommen, schwingen ruhig in sich, verweisen nicht aufs Andere ihrer selbst. Ohne jeden Heroismus, ohne jedes Begehren verweilt Dôgen bei den Dingen, die vergehen. Er blickt nicht über die Vergänglichkeit hinaus. Eine ähnliche Geistesstimmung drücken auch folgende Worte von Issa aus:
Keinen Augenblick meines Lebens schweifte ich vom Gedanken der Hinfälligkeit und Vergänglichkeit ab, sah ein, dass alle Dinge auf der Welt kurzlebig sind und gar schnell wie der Blitz verzücken. Ich wanderte umher, bis mein Haar weiß wurde wie der Winterreif.
Issa wandert durchs Vergängliche, wobei er Schritt hält mit den Dingen, die vergehen. Er hält sich in der vergänglichen Immanenz, statt sich darüber zu erheben. Er befreundet sich gleichsam mit ihnen. Er vergeht mit, er lässt auch sich vergehen. In dieser singulären Gelassenheit erhellt sich die Endlichkeit aus sich heraus. Die Endlichkeit kommt zum Leuchten ohne den Glanz des Unendlichen, ohne den Schein der Ewigkeit. Die Trauer, die jenen Worten von Issa gewiss innewohnt, nähert sich, hört man aufmerksam hin, einer Heiterkeit. Man hat es hier mit einer ins Heitere befreiten, ins Offene gelichtete Trauer zu tun. Diese Heiterkeit unterscheidet sich von jener Fröhlichkeit, der die Tiefe der Trauer fehlt.
Vertrauen muss man haben.
Blüten welken – verblühen –
jede auf ihre Art. ·
Issa
Bei Dôgen heißt es: »Vom ichbezogenen Selbst kann man erst Abstand nehmen, wenn man die Vergänglichkeit sieht.” Man hat es hier mit einer besonderen Vergänglichkeitserfahrung zu tun, denn nicht die Wahrnehmung der Vergänglichkeit als solche führt zur Selbstlosigkeit. Wo sich ein Widerstand gegen die Vergänglichkeit regt, bildet sich ein emphatisches Selbst. Man vergrößert sich, man lässt das Ich gleichsam wachsen gegen den Tod, der mein Tod ist, der das Ich beendet. Eine andere Wahrnehmung der Sterblichkeit ist jenes » Erwachen zur Vergänglichkeit«, In dem man sich vergehen lässt.
Wo man sich den Tod gibt, wo man sich ent-leert, ist der Tod nicht mehr mein Tod. Er hätte nichts Dramatisches mehr an sich. Ich bin nicht mehr an den Tod gefesselt, der mein Tod wäre. Es erwacht eine Gelassenheit, eine Freiheit zum Tode. Eine ganz andere Geisteshaltung liegt jener Heideggerschen »leidenschaftlichen« »Freiheit zum Tode« zugrunde. Diese geht mit einem emphatischen »Ich bin«, mit einer heroischen Entschlossenheit zu sich einher. Die zen-buddhistische Freiheit zum Tod entspringt dagegen einem gewissen Ich-bin-nicht. Verabschiedet wird dabei nicht bloß das >egoistische< Selbst, sondern die ich- und seelenhafte Innerlichkeit. Das Erwachen zur Vergänglichkeit ent-innerlicht das Ich. Der Tod ist hier keine ausgezeichnete Möglichkeit, Selbst zu sein, sondern eine singuläre Möglichkeit, zu einer Selbstlosigkeit zu erwachen, nicht Ich zu sein.
Im. Beispiel des Bi-yän-lu heißt es: »Wie ist das eigentlich dann, wenn einer, der den großen Tod gestorben ist, nun im Gegenteil lebendig wird ?« Der »große Tod« beendet nicht das Leben. Der Tod, der am Ende des Lebens einträte, wäre ein >kleiner< Tod. Zum »großen Tod« wäre gewiss nur der Mensch fähig. Er stellt jenes Wagnis dar, sich wegzusterben. Er annulliert jedoch nicht das Selbst. Vielmehr lichtet er es ins Offene. Das Selbst entleert sich, indem es sich mit einer welthaften Weite füllt. Diese singuläre Todesart lässt ein von Weite erfülltes Selbst, ein selbstloses Selbst entstehen.
pag 105-108
Man lebt ganz vor der Trennung von >Leben< und >Tod<. Man stirbt ganz vor der Trennung von >Leben< und >Tod<. Die Sorge entspringt der Unterscheidung, die auch dem Akt des Urteils innewohnt. Man soll nicht übers >Leben< hinausblicken, um es als das ganz Andere des >Todes< zu konstituieren: »Es verhält sich wie mit Winter und Frühling. Wir denken nicht, der Winter werde zum Frühling. Und wir sagen nicht, der Frühling werde zum Sommer.« Diese Geisteshaltung korreliert mit einer singulären Zeiterfahrung. Man weilt ganz in der Gegenwart. Diese erfüllte, gelassene Gegenwart ist nicht ins Vorher und Nachher zerstreut. Sie blickt nicht über sich hinaus. Sie ruht vielmehr in sich. Diese gelassene Zeit lässt die Zeit der Sorge hinter sich. Die gestillte Gegenwart unterscheidet sich ferner von jenem >Augenblick<, der als ein besonderer Zeitpunkt aus dem Rest der Zeit ausschert oder herausragt. Sie ist eine gewöhnliche Zeit. Ihr fehlt jede Emphase. In der »Erläuterung des Gesanges« zum 41. Beispiel zitiert Yüan-wu ein Zen-Wort: »Erst wenn der Tote in dir ganz und gar getötet ist, erblickst du dich als Lebenden; und erst, wenn der Lebende in dir ganz und gar lebendig ist, erblickst du dich als Toten.« Der Lebende bleibt ein Toter, solange der >Tod< nicht getötet ist, d.h. solange er den >Tod< dem >Leben< entgegensetzt. Erst nach dem Töten des >Todes< ist man ganz lebendig, d.h. man lebt ganz, ohne den >Tod< als das Andere des >Lebens< anzustarren. Ganz lebendig misst sich nicht an >ewig< oder >unsterblich<. Es fällt vielmehr mit ganz sterblich zusammen.
Der Tod ist keine Katastrophe mehr, denn man hat schon die Katastrophe des großen Todes hinter sich. Niemand stirbt. Die zen-buddhistische Wendung des Todes geschieht ohne Trauerarbeit. Sie wendet das Endliche nicht ins Unendliche. Sie arbeitet nicht gegen die Sterblichkeit. Vielmehr wendet sie den Tod gleichsam nach innen: Man stirbt beim Sterben. Diese singuläre Todesart wäre eine andere Möglichkeit, der Katastrophe zu entkommen.
pag 112-113

6. Vriendelijkheid
Vriendelijkheid is het kenmerk van het zelf dat helemaal open is en dat niet vastzit in onderscheidingen en substanties. Het is de houding in en van de leegte waarin men leeft en waarin men niemand is en nergens woont en die de dood net zo aanvaardt als de immanentie van het leven zelf. Er is geen onderscheid. Er is een inzichzelf rusten in acceptatie en dat wordt zichtbaar in vriendelijkheid.
Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Leere als ein Medium der Freundlichkeit zu verstehen sei. Im Feld der Leere findet keine starre Abgrenzung statt. Nichts bleibt für sich isoliert, verharrt in sich. Die Dinge schmiegen sich an, spiegeln einander. Die Leere ent-innerlicht das Ich zu einer rei amicae, die sich öffnet wie ein Gasthaus. Auch das menschliche Mitsein ließe sich von dieser Freundlichkeit her begreifen.
Das 68. Beispiel des Bi-yän-lu bringt ein singuläres interpersonales Verhältnis zur Sprache: »Yang-schan (Hui-dji) fragte San-scheng (Hui-jan): Was ist denn dein Name? San-scheng sagte: Hui-dji. Yang-schan sagte: Hui-dji bin doch ich! San-scheng sagte: Dann ist mein Name Hui-jan. Yang-schan lachte mächtig: Hahaha!« Hui-jan nennt sich mit dem Namen des Anderen. Damit stößt er seinen eigenen Namen gleichsam um. In dem er auf diese Weise sich ins Feld der Leere stößt oder wegstößt, macht er sich zu einem Niemand. Er hebt sich in jene Leere auf, wo es keinen Unterschied zwischen Ich und Anderem gibt.
Der zweite Schritt des Dialoges besteht nun darin, dass jeder der Gesprächspartner zu seinem Eigennamen bzw. zu sich zurückkehrt. Es war mehrfach davon die Rede, dass die Leere das je Eigene nicht verneint, sondern bejaht. Verneint wird nur eine substanzhafte Versteifung auf sich. Der erste Schritt stellt also ein Nein dar, das das Selbst tötet. Yang-schan und San-scheng richten einander zugrunde, d. h. heben sich in die Leere auf. Der zweite Schritt als ein Ja belebt das Selbst wieder. Dieses Zugleich von Nein und Ja erzeugt ein offenes, freundliches Selbst. Das Lachen entspringt jener Ungezwungenheit, die das Ich aus seiner Starre befreit. Yang-schan lacht über sich hinaus, lacht sich weg, be freit sich in die In-Differenz, die der Ort der archaischen Freundlichkeit ist.
pag 114-115

bron: Han, Byung-Chul, Philosophie des Zen-Buddhismus, Stuttgart 2002, (Reclam)