Albin Zollinger, Ode an die Himmelsbläue
(A, Zollinger , Gedichte, Zürich 1962, 233-235) geciteerd in M.A. Haas, Mystik als Aussage (Suhrkamp 2007) p 226-228
Wenn nichts wäre: in dir ist alles,
Herrlichkeit der gespannten Leere, weite Gelassenheit
Blühenden Blau’s, o du Ozean
Der uns bewegt
Mit den mildesten Wassern,
Dünungen himmlischer Horizonte
Von Jenseits,
In dir ist alles:
Die Erde mit Sand,
Die Erde mit Salz in den Meeren, mit Wald
Verlassener Kontinente, mit Licht
Überwachsener Tempelstädte, mittäglichem Glas
Von Glast der Gewölke,
In dir ist alles, Bläue: Von Sicheln
Und Lanzen blitzt Grund,
Die Stille, das Ährenfeld
von verborgener Schlacht, und Mond
Geisterhaft über Masten, Mongolengaleeren
Schaukeln herauf -denn in dir ist alles:
Toledo am Berge, der Fluss
Und Sonnerauch langer Strassen,
Stäubend vom Hufe der Esel im Knarren der Karren.
Glühn der Tomaten,
Marmorgebirge und Meißel der Meister,
Die Stadt aus Domen, Visionen in Wolken –
In dir ist alles.
In dir ist der Menschheit
Lange Wanderung aus dem Morgen
Herauf über Meilensteine, Pyramiden
Mir Thronen und Baldachinen
Im Winde der Wedel
In langer Gefolgschaft,
Spalieren der Sklaven,
Ewig Blau
Es ist Traum
Deiner sinnenden Tiefe,
Das Glimmen im Augenstern
Deiner Versunkenheit
Alles.
Von jenseits
Funkelt der obere Tag herab
Ins Gewässer voll Tang
Unsrer Sichtbarkeit,
Unserer Dämmerung im Bewusstsein –
Bläue, in dir ist
Morgenland Gottes,
Höherer Libanon, den die Seele
Sieht,
Heimat der Edlen, Ausblick in lichteres
Mesopotamien,
Silbernd in Strömen
Endloser Herkunft –
In dir ist alles,
Kristallne Zisterne,
Klingend von Quellen
Azurner Gewässer.
Unser Krüge
Trinken von dir –
Nähre uns, breiter Nil
Mit der Erde aus Äthiopien
Oben,
Oben in der Entrückung
Traumsingender Wasserfälle.
In dir, wenn nichts wäre,
Ist alles, ruhender Born und Bläue.