Körper
Man gab mir einen Kоеrper — wer
Sagt mir, wozu? Er ist nur mein, nur er.
Die stille Freude: atmen duеrfen, leben.
Wem sei der Dank dafuer gegeben?
Ich soll der Gaertner, soll die Blume sein.
Im Kerker Welt, da bin ich nicht allein.
Das Glas der Ewigkeit — behaucht:
Mein Atem, meine Waerme drauf.
Die Zeichnung auf dem Glas, die Schrift:
Du liest sie nicht, erkennst sie nicht.
Die Truebung, mag sie bald vergehn.
Es bleibt die zarte Zeichnung stehn.
O. Mandelstam 1909
Deutsch von Paul Celan
Wo ist jenes Wort, das geboren wird?
Wo ist jenes Wort, das
Sich ereignen wird? […]
Das Wort ist in der Traube, das Wort ist im Eisen
Das Wort ist in der Seele Und das Wort ist in der Finsternis
Es erzittert in der Luft. Es leuchtet auf in der Dunkelheit
Das Wort versteht zu lieben Es weiß aber auch zu schmerzen
Das Wort, wenn es geboren wird, ist ein Lastschiff
Wo es ankommt weiß es nicht. Bei der Sonne
Oder dem Abgrund. […]
Im Rauch, im Feuer, im Herzen, das träumt
Im Traum von der Freiheit, im Stein, im Wasser
In jedem Klang, im Schweigen und in der Stumpfheit
Im Glauben und im
Zweifel. […]
Das Wort ist in der Traube, das Wort ist auch im Eisen
Das Wort ist in der Seele Das Wort ist auch in der Finsternis
Das ist eine Wehklage. Das ist ein Traum.
Das Wort ist Leben selbst. Mit mehr Liebe
Sollte es ein. […]
Es gibt ein altes Wort, das mit dem Morgen kommt.
Es gibt ein altes Wort, das mit dem Morgen kommt.
Das eine lebt für sich. Das andere
Verschenkt sich.
Mak Dizdar
Schweige, verbirg dich und halte
deine Gefuehle und Traeume geheim,
lass sie in der Tiefe deiner Seele
lautlos auf- und untergehen
wie Sterne in der Nacht;
erfreue dich an ihnen -und schweige.
Wie soll das Herz sich offenbaren?
Wie soll ein anderer dich verstehen?
Begreift er, wodurch du lebst?
Ein ausgesprochener Gedanke ist eine Luege.
Wenn du die Quellen aufwuehlst, truebst du sie;
zehre von ihnen – und schweige.
Verstehe, nur in dir selbst zu leben:
es gibt in deiner Seele eine ganze Welt
geheimnisvoll-zauberhafter Gedanken;
sie betaeubt der aeussere Laerm,
die Strahlen des Tages vertreiben sie;
lausche ihrem Gesang- und schweige!…
Fjodor Tjutchev 1830
Deutsch von Rudolf Pollach