Dichters: Vogel, Matthies, Herbeck, Werfel, Frostenzon, Schacht, Pupacic

„Liebesgedicht“

Du bist leise und langsam
wie ein sehr langes Floß
das duftende Tannen führt
von einem Berg mit blauen Nebeln
in eine ferne Stadt mit Laternen
durch Tage mit gelben Sonnen
durch Tage mit grauen Himmeln.
Du bist traurig wie ein Floß
still und traurig wie das Glück.
Mit dir werden Jahre vergehen
wer gedenkt der verlorenen Jahre…

Debora Vogel


Aus dem Jiddischen von Anna Maja Misiak
Debora Vogel (1902 Oekraine-1942 getho Lviv -Lemberg-)
Debora Vogel: „Die Geometrie des Verzichts“. Gedichte, Montagen, Essays, Briefe. Aus dem Jiddischen und Polnischen übersetzt und herausgegeben von Anna Maja Misiak. Arco Verlag, Wuppertal 2016.


Je bent zacht en langzaam
zoals een heel lang vlot
dat geurige dennen vervoert
van een berg in blauwe nevelen
naar een verre stad met lantarens
door dagen met gele zonnen
door dagen met grauwe hemelen.
Je bent droevig als een vlot
stil en treurig zoals het geluk.
Met jou zullen jaren vergaan
wie gedenkt de verloren jaren…

Debora Vogel



„Denn nichts als Verzweiflung
Kann uns retten“
(Grabbe)

Frank-Wolf Matthies


Der Frühling hat seinen Winter

schnee ist mir über
die aufreißenden knospen
gekommen Die lieder
klirren von der neuen
zeit unter dem eis
Der wind bricht ab
unsere träume von
den dachrinnen
die krähen sitzen
auf den antennen

meine kirschblüten
zweige haben ihren film
vor dem fenster Schnee
sorgt für ruhe & ordnung
in der natur Warnt die alten
bäume & erstickt die jungen
keime Noch schützt uns
die wärme des ofens
die krähen sitzen
auf den antennen

die bäume schlagen
nicht aus Keiner
bietet dem winter
die stirn Der sturm
überbrüllt unsere lieder
Die gedichte bemerkt nur
der ofen Worte allein
machen nicht warm – uns
die krähen sitzen
auf den antennen

frost kriecht unter
der tür durch Durch
spalten & ritzen
in meine jacke Unter
mein hemd Giert
nach dem herz Das
volk verrammelt die türen
& übersteht
die krähen sitzen
auf den antennen

& die zeitung
sfrau bringt schnee
mit der post Eis
blumen blühen auf dem bild
schirm Der wind heult
aus dem radioapparat
Ich streue sand auf den weg
zwischen schreibtisch & bett
die krähen sitzen
schon vor den fenstern

Frank-Wolf Matthies


Für Sarah Kirsch

feder
schöne
sanfte
wie bist du mir verwandt
aus meinem traum
die botschaft
hat mir das herz verbrannt

1977

Frank-Wolf Matthies


Augenblick

augenlanger, schmaler
september: stolz: august
beinig. biegsam schreitet sie
über die schönhauser allee
mit schnee (eine schöne handvoll)
im blick

Frank-Wolf Matthies


Lied vom langsamen Tod

jede angst vor diesem MUSS
jeder unterdrückte mut
& im hirn das bisschen ruß

ach sei auf der hut
bedeutet ohnmacht allemal

jedes sich finden darin
immer nur opfer zu sein
jedes zugehaltene ohr

mein lieb sieh dich vor
Ich fürchte um dich

jedes nicht weinen, nicht schrein
(fast jede demut – sowieso)
Jedes gefühl einsam zu sein

Ich weiß, das klingt roh
Bedeutet ein kleines sterben zu zweien

1977

Frank-Wolf Matthies


Stille nach eins
für Sarah Kirsch

hast du nebel uns gesehen mit deinen regenaugen
dich gespiegelt in den tränen der nächte der
allzu frühen morgen – setz dich in unsere sätze
verweile im exil unserer träume, bruder, fliehen
doch unsere hoffnungen mit gefälschten pässen zu dir.

hast du nebel uns gesehen mit deinen regenaugen
wenn du dich presstest, übernächtig, gegen die scheiben
unserer fenster, einsamkeitsbesoffen wegziehend
richtung schönhauser allee, verharrend auf einen moment
in meinem blick in dich, von hinten nach vorn.

1978

Frank-Wolf Matthies


Bron: Frank-Wolf Matthies, Morgen. Gedichte und Prosa, Reinbek bei Hamburg 1979, (Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH.)



KANAL

Es rührt sich was an meiner Seite. Es gleicht dem Zucken
eines Fischs. Ein Silberglanz in schwarzer Ausgehöhltheil
Dann wird es still. Schaum steht in der Mittelrinne

sacht treibt er auseinander. Smaragdfarben, erfrischend, klar
führt die Ausfallrinne meerwärts
Oktoberrosen schmücken ihren Weg, gelb, mannshoch,

etwas streift mich an der Seite
schiebt mich behutsam an; ein Iltis, Marder
der weiche Gleiter in der Sinnenmitte

er sehnt sich nach einem Punkt da draußen in dem klaren … Gatt
Wieder ein Schimmern unterhalb der Fläche, Grünspanwasser
und das Leuchten einer Lende die nackt sich dreht, und glänzt
über dem tiefen Grund der dunklen Fase. Kanal, deine Schwärze
heilt nicht, lindert nicht. Doch die Wachheit ist hier eine andre
kälter, und verlockender als die der Meere

Stadtauswärts gingen wir: Plätze und Wege stehn gelöst im Rücken
keine Schädel glänzen mehr in ihrem Rund
gekappt an ihrer Wurzel steht ein Kahlschlag da aus Sockeln

ein schwarzer Hund schnuppert in der tiefen Höhle
Witterer, und unglückseliger Jäger
Streuner, und die Schnauze peilt den Wald an, wo sie hingetrieben

eine Schar von Schädeln, gekappt an ihrer Wurzel
mit verwirrtem Ausdruck, voller Grünspan und gewandet
in langen Togen tief ins Moos gesunken

stehn sie im Wald in der Verbannung, zugekehrt
einer Zeit die hinter dieser liegt. Die große aschgraue
Bruderschaft, mit Kratzern an den Wangen, nackten Lenden

Abgeholzt ist jetzt der Wald, die andre Lichtung füllt sich, leuchtet
Schön zu denken: daß eine Weit wachsen kann in der andern Schatten
eine Schattenkante klafft, unter ihr sind gewaltige Neue Tage

Über die Fläche des Kanals zieht in manischem Eigentakt
ein blaues Kanu mit dem Mann in Rot darin
so somnambul, so unerbittlich ruckt es seinen Weg

einsam übers Wasser die Kommandostimme hallt, kurze kleine Stöße
über einem Dämmerzustand, Gesicht das ruht hin zu den Meeren
Hier, in der von Menschenhand gegrabnen Furche

geleit ich meinen Einsamen den ich gefunden und
mit meinem Auge pflege, den ich befeuchte
mit einem Blick auf seiner Stirne kalte

eine Lende einsam treibend, ein grünschimmerndes Wesen
ein männliches Glied in seinem Wasser. Inbild der Einsamkeit
und dünne, zierlich schwarze, nasse Locken

Gesicht das blicklos ruht auf seinem Nacken und das treibt
übergeben, weggetragen in dem kalten Wasser
das zu den Meeren geht- Neck, aus dem Wasserlauf der Stadt

gebleicht vom bittern Naß der Rohre, deine Muskeln spielen nicht mehr
Ich folg dem Weg hinaus, Oktoberrosen schmücken deine Bahre
das kalte Wasser liebt es, den Körper weit hinaus zu bringen

ziehen in dieser magern Furche, rücklings schleppen in der Kerbe
die Menschennägel gruben, geschunden bis hinab zur Wurzel
gestreckt bis an die Grenze, daß er bricht

was zieht mich an, es ähnelt … Silber
Ein Strudel, unergründlich, Spirale in dem Wasser
Aus der Stadt hervor mit unbekannter Fracht

ein Blick der nach einem Weg zurück sucht
sein Stern aus dem Gewebe gerissen
funkelt matt in einer Spalte

Ich beobachte: er treibt. Er ist nackt, ich im Gewand
Weiß und starr und einsam, und seine Vaterfüße
Nackt, so wie Füße nackt sind, wie sie leuchten

Kanal, ein Leichenzug durchzieht dich
Der Unbekannte wird begraben fortgebracht in grünen Ranken
Ich geh nebenher, er lag so da als ich ihn fand

gesalbt nicht, noch gekalkt war er, gewaschen nur
hatte willig sich gelegt, daß er getragen werde
vorangewiegt durch diese schwarze Furche

gescheuert an der Kante, verwundet an der Seite
Blut und Galle, Geschlechtsschaum ausgeflossen
Nagel abgeblättert, Wange aufgeplatzt

und wie die nackte Natur ihren Körper brauchte, wie man gefordert
ihren Frauenleichnam, wie der Gedanke ihn hervorrief auf die Erde
für den Anblick der solche Ruhe schenkt und Weihe

gefordert, daß er da liegt so still gespreizt
entkleidet in der Spalte, leg ich ihn
in seine Furche, in einer Stille, die erinnert –

als wäre das Verlangen gestillt vom nackten Anblick
Entsetzen und Grauen und Ruhe, was ist das, versenk ich ihn
in einer Furche in der Stille die gemahnt an den Gedanken,
wenn er umkehrt

was fürcht ich. Ich halte Wache
Ich geleite ihn hinaus zum Gatt, das ist keine Oper
die aufsteigt, und der Kopf der fährt voran
Jetzt öffnen sich die Schleusentore, jetzt gleitet er dahin
Gondel steuert in die Schimmerstraße … Er will sich erheben,
er sieht mich an,

aus Wassern kamst du, Mann

Er trägt eine Schlachtermaske, er hat Lilienstengel als Glieder
er trug Naßzeug, darunter ist er nackt
Er versucht zu stehn. Er sieht her zu mir

grenzenlose Trauer, aus Wassern tratst du hervor
Und die Tore klappen zu sobald das Licht vergeht
Und der Laut schauert über die Oberfläche

er ließ seinen Kopf zurück in meinen Händen
Der Körper treibt einsam hinaus zu den Gewässern
in der wiedergefundnen Kühle, rot

im Weidenschatten, an der Wiege des Kanals
Kanal, nun ziehst du wieder dich zusammen
und sammelst dich, smaragdfarben, seltsam klar und schön

und der Kopf der in meinen Händen steht ist aufgeschlagen
Das ist keine Oper die aufsteigt. Es ist das Fallen
Geräusch von einem Blatt im Schweben. Stiller als die Rinne selbst ist die
Nacht

wenn sie kommt
Und das Wasser geht

Katarina Frostenzon


ARCHÄOLOGIE

Sie pflegt ihre Grenze, plagt sich
erhält die Gegend rein

Es leuchtet am Zaun, draußen am Feld
Buchstaben, zauntorhoch
Wörter zum Ausfüllen

das Gras ist saftig lies: grün
Grün- ist so undenkbar

das Gefühl driftet leer in seiner Höhle, nach einem Halt

Erde,
Schichten
Lagen zum Umgraben

nourrice, nourrice, du bist sachlich
keine Wurzel, kein Name

Katarina Frostenzon


RIGAVILLE

Den Boden bedecken graue Astern. Die Mauern gespannte Hirnhaut.
Ist die Stadt bewußtlos. Nachts fahren wir hier ein. Im Grau
sind alle Laternen gelb. Hauswände Hauswände. Wände sind äußere,
ausgerollte Haut. Unser Hirnraum ausgespannt, genagelt.
Erste Erinnerung, hier sind wir geboren, sahen- aus. Ähnlich.
Bodenloser Vordergrund. Keine Farbe ist meine Umhüllung. Ich
verliere das Gedächtnis in einem grauen Gang. Du streifst ab
von mir was noch da ist an Vernunft und Gehör

Katarina Frostenzon


EINE INSEL IM NORDEN

Der Schirm hält es in sich, und spannt es in sich, körnig,
kieselweiß, ich kann es hervordrücken, es im Zimmer klarer
bekommen. Glücklich dahin folgen zu dürfen. Prüf ich das Tuch auf
der weiten Fläche des Schirms. Eine Landschaft wächst darin, eine
Landschaft wo kein Töten ist, was weiß ich davon. Gefängnisinsel
auf einer Erdkruste, Hutkopf. Ich stell mir die Weiten vor.
Das Einfrieren. Ich stell mir Samen vor, braun unterm Bodenfrost.
Undall die besinnungslosen Vogelstimmen. Inseln in Landschaften,
wirklich abgeschnitten. Gesichter in ihren Birkenstämmen. Man
holzt den Wald ab, und die kahle Insel drängt herauf ans Licht
All unsre Unrast weicht der Form die hier hervortritt

Katarina Frostenzon


BILD

was für eine sonderbare Gegend ist das, ein Paradies
oder das Gegenteil Schmetterlingsgeflatter, elysäisch
gelb erstarrt über den Wiesen
sie liegen schwer hinausgeworfen
Schuhleder aus dem Erdenstaub
ein Zeh
hervorgebrochen aus der Schwärze des Papiers
ein Tanzschuh, ein Finger
aus Erde
und Glanz von Ringen in der Furche
aus dunklen Mänteln, nasser Wollsachen
Hülle
umschlungen, die Münder im Staub und aneinander
voll von Erde und dem Roten
beim Heimweg zwischen Hainen, Feldern und dem schrillen Vogelruf
liegt man auf den Wiesen draußen in der Weltäcker dunkler Krume

Katarina Frostenzon


DIE DINGE

(das Herz)

Eisenpuppen

frisch aus der Erde geklaubt. Sind sie da. Es ist ein Acker
wo sie liegen. Schwarze stille Dinge. Glatt von einem Leben
in der Erde Nachgeburt Über ihrer Dinghaut Glätte treiben
laue Düfte Wolken treiben über die Dinge hin die
hier gestrandet sind

Es weht über die Dinge hin. Die Weit

Katarina Frostenzon

Aus den Schwedischen
von Verena Reiche



Schnee fiel in meinem Schlaff –

Neuvermessung des Raumes

Die Bäume im

Schnee
Schnee

auf den Bäumen. Bis
in die

Nacht reicht die
Diagonale des

Lichts

Ulrich Schacht


Bashô sagt

Wer Welt hofft, hofft auf
nichts. Welthoffer messen
masslos aus was wäre
wenn: derweil die Blätter

spriessen Blüten Kelche
öffnen sich dem sirrenden
Getier Gewissheit ohne
Wissen wie Meeres

Ebbe oder Sternen Flut am
Abend Himmel nichts als
Licht das sich ergibt ins
Dunkle taucht verharrende

Bewegung. Wer Welt hofft
träumt von Eis, untaubarer
Erstarrung vom Glück aus
Kältespeichern vom

Gott aus Nichts. Zeremonien
nie begriffnen Elends Altäre
mathematischer Gerechtigkeit
Todesgeometrien. Zerhofft

Ulrich Schacht


EINES NACHTS, nichts
ahnend, hab ich die Nacht
durchschaut: Wohin es

ging ich weiss es
nicht mehr wie weit
es war ich hab es

vergessen. Vergessen die
Stille die anbrandende
Leere, doch dahinter

dahinter

das unendliche
Gespräch

Ulrich Schacht


Morgen, vielleicht

Schnee fällt augweit: Gewissheit ohne
Stunde. Sonne auf Zeit. Die allerneuste

Runde, uralter Stil, hell zwischen
Kälte Schauern unänderbares
Spiel: Verlassne Feldsteinmauern

besiedeln sich mit Licht die trocknen
Moose trauern bis sie der Schatten bricht

Ulrich Schacht


Winter, das Spiel

auf offner Bühne, in Schwarz
gewandete Statisten: Stamm um
Stamm. Dazwischen weiss ein

Licht vom weissen Boden steigt es
auf erst Schein dann halbe
Silbermünze in die

Nacht geworfne ewige
Gestalt aus Märchen
Sagen mythisches Gelächter

fullt den Raum: Ausspiel
des es Erblickenden und seiner
Formel vom verlornen Sinn

Ulrich Schacht


DIE NÄCHTE, die der Schnee
erhellt, finden nicht Platz in den
Museen da sich der Tag zeigt: Es

liegt an den Spuren die sie verraten an
den verschwundenen Gestalten die zu
ihnen gehören am Nichts das sich

ins Weiss beweist. So wenig, flüstert die
Angst und flüchtet ins Licht. So
kalt. So unübersehbar verloren

Ulrich Schacht


März, Theater

Auf den Wassern der Bucht: das
Schneefeld aus Nebelgrau. Windferne
Sonnengewissheit —als gäbe es keine

Nacht, nur das Atmen der Knospen ins

kommende Grün. Am Himmel darüber
die Keilschrift schwarzer Gefieder: gestochen in
unendlich tiefes Blau.

Ulrich Schacht


bron: Schacht, Ulrich, Schnee fiel in meinen schlaf, Berlin 2021, (Edition Rugerup)



Zonnig zal mijn graf zijn, stil
en vol van rijke gloed.
De oneindige ruimte waar stormen bedaren,
boven de klippen van thuis.

Ik zal niet verrijzen, waarom
ook zou ik beter leven dan ik al deed?
Wat mensen dood hebben genoemd
is voor mij de dood niet.

Ik zal mezelf in vele harten verspreiden,
en leven in menig leven.
Van hetgeen me nu donker lijkt,
zal alleen het mooie overleven.

Josip Pupacic


Ein Anderes

Dass einmal mein dies Leben war,
Dass in ihm jene Kiefern standen,
Und Ufer schlafend sich vorüberwanden,
Dass ich in Wäldern aufschrie, sonderbar,
Dass einmal mein dies Leben war!

Wo Ufer schlafend sich vorüberwanden,
Was trug der Fluss mit Schilf und Wolk’ davon?
Wo bin ich, — und ich höre noch den Ton
Von Ruderbooten, wie sie lachend landen,
Wo Ufer schlafend sich vorüberwanden.

Wo bin ich, — und ich höre noch den Ton
Von Equipagen, dicht im Kies verfahren,
Kastanien- und Laternensprache waren
Noch da und Worte, — doch wo sind sie schon?
Wo bin ich, — und ich höre noch den Ton?

Kastanien- und Laternensprache waren
Noch da und Atem einer breiten Schar,
Und mein war ein Gefühl von Gang und Haaren.
Oh Ewigkeit! — Und werd ich es bewahren,
Dass einmal mein dies Leben war?

Franz Werfel


De Profundis

Aus meinem Abgrund zu dir aufgedreht,
Aus dieser Tiefe hére mein Gebet!
Es ruft der Mensch, der auf den Strassentagen
An deinem Stand langsam vorübergeht.

Lass deine Welt, mein Gott, mich nicht ertragen!
Vergönne mir das fürchterliche Schlagen,
Des Lebens Schauder, deines Werkes Graun,
Wenn die Gestalten durcheinanderzagen.

Giess furchtbar Einsicht in mein leeres Schaun,
Dass die Geschöpfe schmelzen ab und taun,
Und dass ich selbst in meinem Blick vergehe,
Um aus dem Tod mich reiner aufzubaun!

Schreckliche Gnade, Einsehn, wenn ich sehe
Des Himmels Eisgang, eines Vogels Nähe,
Lass mir die Angst vor allem, was geschieht,
Das Aufwarts-Staunen vor des Waltens Wehe!

Lösch mich nicht aus, eh ich dahingeriet,
Dass ich noch schaudre, wenn der Flor verzieht!
Aus meinen Tiefen hör mich zu dir rufen:
Lass, was ich bin, mich sein und bleiben, Lied!

Franz Werfel

ODEN HYMNEN GESTALTEN



Die Roseau

Die Resenrose im Herbst auch blüht.
Der Weidmann in die welken
Augen leht.
stumm sehen dich die Augen an.
der stumme Blick der Rose.
Die Blätter der Rose waren blind.
lagen auf der Erde.
Und warten der Landschaft kühlen
Wind.

Ernst Herbeck


Die Wüste

Eisklapp die Stumme Sandweit war
So klar war auch mancher Soldat.
So einfach diese Sandwiches waren.
so weit war rauh auch diese Stadt.
der kurze Aufenthalt darin war blind
für den Soldat im »heissen Sund«
die Söhne – der Wüste – sind im Sand
wo Eiskalt war so man manche
Stadt.
Auch ich war einst in dieser Kim.
wo auch.

Ernst Herbeck


Der Zwerg

Wo im tiefen Wald der Zwerg auch ist.
Da hohl ich meine Frau und isst sein mal
au, der Wald hinab geht tief zur Sein
da hör ich meine Stimme wieder der
Zwerg im
Wald.

Ernst Herbeck


Die Höhle

Als Felsen rund die Höhle war.
Da stand der Bär davor
das Lied ein Brombär und sang.
was soll ich mit ihm machen?
Als mich er sah so freundlich auf uns!
Der grosse Tag war für mich da.
Die Höhle in Virginia.
Da hörte das Brummen auf und ein
Lied erklang.

Ernst Herbeck


Der Winter

Helmut hört zur Weihnachtszeit
Kinder alle = seid bereit =
und wollen wir auch einsam sein.
und lässt das liebe Englein rein.
so weis wie auch die Flüglein
sind. «
ist auch der Schnee du liebes Kind.

Ernst Herbeck


weiß

weiß ist der Schnee. Weiß ist das Eiweiß
weiß ist der Tote nicht. weiß sind die Karpfen.
weiß ist der Anzug. weiß sind die Blumen.
weiß ist der Ton der Farbe. Weiß sind die Russen.
weiß ist schön. weiß sind die Fische
weiß bleierne Eier. weiß sind die bleiernen Eier
weiß ist sehr gut. so manches Ei ist weiß
weiß ist nicht schwarz.
weiß ist nicht hell.
weiß ist auch nicht blau.
weiß ist der Himmel.

Ernst Herbeck


Die Maus

Die Maus ist ein Feldtier
sie lebt hinter den Schranken
des Bahnhofes, und sitzt in der
Erde.
Es nährt sich von Kukuruz
und Stroh von Mais und Hafer
daher der Name Maus.
Die Maus ist ein Plagetier
und bohrt Löcher in die Erde.

Ernst Herbeck


Der Mond

Der Mond – am Himmel stets
Begleiter der Erde ist,
wird Alt und Jung zugleich.
Je wenn es kälter wird die rote
Sichel rundet sich.
Der Mond, das Monat ältert
sich.
Das zwölfte Mal dann ist es zu Ende.

Ernst Herbeck



Der Winter.


Der Winter liegt im Bette gar
und hüllt sich in Schnee und Eis
Er friert in der Hand
und macht weiß das ganze Land.
Er dauert die Zeit
über Jänner und Fasching weit.
Der Winter schneit und der Wind
und der Wind erzählt es breit.

Ernst Herbeck


Der Herbst.

Der Herbst: Da fallen die Blätter
von den Bäumen,
der Herbst ist kühl.
Im Herbst weht der Wind.
Da steigt der Nebel auf.

Ernst Herbeck


Die Nelke.

Die Nelke
ist schön -Eine schöne kleine Blume
Ein Zahn der Poesie. –
der Denker.

Ernst Herbeck


Das Letzte.

Das Letzte ist der Anfang der
Dichter.
Er sagt: es ist das Beste.
Ende, oder zuletzt.
heißt: Das Letzte (Beste)

Ernst Herbeck


Die Frau In Mir.

Hoch droben auf dem Berg
Wo die Zwei Englein stehn.
Dort ist dann auch noch -ein Zwerg
Er soll die Wache sehn.
Immer grün auf diesen Höhn.
Dort in dem dunklen Wald
Dort habe ich ganz schön.
Das Wörtlein Frau gelallt.

Ernst Herbeck


Bron: Herbeck, Ernst, Alexander. Ausgewählte Texte 1961-1981, Salzburg Wien 1982 (Residenz Verlag)