Rose – Roos – Rozen bij Celan


Rosenschimmer

Die wilden Rosen wissen um uns beide:
wär sonst ihr Licht der leise Gnadenschein?
Ich tu dir leicht ein Wehendes zuleide:
du darfst nur schweben und darfst trunken sein.

Wenn ich mich nun mit Wolkentuch verkleide,
wird dir der Regen süßer als der Wein.
Dein Herz gehört den Rosen meiner Heide.
Ich aber denk ans Blau der Akelein.


EILE, MEIN ENGEL 

An die Sterne mit silbernem Seile
sind alle die Herzen geknüpft.
Eile, mein Engel, eile:
eins ist herübergeschlüpft.

Es sieht wie im Torweg die Dohle
den splitternden Spiegel mir reicht,
die Augen mir schwärzt mit Kohle,
die Lippen mir röter streicht,

den Abend mir spannt um die Hände,
ins Haar die Rosen mir streut,
mich seltsam beschwingt am Gelände,
mir flüsternd die Tänze gebeut..

Ich bin nicht der schwebende, heile..
Mich hat bloß die Dohle belehrt..
Eile, mein Engel, eile,
daß nimmer ein Herz es erfährt.


SCHWERMUT

Dem Abend heute wird ein finstres Maß zuteil:
die Wolken oben stürzen von der Waage.
Dein Herz ist mit der Rosenstunde meinem Pfeil
ein Ziel, das träumt, weil ich ihm Wunden schlage.

Wenn deine Augen flackern weht das Banner
dem Bogenschützen schwarz um seine Stirn.
Den Strahl der Ferne niederholen kann er,
den Weg im Nordlicht will er nicht enrwirrn.

Was hilfts, wenn er dich heimsucht mit dem Gift,
die Rosen überschattet mit den Fahnen?
Er bleibt, wenn er dich schwül mit Pfeilen trifft,
vereinsamt einer deiner Untertanen.



DER ROSENGARTEN

Vom Wasser, das Disteln gewaschen, trank gierig mein Bruder. Allein
fecht ich den Streit für ihn aus, nackt, vor der Rosenpforte.
Die Haine der Friedlosen schirm ich mit Trauer, keiner darf duftender sein…
Finster schied er von mir, getarnt mit Gedörn, das verdorrte.

Nimmer ein Engel auch drüben, hier meinen Speeren nicht hold,
leicht, mit den Schwertern im Herzen: »Steh, es säumt noch im Garten
Tod, in die Knospen gebettet, mein Tod, der den Rosen entrollt.
Früh ist die Schwinge erwacht mir, er schlief noch, ich konnte nicht warten.«

So sei der Wolke geopfert? Also gehalten die Treue?
Den Speer auf den Regen gerichtet?. . . Wie, wenn von Düften getragen,
er schied und den Garten vergaß? Daß die Rosen er streue
oben, wo’s finsterer ist? Und ich falle, von Keulen erschlagen?


EIN ROSENKELCH

Rosen im einsamen Helm: von den schwärzlichen Wassern der Erde
um eines, ein seltsames, fühlt ihr, vermehrt, steigt euch der Duft in die
Stengel.
Tau fiel nur spärlich und rings, schwer und mit fremder Gebärde,
heben sich – triefend wovon? – die Schwingen der furchtbaren Engel,
Gram zu verteilen euch allen. Den gelben, den weißen, den roten..
Eben glitt Laub in ein Grab, das keine der Schwestern euch schmückt,
lieblich wie einst als dem Tod selbst sie Sommer entboten..
Ihr, aus den Gärten entflohn, seid mit mir in das Dunkel gerückt…
Erst wenn die schwarze nicht fehlt, die mein Herz mir gezogen,
blendet kein Strahl mir das Aug und kein Feuer versengt mir die Braue,
trifft mich kein Pfeil und keiner mehr spannt hier den Bogen.
Erblickt, die vor schwarzen Rosen sich fürchtet, die blaue.


DRÜBEN

Schlafendes Lieb

Es wachsen die Dämmergewebe: schlaf!
Den Ungewissen Lorbeer trägt nun deine Schläfe.
Und einer, den noch keiner übertraf,
erwartet, ob der Traum ihn überträfe.

Mit offnem Auge folgt er deinem leichten Boote:
»löst sich die Fessel? sinkt sie in das Lose?«
Und abgewandt von deinem Antlitz weint er um die rote
Rose.



DU SIEHST ES

Es wirkt noch die säumige Helle
die Rose ins Regengewand:
sie tauscht dir das Blatt für die Welle,
sie führt dich ins Hügelland.

Es wächst dir das Salz aus den Wunden,
ein Baum mit verschleierter Frucht:
die Mandel der Winterstunden;
das Aug das dein Auge gesucht.

Ein Hauch ist und keiner war leiser,
doch füllt sich mit Laub das Revier.
Du zündest dein Haar an wie Reiser
und brennst bis hinunter zu dir.


IM SPIEGEL, dem mein Herz die Wolke war,
trieft noch der Tau, dem ich die Rose zog,
finstert die Schwinge die mich überflog
und weht die Locke noch vom braunen Haar.

Schwenkte die Nacht, gefangen im Jasmin,
das Tüchlein nicht, davor der Glast erschrak?
Bis auch dein Leib in seinem Feuer lag.
Und ich den Fächer spannte über ihn…

Der Schleier, den der Spiegel dir geraubt,
blaut wie dein Äug, daraus die Wolke schwand…
Und wieder fängt der schmale Reif die Hand,
die schlafend meine Seele mir entlaubt.

O Gold, dem ich im Glas begegnen muß!
O Widerschein des Meers, das überschäumt!
Und bei den Buchen meiner Heimat säumt
das braune Mädchen aus dem Kaukasus…


DIE LETZTE FAHNE

Ein wasserfarbenes Wild wird gejagt in den dämmernden Marken.
So binde die Maske dir vor und färbe die Wimpern dir grün.
Die Schüssel mit schlummernden Schrot wird gereicht über Ebenholztische:
von Frühling zu Frühling schäumt hier der Wein, so kurz ist das Jahr,
so feurig der Preis dieser Schützen – die Rose der Fremde:
dein irrender Bart, die müßige Fahne des Baumstumpfs.
Gewölk und Gebell! Sie reiten den Wahn in den Farn!
Wie Fischer werfen sie Netze nach Irrlicht und Hauch!
Sie schlingen ein Seil um die Kronen und laden zum Tanz!
Und waschen die Hörner im Quell – so lernen sie Lockruf.
Ist dicht, was du wähltest als Mantel, und birgt es den Schimmer?
Sie schleichen wie Schlaf um die Stämme, als böten sie Traum.
Die Herzen schleudern sie hoch, die moosigen Bälle des Wahnsinns:
o wasserfarbenes Vlies, unser Banner am Turm!


EIN Knirschen von eisernen Schuhn ist im Kirschbaum.
Aus Helmen schäumt dir der Sommer. Der schwärzliche Kuckuck
malt mit demantenem Sporn sein Bild an die Tore des Himmels.
Barhaupt ragt aus dem Blattwerk der Reiter.
Im Schild trägt er dämmernd dein Lächeln,
genagelt ans stählerne Schweißtuch des Feindes.
Es ward ihm verheißen der Garten der Träumer,
und Speere hält er bereit, daß die Rose sich ranke . . .
Unbeschuht aber kommt durch die Luft, der am meisten dir gleichet:
eiserne Schuhe geschnallt an die schmächtigen Hände,
verschläft er die Schlacht und den Sommer. Die Kirsche blutet für ihn.



BRANDMAL

Wir schliefen nicht mehr, denn wir lagen im Uhrwerk der Schwermut
und bogen die Zeiger wie Ruten,
und sie schnellten zurück und peitschten die Zeit bis aufs Blut,
und du redetest wachsenden Dämmer,
und sie tat sich auf und blieb offen,
und ich legt ihr ein Aug in den Schoß und flocht dir das andre ins Haar 
und schlang zwischen beide die Zündschnur, die offene Ader –
und ein junger Blitz schwamm heran.


WER sein Herz aus der Brust reißt zur Nacht, der langt nach der Rose.
Sein ist ihr Blatt und ihr Dorn,
ihm legt sie das Licht auf den Teller,
ihm füllt sie die Gläser mit Hauch,
ihm rauschen die Schatten der Liebe.
Wer sein Herz aus der Brust reißt zur Nacht und schleudert es hoch:
der trifft nicht fehl,
der steinigt den Stein,
dem läutet das Blut aus der Uhr,
dem schlägt seine Stunde die Zeit aus der Hand:
er darf spielen mit schöneren Bällen
und reden von dir und von mir.


KRISTALL
Nicht an meinen Lippen suche deinen Mund,
nicht vorm Tor den Fremdling,
nicht im Aug die Träne.
Sieben Nächte höher wandert Rot zu Rot,
sieben Herzen tiefer pocht die Hand ans Tor,
sieben Rosen später rauscht der Brunnen.


SCHLAF UND SPEISE

Der Hauch der Nacht ist dein Laken, die Finsternis legt sich zu dir.
Sie rührt dir an Knöchel und Schläfe, sie weckt dich zu Leben und Schlaf,
sie spürt dich im Wort auf, im Wunsch, im Gedanken,
sie schläft bei jedem von ihnen, sie lockt dich hervor.
Sie kämmt dir das Salz aus den Wimpern und tischt es dir auf,
sie lauscht deinen Stunden den Sand ab und setzt ihn dir vor.
Und was sie als Rose war, Schatten und Wasser,
schenkt sie dir ein.


STILLE!
Stille! Ich treibe den Dorn in dein Herz,
denn die Rose, die Rose
steht mit den Schatten im Spiegel, sie blutet!
Sie blutete schon, als wir mischten das Ja und das Nein,
als wirs schlürften,
weil ein Glas, das vom Tisch sprang, erklirrte:
es läutete ein eine Nacht, die finsterte länger als wir.
Wir tranken mit gierigen Mündern:
es schmeckte wie Galle,
doch schäumt’ es wie Wein –
Ich folgte dem Strahl deiner Augen,
und die Zunge lallte uns Süße . . .
(So lallt sie, so lallt sie noch immer.)
Stille! Der Dorn dringt dir tiefer ins Herz:
er steht im Bund mit der Rose.


WO EIS IST

Wo Eis ist, ist Kühle für zwei.
Für zwei: so ließ ich dich kommen.
Ein Hauch wie von Feuer war um dich –
Du kamst von der Rose her.
Ich fragte: Wie hieß man dich dort?
Du nanntest ihn mir, jenen Namen:
ein Schein wie von Asche lag drauf –
Von der Rose her kamst du.
Wo Eis ist, ist Kühle für zwei:
ich gab dir den Doppelnamen.
Du schlugst dein Aug auf darunter –
Ein Glanz lag über der Wuhne.
Nun schließ ich, so sprach ich, das meine –:
Nimm es, sprich es mir nach,
sprich es mir nach, sprich es langsam,
sprich’s langsam, zögr es hinaus,
und dein Aug – halt es offen so lang noch!


AUCH HEUTE ABEND
Voller,
da Schnee auch auf dieses
sonnendurchschwommene Meer fiel,
blüht das Eis in den Körben,
die du zur Stadt trägst.
Sand
heischst du dafür,
denn die letzte
Rose daheim
will auch heut abend gespeist sein
aus rieselnder Stunde.


HINAUSGEKRÖNT,

hinausgespien in die Nacht.

Bei welchen
Sternen! Lauter
graugeschlagenes Herzhammersilber. Und
Berenikes Haupthaar, auch hier, – ich flocht,
ich zerflocht,
ich flechte, zerflechte.
Ich flechte.

Blauschlucht, in dich
treib ich das Gold. Auch mit ihm, dem
bei Huren und Dirnen vertanen,
komm ich und komm ich. Zu dir,
Geliebte.

Auch mit Fluch und Gebet. Auch mit jeder
der über mich hin-
schwirrenden Keulen: auch sie in eins
geschmolzen, auch sie
phallisch gebündelt zu dir,
Garbe-und-Wort.

Mit Namen. getränkt
von jedem Exil.
Mit Namen und Samen,
mit Namen, getaucht
in alle
Kelche, die vollstehn mit deinem
Königsblut, Mensch, – in alle
Kelche der großen
Ghetto-Rose, aus der
du uns ansiehst, unsterblich von soviel
auf Morgenwegen gestorbenen Toden.

(Und wir sangen die Warschowjanka.
Mit verschilften Lippen, Petrarca.
In Tundra-Ohren, Petracra.)

Und es stieg eine Erde herauf, die unsre,
diese.
Und wir schicken
keinen der Unseren hinunter
zu dir,
Babel.


HUHEDIBLU

Schwer-, Schwer-, Schwer-
fälliges auf
Wortwegen und -schneisen.

Und – ja –
die Bälge der Feme-Poeten
lurchen und vespern und wispern und vipern,
episteln.
Geunktes, aus
Hand- und Fingergekröse, darüber
schriftfern eines
Propheten Name spurt, als
An- und Bei- und Afterschrift, unterm
Datum des Nimmermenschtags im September -:

Wann,
wann blühen, wann,
wann blühen die, hühendiblüh,
huhediblu, ja sie, die September-
rosen?

Hüh – on tue… Ja, wann?

Wann, wannwann,
Wahnwann, ja Wahn, –
Bruder
Geblendeter, Bruder
Erloschen, du liest,
dies hier, dies:
Dis-
parates -: Wann
blüht es, das Wann,
das Woher, das Wohin und was
und wer
sich aus- und an- und dahin- und zu sich lebt, den
Achsenton, Tellus, in seinem
vor Hell-
hörigkeit schwirrenden
Seelenohr, den
Achsenton tief
Im Innern unsrer
sternrunden Wohnstatt Zerknirschung? Denn
sie bewegt sich, dennoch, im Herzsinn.

Den Ton, oh,
den Oh-Ton, ah,
das A und das O,
das Oh-diese-Galgen-schon-wieder, das Ah-es-gedeiht,

auf den alten
Alraunenfluren gedeiht es,
als schmucklos-schmückendes Beikraut,
als Beikraut, als Beiwort, als Beilwort,
ad-
jektivisch, so gehn
sie dem Menschen zuleibe, Schatten,
vernimmt man, war
alles Dagegen –
Feiertagsnachtisch, nicht mehr, -:
Frugal,
kontemporan und gesetzlich
geht Schinderhannes zu Werk,
sozial und alibi-elbisch, und
das Julchen, das Julchen:
daseinsfeist rülpst,
rülpst es das Fallbeil los, – call it (hott!)
love.

Oh quand refleuriont, oh roses, vos septembres?



…RAUSCHT DER BRUNNEN 

Ihr gebet-, ihr lästerungs-, ihr
gebetscharfen Messer
meines
Schweigens.

Ihr meine mit mir ver-
krüppelnden Worte, ihr
meine geraden.

Und du:
du, du, du
mein täglich wahr- und wahrer-
geschundenes Später
der -:

Wieviel, o wieviel
Welt. Wieviel
Wege.

Krücke du, Schwinge. Wir – –

Wir werden das Kinderlied singen, das,
hörst du, das
mit den Men, mit den Schen, mit den Menschen, ja das
mit dem Gestrüpp und mit
dem Augenpaar, das dort bereitlag als
Träne-und-
Träne.


RIESIGES,
wegloses, baum-
bewürfeltes
Hand-
gelände,

Quincunx.

Die Äste, nervengesteuert,
machen sich über
die schon
angeröteten Schlagschatten her,
einen Schlangenbiß vor
Rosen-
aufgang.


DIE HOCHWELT – verloren, die Wahnfahrt, die Tagfahrt.
Erfragbar, von hier aus,
das mit der Rose im Brachjahr
heimgedeutete Nirgends.


CLAIR DE LUNE

Lune mellifluente aux lèvres des déments
Les vergers et les bourgs cette nuit sont gourmnands
Les astres assez bien figurent les abeilles
De ce miel lumineux qui dégoutte des treilles
Car voici que tout doux et leur tombant du ciel
Chaque rayon de lune est un rayon de miel
Or caché je concois la très douce aventure
J’ai peur du dard de feu de cette abeille Arcture
Qui posa dans mes mains des rayons décevants
Et prit son miel lunaire à la rose des vents

Guillaume Apollinaire


MONDSCHEIN

Mond, Honig auf den Lippen der Irren, fließt du
acht!
Ihr nimmersatten Gärten und Weiler heute nacht!Schön schwärmen die Gestirne als Bienen durch das Blau.
Es trieft vom Weingeranke ein lichter Honigtau.
Denn wie aus Himmelshöhen er leis herniederglitt,
bracht’ jeder Strahl des Mondes die Honigwabe mit.
Ich aber folg verstohlen dem süßen Abenteuer:
Arktur hat einen Stachel, mir bangt vor seinem Feuer.
Er legt’ in meine Hände die Waben, die mich trogen;
den Seim hat aus der Rose der Winde er gesogen.



RONDEL

Si tu veux nous nous aimerons
Avec tes lèvres sans le dire
Cette rose ne l’interromps
Qu’à verser un silence pire

Jamais de chants ne lancent prompts
Le scintillement du sourire
Si tu veux nous nous aimerons
Avec tes lèvres sans le dire

Muet muet entre les ronds
Sylphe dans la pourpre d’empire
Un baiser flambant se déchire
Jusqu’aux pointes des ailerons
Si tu veux nous nous aimerons.

Stéphane Mallarmé

RONDEL

Willst du’s, solls die Liebe sein,
Du, dein Mund, wir sagens nicht,
Schenkst der Rose Schweigen ein,
Bittrer, so du’s unterbrichst.

Lieder, willig, schicken kein
Lächeln, sprühen uns kein Licht,
Willst du’s, solls die Liebe sein,
Du, dein Mund, wir sagens nicht.

Stumm-und-stumm, hier zwischenein,
Sylphe, purpurn, kaiserlich,
Flammt ein Kuß, schon teilt er sich,
Flügelspitzen flackern, fein,
Willst du’s, solls die Liebe sein.


13

Rosa segreta, sbocci sugli abissi
Solo ch’io trasalisca rammentando
Come improvvisa odori
Mentre si aiza il lamento.

L’evocato miracolo mi fonde
La notte allora nella notte dove
Per smarrirti e riprenderti inseguivi,
Da libertà di piú
In piú fatti roventi,
L’abbaglio e l’addentare.

Giuseppe Ungaretti

13

Geheime Rose, öffnest dich überm Abgrund,
nur daß ich auffahr, erinnernd,
wie du Düfte herzauberst,
während es aufklagt.

Das heraufgerufene Wunder schmilzt mir
die Nacht in die Nacht nun, wo du,
irrezugehn und dich wiederzufinden, aus warst nach
ihnen, den von der Freiheit
rot- und rötergeglühten:
Blendung und Zähne-Zugriff.


IHR SCHWESTERN SCHWER UND ZART, ich seh euch – seh dasselbe.
Die Imme und die Wespe taucht in die Rose ein.
Es stirbt der Mensch, und kalt wird der Sand, der glutdurchschwelte,
die gestern helle Sonne – schwarz trägt man sie vorbei.

O Waben, schwere Waben, o Netzwerk, zart gesponnen.
Dein Name – nichts ist schwerer ein zweites Mal gesagt!
Mir bleibt nur eine Sorge – die einzige und goldne:
das Joch der Zeit – was tu ich, daß ich dies Joch zerschlag?

Ich trink die Luft wie Wasser, trink Trübes, Strahlenloses.
Die Zeit – gepflügt, die Rose, die nun zu Erde ward …
Still drehn sich mit den Wassern die schweren zarten Rosen –
zum Doppelkranz geflochten die Rosen Schwer und Zart!

1920

Orig. Ossip Mandelstam




VENEDIGS LEBEN, düster und unfruchtbar – sein Sinn:
er tritt mir klar vor Augen, ich sehe ihn, genau.
Ein Lächeln um den Mund, ein kaltes, blickt es in
die abgelebten Spiegel, in spiegelaltes Blau.

Ein Hautarom, kaum spürbar. Die Äderung, violett.
Ein Weiß, ein Schimmer Schnee. Brokate, dunkelgrün.
Man hebt sie auf die Sänften, auf das Zypressenbett,
man schält sie aus den Mänteln, im Schlummer, im Verglühn.
In all den Körben: Kerzen. Sie brennen, brennen fort,
als ob dies eine Arche und drin die Taube war.
Auf Plätzen, in Theatern, an müßig-eitlem Ort,
allda geschieht das Sterben, der Mensch, hier endet er.

Die Todesangst, die Liebe: nichts, das den zwein entkommt:
der Ring Saturns wiegt schwerer als irgendein Gewicht.
Der Richtblock, ausgeschlagen mit Samt, mit schwarzem Samt
Das menschliche, das Antlitz, das herrliche Gesicht.

Wie schwer es hängt, Venedig, dein Prunk- und Bühnenwerk
Die Spiegel schwer, die Rahmen, schwer das Zvpressenholz.
Die Luft hier: scharfgeschliffen. Im Schlafgemach: der Berg
von altersblauem Glase, das taut, das schon zerschmolz.

Sinds Rosen, sinds Phiolen in diesen Händen hier?
Dies ist der Abschied, Adria, du grünes Meer, ade!
Du Mädchen aus Venedig, du sprichst nicht, sag es mir:
Ein Tod wie dieser, festlich – kann ich ihm nicht entgehn?

Im Spiegel steht jetzt Venus. Ihr Licht – ein schwarzes Licht.
Es gehn die Dinge, alle. Die Wahrheit: Dunkelheit.
Es wird ein Mensch geboren. Es lebt die Perle nicht.
Susanne: der zwei Greise muß sie gewärtig sein.

1920

Orig. Ossip Mandelstam


BAHNHOFSKONZERT

Kein Atmen mehr. Das Firmament – voll Maden.Verstummt die Sterne, keiner glüht.
Doch über uns, Gott siehts, Musik, dort oben –
Der Bahnhof bebt vom Aonidenlied.
Und wieder ist die Luft, zerrissen von Signalen,
die Geigenluft, die ineinanderfließt.

Der Riesenpark. Die Bahnhofskugel, gläsern.
Die Eisenwelt – verzaubert, abermals.
Und feierlich, in Richtung Nebel-Eden,
zu einem Klang-Gelage rollt die Bahn.
Ein Pfauenschrei. Klaviergetöse.
Ich kam zu spät. Ich träum ja. Mir ist bang.

Der Glaswald rings, ich habe ihn betreten.
Der Geigen-Bau – in Tränen, aufgewühlt.
Der Duft der Rosen in den Moder-Beeten;
der Chor der Nacht, der anhebt, wild.
Der teure einst, der mitzog, er, der Schatten …
Sein Nachtquartier: ein gläsernes Gezelt …

Die Eisenwelt, sie schäumt, schäumt vor Musik –
Mir ist, als bebte sie am ganzen Leibe –
Ich steh im Glasflur, lehne mich zurück.
Wo willst du hin? Es ist die Totenfeier
des Schattens, der dort ging. Noch einmal war Musik.

1921

Orig. Ossip Mandelstam


IN PETERSBURG

Petersburg: es führt uns neu zusammen,
so als hätten wir die Sonn begraben dort,
und es tritt, zum erstenmal, uns auf die Lippen
jenes selge, deutungslose Wort.
In der Jännernacht, in ihrer Sammetschwärze,
und im Samt der Leere weltenweit
singen sie, der selgen Frauen traute Augen,
und es blüht die Blume ohne Tod und Zeit.

Petersburg, die wilde Katze, krümmt den Rücken,
auf der Brücke die Patrouille steht bereit,
nur ein böser Motor saust noch durch den Nebel,
und du hörst, wie er, mit Kuckucksstimme, schreit.
Ich brauch keinen Schein, die Nächte zu passieren,
vor den Posten hab ich keine Furcht:
für das Wort, das selig-deutungslo
e,
bete ich, die Jännemacht hindurch.
Leicht und theatralisch hör ich’s rascheln,
hör ein mädchenhaftes Ach –
und die Rosen ruhn in Kypris’ Händen,
unverblühbar, tausendfach.
Wir, gelangweilt, wärmen uns am Feuer,
und es ziehn, wer weiß, Jahrhunderte vorbei,
und der selgen Frauen traute Hände
sammeln sie, die leichte Asche, ein.

Üppig, in den Logen dort, die Chiffonnieren,
irgendwo dort das Parkett, mit roten Reihn;
jene Puppe, aufziehbar, des Herrn Leutnants;
nichts für Seelenschwärze, nichts für Frömmelein …
Nun, im schwarzen Samt der weltenweiten Leere
geh und lösch die Kerzen, Licht um Licht –
Sie, der selgen Frauen jähe Schultern singen,
und die nächtge Sonne, du bemerkst sie nicht.

Orig. Ossip Mandelstam


I

From fairest creatures we desire increase,
That thereby beauty’s rose might never die,
But as the riper should by time decease,
His tender heir might bear his memory:

But thou, contracted to thine own bright eyes,
Feed’st thy light’s flame with self-substantial fuel,
Making a famine where abundance lies,
Thyself thy foe, to thy sweet self too cruel:

Thou that art now the world’s fresh ornament
And only herald to the gaudy spring,
Within thine own bud buriest thy content,
And, tender churl, mak’st waste in niggarding:

Pity the world, or else this glutton be –
To eat the world’s due, by the grave and thee.

William Shakespeare

I

Was west und schön ist, du erhoffst ein Mehr
von ihm: die Rose Schönheit soll nicht sterben.
Und gibt sie, die gezeitigte, die Krone her,
so wahre, was sie war, ihr zarter Erbe.

Doch du, ins eigne Auge eingeengt,
verbrauchst dich selbst, daß deine Flamme loht,
du darbst und hungerst, überreich beschenkt,
und bist, der dich am grausamsten bedroht.

Kein Schmuck wie du, den sich ein Jahr je gab;
kein solcher Herold seiner Farbenfreuden;
doch du: die eigne Knospe ist dein Grab,
ein einzig Knausern bist du im Vergeuden.

Denk an die Welt und was ihr Erbteil ist,
du, der du dich nicht sattgräbst und es frißt.