
GESPRÄCH ÜBER DANTE
Così gridai colla faccia levata …
(Inferno XVI, 76)
I
Poetische Sprache ist ein Kreuzungsprozess und setzt sich aus zwei Klangweisen zusammen. Die erste dieser Klangweisen ist die für uns hörbare und fühlbare Veränderung der Instrumente poetischer Sprache, die bei deren Ausbruch überhaupt erst entstehen. Die zweite ist das eigentliche Sprechen, d. h. die Arbeit der Intonation und Artikulation, die von den genannten Instrumenten geleistet wird.
So verstanden ist die Poesie kein Teil der Natur, auch nicht ihr bester und erlesenster, und noch weniger ihr Abbild, was einer Verhöhnung des Prinzips der Identität gleichkäme. Vielmehr siedelt sie sich mit einer überwältigenden Unabhängigkeit in einem neuen, ausserräumlichen Aktionsfeld an, wo sie die Natur nicht nacherzählt, sondern spielend inszeniert mit Hilfe jener Instrumente, die umgangssprachlich »Bilder« heissen.
Poetisches Sprechen oder Denken kann nur sehr bedingt klingend genannt werden, weil wir in ihm nur die Kreuzung zweier Linien hören, von denen die eine, für sich genommen, absolut stumm ist, während die andere ohne jene instrumentale Metamorphose völlig ohne Bedeutung und Interesse ist und nacherzählt werden kann, was in meinen Augen das untrüglichste Zeichen für das Nichtvorhandensein von Poesie ist: Denn dort, wo ein Text mit seiner Nacherzählung vergleichbar wird, sind die Laken nicht angerührt, da hat die Poesie nicht genächtigt.
Dante ist ein Instrumentenmeister der Poesie und kein Verfertiger von Bildern. Er ist e1n Stratege der Verwandlungen und Kreuzungen und alles andere als ein Dichter in der »gesamteuropäischen« und oberflächlich kulturellen Bedeutung dieses Wortes.
Die Ringer, die sich in der Arena verknäueln, lassen sich als eine instrumentale Verwandlung und als Zusammenklang betrachten.
»Diese nackten und fettglänzenden Ringer, die auf und ab gehen und mit ihren körperlichen Vorzügen prahlen bevor sie sich verklammern zum entscheidenden Kampf … « (Inferno XVI, 22-24).
Das moderne Kino aber mit seiner. filmischen Bandwurmmetamorphose gerät zur schlimmsten Parodie auf den Instrumentcharakter poetischer Sprache, weil sich die Bilder ohne Kampf in ihm fortbewegen und einander nur ablösen.
Stellen Sie sich etwas klar Verstandenes, Erfasstes, dem Dunkel Entrissenes vor in einer Sprache, die ganz freiwillig und gern wieder vergessen wird, sobald der erhellende Akt ausführenden Verstehens vollzogen ist …
In der Poesie ist nur das ausführende Verstehen wichtig und nicht das passive, reproduzierende, nacherzählende. Semantische Befriedigung gleicht dem Gefühl eines ausgeführten Befehls.
Die Signalwellen des Sinns verschwinden, sobald · sie ihre Arbeit getan haben: Je stärker sie sind, desto · lieber treten sie zurück, desto weniger neigen sie zum Verweilen .
Anders käme es unausweichlich zum Einpauken, zum Einschlagen vorgefertigter Nägel, die man »kulturelle« oder »poetische« Bilder nennt.
Oberflächliche, erläuternde Bildlichkeit ist mit Instrumentcharakter unvereinbar.
Die Qualität der Poesie liegt in der Schnelligkeit und Entschlossenheit, mit der sie ihre Vorhaben und Befehle in die nicht-instrumentale, lexikalische, rein quantitative Natur der Wortbildung hineintreibt. Man muss springend einen Fluss in seiner ganzen Breite überqueren, der voll ist von beweglichen und in verschiedene Richtungen strebenden chinesischen Dschunken – so entsteht der Sinn poetischer Sprache. Seine Marschroute lässt sich nicht durch Befragen der Schiffer rekonstruieren: Sie können uns nicht sagen, wie und warum wir von der einen Dschunke auf die andere gesprungen sind.
Poetische Sprache ist ein Teppichgewebe aus einer Vielzahl von Fäden, die sich nur im Farbton der Ausführung voneinander unterscheiden, nur in der Partitur des sich ständig verändernden Befehls der instrumentalen Signalgebung.
Sie ist ein aus Wasser gewebter, äusserst dauerhafter Teppich, ein Teppich, in dem sich die Strömungen des Ganges, als textiles Thema verstanden, nie mit denen von Nil und Euphrat vermischen, sondern verschiedenfarbig bleiben in diesen Geflechten, Figuren und Ornamenten, nicht jedoch Mustern, denn das Muster entspricht genau der Nacherzählung. Das Ornament ist gerade deshalb schön, weil es die Spuren seiner Herkunft bewahrt – als ein spielend inszeniertes Stück Natur. Sei es Tier- oder Pflanzenornament, steppennomadisch, skythisch, ägyptisch, einheimisch oder barbarisch – es ist immer sprechend, schend, wirkend.
Das Ornament ist strophisch.
Das Muster ist zeilig.
Grossartig ist der Vershunger der alten Italiener, ihr raubtierhafter, jugendlicher Appetit auf Harmonie, ihr sinnliches Verlangen nach dem Reim – il disio!
Der Mund arbeitet ein Lächeln bewegt den Vers, klug und fröhlich röten sich die Lippen, und die Zunge schmiegt sich zutraulich an den Gaumen.
Das innere Bild des Verses ist nicht zu trennen vom unendlichen Mienenspiel, das über das Gesicht des sprechenden und erregten Rezitators huscht.
Die Kunst des Sprechens nämlich verzerrt unser Gesicht, sprengt seine Ruhe, zerstört seine Maske…
Als ich anfing, Italienisch zu lernen, und allmählich seine Phonetik und Prosodie kennenlernte begriff ich plötzlich, dass sich der Schwerpunkt der Sprecharbeit verlagert hatte: näher zu den Lippen hin, zum äusseren Mund” Plötzlich kam die Zungenspitze zu Ehren. Der Laut stürzte zum Riegel der Zähne. Was mich ebenfalls verblüfft hat, ist die infantilität der Italienischen Phonetik, ihre wunderbare Kindlichkeit, die Nähe zum Kleinkinderlallen, ein bestimmter uralter Dadaismus.
E consolando, usava l’idioma
Che prima i padri e Ie madri trastulla’
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Favoleggiava con la sua famiglia
De’ Troiani, di Fiesole, e di Roma.
(Paradiso XV, 122-126)
Möchten Sie den Vorrat der italienischen Reime kennenlernen? Nehmen Sie ein italienisches Wörterbuch und blättern Sie darin, wie es Ihnen gerade gefällt . . . Hier reimt sich alles. Jedes Wort bittet um concordanza. Wunderbar ist da der Reichtum sich vermählender Endungen. Das italienische Verb steigert sich zum Ende hin und lebt ganz in der Endung. Jedes Wort hat es eilig, zu explodieren, von den Lippen zu fliegen, wegzugehen, den andern den Platz freizumachen.
Als der Kreis einer Zeit zu umreissen war, für die ein Jahrtausend weniger ist als ein Wimpernschlag, führt Dante eine kindliche Lautsprache ein in seinen astronomischen, konzertanten, zutiefst öffentlichen Verkünderwortschatz.
Dantes Werk bedeutet vor allem das Hinaustreten der damaligen italienischen Sprache als Ganzes, als System, in die Weltarena.
Die dadaistischste aller romanischen Sprachen rückt auf den weltweit ersten Platz
II
Es sollten unbedingt einige Stückchen Dantescher Rhythmen vorgeführt werden. Man hat davon keinen Begriff, doch sollte man das kennen. Wer sagt, Dante sei skulptural, ist das Opfer sehr armseliger Vorstellungen von diesem ·grossen Europäer. Dantes Poesie eignen alle Formen der Energie, die der heutigen Wissenschaft bekannt sind. Die Einheit von Licht, Schall und Materie ist ihre innere Natur. Die Lektüre Dantes ist vor allem eine nie enden de Arbeit, die uns, je mehr wir fortschreiten, um so weiter vom Ziel entfernt. Bringt eine erste Lektüre nur Atemnot und eine gesunde Müdigkeit, so besorge man sich für die folgenden ein Paar unverwüstliche Schweizer Nagelschuhe. Ich frage mich allen Ernstes, wieviele Sohlen, wieviel Rindsleder, wieviele Sandalen Alighieri während seiner dichterischen Arbeit auf den Ziegenpfaden Italiens durchgelaufen hat.
Das Inferno und ganz besonders das Purgatorio preisen den menschlichen Gang, das Mass und den-Rhythmus der Schritte, den Fuss und seine Form. Den Schritt, verbunden mit dem Atem und gesättigt vom Gedanken, begreift Dante als das Grundprinzip der Prosodie. Zur Bezeichnung des Gehens gebraucht er eine Vielzahl verschiedener und reizvoller Wendungen.
Bei Dante sind Philosophie und Poesie immer im Gehen begriffen, immer auf den Beinen. Selbst das Innehalten ist eine Spielart konzentrierter Bewegung: Der Raum für ein Gespräch wird durch alpinistische Anstrengungen geschaffen. Der Versfuss – Einatmen und Ausatmen – ist ein Schritt. Ein schlussfolgernder, wacher, schlüssiger Schritt.
Bildung ist eine Schule der schnellsten Assoziationen. Du fängst alles im Flug auf, bist empfänglich für Anspielungen – das ist Dantes liebstes Lob.
In Dantes Verständnis ist der Lehrer jünger als der Schüler, denn er “läuft schneller”.
“Er wandte sich ab und erschien mir als einer vo denen, die auf den grünen Wiesen in Veronas Umgebung um die Wette laufen, und seine ganze Gestalt erinnerte daran, dass er zu den Siegern gehörte, nicht zu den Besiegten…”
(Inferno XV, 121-124)
Die verjüngende Kraft der. Metapher bringt uns den gebildeten Greis Brunetto Latini als Jüngling wieder, als Sieger im sportlichen Wettlauf von Verona.
Was ist Dantes Gelehrsamkeit?
Wie ein samtiger Schmetterling ist Aristoteles umrandet von der arabischen Borte des Averroës.
Averroìs, che il gran comento feo…
(Inferno IV, 144)
Hier ist der Araber Averroës dem Griechen Aristoteles musikalische Begleitung. Sic sind Komponenten der einen Zeichnung, finden auf der Membran des einen Flügels Platz.
Der Schluss des 4. Gesanges im Inferno ist eine wahre Zitatorgie. Ich sehe hier die reine und unverfälschte Demonstration von Dantes Anspielungsklaviatur.
Ein Tastenspaziergang dem gesamten Horizont der Antike entlang. Gleichsam eine Chopinsche Polonaise, wo der bewaffnete Cäsar mit den blutunterlaufenen Augen des Vogels Greif neben Demokrit auftritt, der die Materie in Atome zerlegt hat.
Das Zitat ist keine Abschrift. Zitate sind Zikaden. Sie haben die Eigenheit, nicht mehr verstummen zu können. Klammern sich in die Luft und lassen sie nicht mehr los. Gelehrsamkeit ist bei weitem nicht dasselbe wie die Anspielungsklaviatur, die das eigentliche Wesen der Bildung ausmacht.
Ich will damit sagen, dass sich eine Komposition nicht aus der Anhäufung von Einzelteilen ergibt, sondern als Folge davon, dass sich ein Detail nach dem andern von einer Sache Iosreisst, von ihr fortgeht, davonflattert, dein System abtrünnig wird und. in einen funktional neuen Raum oder eine neue Dimension übergeht, doch jedesmal zu einem streng festgelegten Zeitpunkt und unter der Bedingung einer dafür reifen und einzigartigen Situation.
Die Dinge selber kennen wir nicht, doch sind wir durchaus empfänglich für ihre Anordnung. Und so erhalten wir beim Lesen von Dantes Gesängen gleichsam Kurzberichte vom Kriegsschauplatz und können aus ihnen ausgezeichnet darauf schliessen, wie die Klänge der Kriegssymphonie miteinander kämpfen, auch wenn jedes Bulletin an sich die strategischen Fähnchen kaum merklich und nur da und dort verschiebt oder gewisse Veränderungen in der Klangfarbe der Kanonade andeutet.
So entsteht der Text in seiner Ganzheit als Ergebnis eines einzigen differenzierenden Ausbruchs, von dem er überall durchdrungen ist. Nicht eine Minute bleibt er sich selber gleich. Möchte ein Physiker, der den Atomkern zerlegt hat, ihn auch wieder zusammensetzen, gleicht er den Anhängern einer beschreibenden und erläuternden Poesie, für die Dante in alle Ewigkeit Pest und Schrecken ist.
Würden wir lernen, Dante zu hören, so würden wir das Reifen der Klarinette und der Posaune hören, wir würden _die Verwandlung der Viola in die Geige und das Ventil des Waldhorns sich verlängern hören. Und wir wären hörende Zeugen, wie sich um Laute und Theorbe der neblige Kern des homophonen dreiteiligen Orchesters der Zukunft bildet.
Würden wir Dante hören, so würden wir unverhofft in einen Kraftstrom eintauchen, der als Ganzes Komposition heisst, in seinem Teilaspekt aber Metapher, in seiner ausweichenden Art schliesslich Vergleich, ein Kraftstrom, der die Formulierungen deshalb hervorbringt, damit sie in ihn zurückkehren, ihn in ihrem Hinschmelzen reicher machen und, kaum dass sie der ersten Freude des Werdens für würdig befunden wurden, ihr Erstgeburtsrecht sofort wieder verlieren, indem sie sich der Materie anschliessen, die zwischen die Bedeutungen strömt und sie umspült.
Der Anfang des 10. Gesanges im Inferno. Dante stösst uns hinein in die innere Blindheit kompositioneller Verdichtung:
” Jetzt traten wir aµf einen schmalen Pfad zwischen der Felswand und den Gepeinigten: mein Meister – und hinter seinen Schultern ich . , .« (Inferno X, 1-3).
Alle Anstrengungen sind auf den Kampf mit der Undurchdringlichkeit und Lichtlosigkeit des Ortes gerichtet. Helle Formen brechen wie Zähne durch das Dunkel. Sprechen ist hier so notwendig wie Fackeln in einer Höhle.
Dante lässt sich nie auf einen Zweikampf mit der Materie ein, ohne ein Organ zu ihrer Wahrnehmung vorbereitet zu haben, ohne ein Messgerät zu haben für die Berechnung der konkreten, tropfenden oder tauenden Zeit. In der Poesie, wo alles Mass ist, alles vom Mass ausgeht, alles um das Mass kreist und sich um seinetwillen bewegt, sind Messgeräte Instrumente besonderer Art, erfüllen eine besonders aktive Funktion. Hier fügt sich eine zitternde Kompassnadel nicht nur dem Magnetsturm, sondern erzeugt ihn auch selber.
Da sehen wit plötzlich, dass der Dialog im 10. Gesang des Inferno magnetisiert ist vonden Zeitformen des Verbs: unvollendete und vollendete Vergangenheit, konjunktivische Vergangenheit, selbst Gegenwart und Zukunft gebärden sich in diesem zehnten Gesang kategorial, kategorisch, autoritär.
Der ganze Gesang ist auf einigen Ausfallen des. Verbs aufgebaut, die verwegen aus dem Text hervorspringen. Hier entfaltet sich gleichsam eine Fechthieb-Konjugationstabelle, und wir hören buchstäblich, wie die Zeitwörter zeitigen.
Erster Ausfall:
La gente che per li sepolcri giace
Potrebbesi veder? …
(Inferno X, 7-8)
»Die Leute da, die in den halboffenen Särgen liegen, ob ich die wohl sehen dürfte?”
Zweiter Ausfall: . . .
Volgiti: che fai?
(Inferno X, 31)
Hier steht das Entsetzen vor der Gegenwart, eine Art terror praesentis. Die pure Gegenwart wird hier verstand als ein magisches »Halt! Nicht weiter!« Völlig abgetrennt von Zukunft und Vergangenheit wird sie als reine Angst, als Gefahr konjugiert.
Drei Schattierungen der Vergangenheit, die eine Verantwortung für das bereits Geschehene von sich weist, zeigen sich in der einen Terzine:
“Ich hatte meinen Blick auf ihn geheftet
Er richtete sich auf in voller Grösse,
Als wollte er die Hölle tief verachten.”
(Inferno X, 34-36)
Und dann bricht wie eine mächtige Tuba die ferne Vergangenheit herein in der Frage Farinatas:
…Chi fur li maggior tui?
(Inferno X, 42) )
“Wer waren deine Ahnen?”
Wie ist hier das Hilfsverb, das kleine, gestutzte fur anstelle von furon, plötzlich angewachsen! Hat sich nicht genau so durch eine Ventilverlängerung, das Waldhorn herausgebildet?
Dann kommt ein Versprecher in der vollendeten Vergangenheit. Dieser Versprecher schlägt den alten Cavalcanti völlig zu Boden: weil er über seinen Sohn, den Dichter Guido Cavalcanti, der zu dem Zeitpunkt noch lebt, dessen Altersgenossen und Freund Alighieri etwas – ganz gleich, was es ist – in der verhängnisvollen vollendeten Vergangenheit sagen hört: ebbe.
Wie bemerkenswert, dass gerade dieser Versprecher dem Hauptstrom des Dialoges den Weg freimacht: Cavalcanti entschwindet wie der verklingende Ton einer Oboe oder Klarinette, während Farinata wie ein bedächtiger Schachspieler den unterbrochenen Zug fortsetzt und seinen Angriff erneuert:
“E se”, continuando al primo detto,
»S’egli han quell’ arte”, disse, »male appresa,
Ciò mi tormenta più che questo letto.«
(Inferno X, 76-78)
Der Dialog im zehnten Gesang des Inferno ist der unverhoffte Klärer der Situation. Von selbst entfliesst sie dem Zwischenstromland der Rede und Gegenrede.
Alle nützlichen enzyklopädischen Auskünfte werden schon in den Anfangsversen des Gesanges mitgeteilt. Langsam und beharrlich weitet sich die Amplitude des Gesprächs; beiläufig werden Massenszenen und Bilder von Menschenmengen eingeführt.
Als Farinata sich aufrichtet, der die Hölle mit Verachtung straft wie ein ins Gefängnis geratener Herr, schwingt das Pendel des Gesprächs bereits über den ganzen Durchmesser der düsteren, von Feuerströmen durchzogenen Ebene.
Der Skandal taucht in der Literatur lange vor Dostojewskij auf, war im 13. Jahrhundert und bei Dante sogar weitaus schärfer. Dante gerät in die unerwünschte und gefährliche Begegnung mit Farinata genau so, wie Dostojewskijs Delinquenten auf ihre Peiniger trafen: am unpassendsten Ort. Eine Stimme treibt ihm entgegen – noch weiss man nicht, wem sie gehört. Immer schwieriger es für den Leser, den wuchernden Gesang zu dirigieren. Diese Stimme, das erste Thema Farinatas, ist ein für Inferno höchst typisches kleines Dantesches Arioso in beschwörendem Tonfall:
»O Toskaner, der du als Lebender durch diese Stadt des Feuers gehst und so gewandt dich ausdrückst! Schlag mir’s nicht ab, verweile hier eine Minute … An dein Mundart hab ich dich erkannt als Bürger jenes edlen Ortes dem ich – ach weh! – wohl allzusehr Beschwer nur war … « (Inferno X, 76-78).
Dante ist ein Habenichts. Ein innerer Rasnotschinez, ein besitzloser Intellektueller von altem römischem Blut. Liebenswürdigkeit ist ihm absolut nicht eigen, eher das Gegenteil. Man muss ein blinder Maulwurf sein, um nicht zu bemerken, dass sich Dante in der ganzen Divina Commedia überhaupt nicht zu benehmen versteht, dass er nicht weiss, wie er auftreten soll, was er zu sagen hat, wie er sich verbeugen muss. Das erfinde ich hier nicht etwa, sondern entnehme es den zahlreichen, über die ganze Divina Commedia verstreuten Eingeständnissen Alighieris selber.
Die innere Unruhe und eine lastende verworrene Ungeschicktheit, die den an sich selber ‘zweifelnden auf Schritt und Tritt begleiten, diesen gequälten und gehetzten Menschen, dessen Erziehung irgendwie unabgeschlossen scheint und der seine innere Erfahrung nicht anzuwenden und in der Etikette zu objektivieren versteht – gerade sie verleihen dem Poem seinen Reiz und seine ganze Dramatik, gerade sie schaffen seinen Hintergrund, seine psychologische Grundierung.
Wäre Dante allein auf den Weg geschickt worden, ohne den dolce padre, ohne Vergil, so wäre der Skandal unabwendbar schon gleich zu Beginn losgebrochen, und wir hätten keine Wanderung durch die Qualen und Merkwürdigkeiten vor uns, sondern eine groteske Posse.
Die von Vergil gerade noch rechtzeitig abgewendeten Ungeschicklichkeiten korrigieren und lenken systematisch den Verlauf des Poems. Die Divina Commedia führt uns hinein in das seelische Laboratorium Dantes. Was sich uns als untadelige Kapuze und als das sogenannte Adlerprofil präsentiert, war im Innern eine immer wieder qualvoll überwundene Ungeschicktheit, ein geradezu Puschkinscher, kammerjunkerhafter Kampf um soziale Würde und gesellschaftliche Anerkennung des Dichters. Der Kinder und alte Frauen ängstigende Schatten hatte selber Angst, und Alighieri warf es abwechselnd in Fieber und Frost: in absonderliche Anfälle von Eigendünkel und das Bewusstsein völliger Nichtigkeit.
Bis heute ist Dantes Ruhm das grösste Hindernis für Erkenntnis und tieferes Verständnis seines Werkes, und wird es noch lange bleiben. Dantes lapidare Art ist nichts anderes als das Produkt einer gewaltigen inneren Unausgeglichenheit, die sich einen Ausweg sucht in geträumten Hinrichtungen, imaginären Begegnungen, schon vorher ausgeheckten und gallig gehätschelten raffinierten Repliken, die auf völlige Vernichtung des Gegners abzielten und auf den endgültigen Triumph.
Wie oft muss der zärtlichste Vater, Lehrer, Klugkopf und Mentor diesen inneren Rasnotschinez des 14. Jahrhunderts zurechtweisen, der sich nur mühsam in der sozialen Hierarchie zurechtfand, während Boccaccio – fast sein Zeitgenosse – dieselbe Gesellschaftsordnung zu geniessen verstand, in sie eintauchte und sich in ihr tummelte.
Che fai?-Was machst du da?- klingt buchstäblich wie die Rüge eines Lehrers: Du hast wohl den Verstand verloren! … Dann hilft ihm das Spiel auf den Registern, die seine Scham übertönen und seine Bestürzung verdecken.
Sich Dantes Poem als eine lineare Erzählung oder nur als als eine Stimme vorzustellen, ist völlig verfehlt. Lange vor Bach und in einer Zeit, als man noch keine monumentale Orgeln baute, sondern nur sehr bescheidene, embryonale Prototypen des künftigen Monstrums, als das vorherrschende Instrument noch die stimmbegleitende Zither war baute Alighieri im Raum der Sprache eine unendlich mächtige Orgel, genoss bereits alle nur denkbaren Register, liess die Bälge sich blähen, dröhnte und girrte mit allen Orgelpfeifen.
Come avesse lo inferno in gran dispitto
(Inferno X, 36)
-ist als Vers der Urvater des ganzen europäischen Dämonismus und Byronismus. Anstatt jedoch seine Skulptur auf einen Sockel zu stellen, wie etwa Hugo es getan hätte, umhüllt Dante sie mit einem Tondämpfer, taucht sie in graublaues Halbdunkel, verbirgt sic am nebligen Grund seines Klangbalges.
Sie wird in einem immer tiefer sinkenden Register gespielt, sie fällt, taucht unter die Hörschwelle weg.
Mit anderen Worten: Das phonetische Licht ist ausgeschaltet. Die graublauen Schatten sind verflossen.
Die Divina Commedia raubt dem Leser seine Zeit nicht sondern Iässt sie vielmehr anwachsen, wie es ein Musikstück tut, wenn es gespielt wird .
Mit zunehmender Länge entfernt sich das Poem von seinem Ende, und das Ende selber kommt unerwartet und klingt wie ein Anfang.
Die Struktur des nach dem Registerprinzip der Orgel gebauten Danteschen Monologes lässt sich anhand einer Analogie zu Gesteinsschichten, deren Reinheit durch artfremde Einsprengsel gestört ist gut begreifen.
Körnige Beimengungen und Lava-Äderchen deuten auf einen einmaligen Schub oder eine Katastrophe als den Ursprung der Formbildung hin.
Dantes Verse sind geologisch formiert und gefärbt. Ihre Materialstruktur ist unendlich wichtiger als ihr vielbesagter Skulpturcharakter. Stellen Sie sich ein Monument aus Granit oder Marmor vor, dessen symbolische Absicht nicht die Darstellung von Pferd oder Reiter ist, sondern die Offenbarung der inneren Struktur des Marmors oder Granites selber. Mit anderen Worten: Stellen Sie sich ein Denkmal aus Granit vor, das zu Ehren des Granites und gleichsam zur Offenbarung seiner Idee errichtet wurde – so erhalten Sie eine recht klare Vorstellung davon, wie bei Dante Form und Inhalt zusammenhängen.
Jede Periode gebundener Rede – sei es eine Zeile, eine Strophe oder eine ganze lyrische Komposition – muss als ein einziges Wort verstanden werden. Sagen wir beispielsweise »Sonne«, stossen wir keinen vorgefertigten Sinn aus – es wäre eine semantische Fehlgeburt -, sondern durchleben einen ganz eigentümlichen Zyklus.
Jedes Wort ist ein Strahlenbündel: Der Sinn bricht in verschiedene Richtungen aus ihm hervor und eilt nicht auf den einen, offiziellen Punkt zu. Wenn wir »Sonne« sagen, machen wir eine gewaltige Reise, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass wir sie im Schlaf absolvieren. Poesie unterscheidet sich gerade dadurch von einer automatischen Rede, dass sie uns weckt und aufrüttelt in der Mitte des Wortes. Dann erweist dieses sich als weitaus länger, als wir gedacht haben, und wir erinnern uns, dass Sprechen bedeutet – immer unterwegs zu sein.
Die semantischen Zyklen der Danteschen Gesänge sind so gebaut, dass etwas mit »Honig« beginnen kann, aber mit »Kupfer« abschliesst, dass etwas mit »Gebell« beginnt, aber mit “Eis” endet.
Wenn es ihm notwendig scheint, nennt Dante die Lider »Augenlippen«. Dann nämlich, wenn an den Wimpern Eiskristalle . gefrorener Tränen hängen und eine . Kruste bilden, die einen am Weinen hindert.
Gli occhi lor, ch’eran pria pur dentro molli,
Gocciar su per Ie labbra .
(Inferno XXXII, 46-47) .
So also kreuzt das Leiden die Sinnesorgane, schafft Hybriden und führt zu lippigen Augen. .
Bei Dante gibt es nicht eine.Form, sondern eine Vielzahl von Formen Sie werden eine aus der andern hervorgepresst, und nur bedingt kann eine in die andere eingeschrieben werden.
Er selber sagt:
Io premerei di mio concetto il suco –
(Inferno XXXII, 4)
Würde ich den Saft aus meiner Vorstellung, aus meiner Konzeption hervorpressen« – die Form also stellt sich ihm als etwas Hervorgepresstes und nicht als Hülle dar.
So wird die Form, so seltsam es auch erscheinen mag, aus der Konzeption, aus dem Inhalt hervorgepresst, der sie gleichsam umhüllt. Das ist Dantes exakter Gedanke.
Etwas hervorpressen, was immer es auch sei, kann man nur aus einem nassen Schwamm oder Lappen. Wie sehr wir die Konzeption auch auswringen, wir könnten keinerlei Form aus ihr hervorpressen, wenn sie nicht schon selber Form wäre. Mit anderen Worten: Jede Formbildung in der Poesie setzt Reihen, Perioden oder Zyklen eines Formklanges voraus, ganz genau wie jede einzelne ausgesprochene Sinneinheit.
Eine wissenschaftliche Beschreibung von Dantes »Komödie«, die sich als Fluss, als Strom verstünde müsste unweigerlich zu einem Traktat über Metamorphosen werden und bestrebt sein, in die vielfältigen Zustände der poetischen Materie einzudringen, genau wie der Arzt der eine Diagnose stellen will, hinhorcht auf die vielfältige Einheit des Organismus. Literaturkritik müsste sich in ihrer Methode einer lebendigen Medizin nähern.

III
Wenn ich nach besten Kräften in die Struktur der Divina Commedia einzudringen versuche, komme ich zum Schluss, dass das ganze Poem eine einzige, einheitliche und unteilbare Strophe darstellt, Genauer gesagt: nicht eine Strophe, sondern eine kristalline Figur, einen Körper. Ein unaufhaltsamer Drang nach Formwerdung geht durch das ganze Poem. Es ist ein streng stereometrischer Körper, durchgehende Entfaltung eines kristallographischen Themas, Völlig undenkbar, dieses in seiner Richtigkeit ungeheuerliche dreizehntausendflächige Gebilde mit blossem Auge zu erfassen oder anschaulich sich vorzustellen. Das Fehlen präziser Kenntnisse in Kristallographie, meine Unwissenheit auf diesem wie auch auf vielen anderen Gebieten, wie sie in meinem Kreis überhaupt üblich ist beraubt mich des Genusses, die wahre Struktur der Divina Commedia zu erkennen, doch Dantes erstaunliche stimulierende Kraft ist so gross, dass er in mir ein konkretes Interesse fur Kristallographie geweckt hat, und als sein dankbarer Leser- lettore- möchte ich ihn zufriedenstellen.
Die Formwerdung des Poems übersteigt unsere Begriffe von Schreibkunst und Komposition. Viel richtiger wäre es, als sein Leitprinzip den Instinkt anzusehen. Die von mir vorgeschlagenen Annäherungen möchten absolut keine metaphorischen Improvisationen sein. Hier vollzieht sich ein Kampf um die-Vorstellbarkeit eines Ganzen, um die Anschaulichkeit eines Gedachten. Nur mit Hilfe der Metapher lässt sich ein konkretes Zeichen für jenen formbildenden Instinkt finden, mit dem Dante die Terzinen ansammelt und weiterfliessen lässt.
Man muss sich vorstellen, am Bau dieses dreizehntausendflächigen Gebildes hätten Bienen gearbeitet, die mit einem genialen stereometrischen Instinkt begabt waren und je nach Bedarf immer neue und neue Bienen beigezogen hätten. Die Arbeit dieser Bienen – die immer das Ganze im Auge behält – ist in den einzelnen Phasen des Prozesses von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Ihre Zusammenarbeit erweitert und kompliziert sich im Ausmass der. Wabenbildung, durch die der Raum gleichsam aus sich selbst heraustritt.
Die Analogie zu den Bienen wird übrigens von Dante selber nahegelegt. Hier die drei betreffenden Verse – der Anfang des 16. Gesanges im Inferno:
Già era in loco onde s’udia il rimbombo
Dell’ acqua che cadea nell’ altro giro,
Simile a quel che l’arnie fanno rombo . ..
·
Dantes Vergleiche sind nie beschreibend oder rein darstellend. Immer verfolgen sie das konkrete Ziel, das innere Bild einer Struktur oder treibenden Kraft wiederzugeben. Nehmen wir die sehr reiche Gruppe der »Vogelvergleiche«, all die dahinziehenden Karawanen von Kranichen oder Saatkrähen, die klassische Soldatenphalanx der Schwalben oder das zu lateinischer Ordnung unfähige, anarchisch regellose Rabenvolk: Diese Gruppe entfalteter Vergleiche entspricht immer einem Pilgerinstinkt, einem Reise-, Kolonisations- und Umsiedlerinstinkt. Oder dann nehmen wir die nicht weniger reiche Gruppe der Flussvergleiche, die uns ein lebendiges Bild des Arno malen, wie et auf dem Apennin entspringt und die toskanische Ebene bewässert, oder des Po, der von den Alpen genährt in die Lombardei herabstürzt. Diese Gruppe von Vergleichen, die sich durch besondere Grosszügigkeit und das abgestufte Weitersinken von Terzine zu Terzine auszeichnet, führt stets zum Komplex der Kultur, der Heimat, des sesshaften Bürgerlebens – zum Komplex des Politischen und Nationalen, das so stark von den Wasserscheiden, von der Mächtigkeit und vom Verlauf der Flüsse bestimmt wird.
Die Kraft des Danteschen Vergleichs ist – so seltsam das erscheinen mag – direkt proportional zur Möglichkeit, ohne ihn auszukommen. Nie wird er von einer armseligen logischen Notwendigkeit diktiert. Sagen Sie mir doch bitte, welche Notwendigkeit bestanden haben soll, das seinem Ende zugehende Poem mit einem Teil der Garderobe zu vergleichen, mit einer gonna (im heutigen Sprachgebrauch ein “Rock”, im Altitalienischen eher “Umhang” oder generell “Kleid”), sich selber aber mit einem Scheider, dem plötzlich – verzeihen Sie den Ausdruck – der Stoff ausgegangen ist!
IV
Je weniger das Lesepublikum der nachfolgenden Generationen und selbst die Künstler diesem Dante noch gewachsen waren, desto mehr hüllte man ihn in ein immer grösseres Geheimnis. Der Dichter selber strebte nach klarem und exaktem Wissen. Für seine Zeitgenossen war er schwierig, anstrengend, doch dafür gab er einem als Belohnung Erkenntnis. Dann aber wurde es nur noch schlimmer. Üppig gedieh der einfaltige Kult einer Dante-Mystik, dem wie schon dem Begriff der Mystik selber jeder konkrete Inhalt abging. Der “geheimnisvolle” Dante der französischen Kupferstiche tauchte auf, der aus Kapuze und Adlernase bestand und auf irgendwelchen Felsen weiss der Teufel was trieb. Opfer dieser lüsternen Ignoranz von verzückten Adepten, die ihren Dante nicht lasen, war bei uns in Russland kein geringerer als Alexander Blok:
Der Schatten Dantes mil Adlerprofil
Vom Neuen Leben singt er mir …
Eine innere Ausleuchtung des Danteschen Raumes, die sich nur aus strukturellen Elementen herleitet, interessierte niemanden.
Nun möchte ich zeigen, wie wenig sich die ersten, noch unbelasteten Leser Dantes um sein sogenanntes »Geheimnis« kümmerten. Vor mir liegt die Photographie einer Miniatur aus einer der frühesten Dante-Abschriften von . der Mitte des 14. Jahrhunderts (Handschriftensammlung der Bibliothek von Perugia). Beatrice zeigt Dante die Dreifaltigkeit. Leuchtender Hintergrund mit Pfauenmusterung: wie ein fröhlicher bedruckter Kattunstoff. Die Dreifaltigkeit in einem Kranz von Palmzweigen: frische Gesichtsfarbe, rotwangig, kaufmännisch behäbig. Dante Alighieri als kecker junger Mann, Beatrice als lebhaftes Mädchen mit rundem Gesicht. Zwei absolut dem Alltagsleben entstammende Figuren – ein vor Gesundheit strotzendere Scholar macht einer nicht weniger blühenden Städterin den Hof.
Spengler, der Dante vorzügliche. Seiten gewidmet hat, sah ihn gleichwohl dauernd aus einer deutschen Burgopernloge heraus und wenn er »Dante« sagt, muss man immer wieder » Wagner« in einer Münchener Inszenierung verstehen.
Der rein historische Zugang zu Dante ist genauso unbefriedigend wie der politische oder der theologische. Der Dantekommentar der Zukunft gehört den Naturwissenschaften, wenn sie dafür ihr bildliches Denken genügend geschärft und entwickelt haben werden.
Mit all meinen Kräften möchte ich die abstossende Legende von Dantes angeblich trüben Farben oder seinem vielbesagten Spenglerschen Braunton widerlegen. Ich greife dafür zunächst auf das Zeugnis eines seiner Zeitgenossen zurück, eines Illuminators. Die Miniatur stammt aus derselben Sammlung in Perugia. Sie bezieht sich auf den ersten Gesang: »Ich sah die Bestie, wandte mich zurück.«
Hier die Beschreibung der Farbkomposition dieser bemerkenswerten Miniatur, die höher einzustufen ist als die bereits erwähnte und dem Text völlig adäquat ist: »
Dantes Kleidung ist leuchtend himmelblau (adzura chiara). Vergil trägt einen langen Bart, seine Haare sind grau. Seine Toga ist ebenfalls grau; sein Umhang ist rosa; die Berge sind kahl und grau.«
Wir haben hier also leuchtend azurblaue und rosa Sprenkel in einer rauchfarben grauen Natur.
Im 17. Gesang des Inferno kommt ein märchenhaftes Transportungeheuer namens Geryon vor, eine Art Hochleistungstank, noch dazu mit Flügeln. Es bietet Dante und Vergil seine Dienste an, nachdem es vonder allgewaltigen Hierarchie die Order bekommen hat die beiden Passagiere in den tiefergelegenen achten Kreis zu befördern.
Due branche avea pilose infin l’ascelle.
Lo dosso e ‘il petto ed ambedue Ie coste
Dipinte avea di nodi e di rotelle.
Con più color, sommesse e soprapposte,
Non fer mai drappo Tartari nè Turchi,
Nè fur tai tele per Aragne imposte.
(Inferno XVII, 13-18)
Es geht hier um die Farbenpracht von Geryons Haut. Sein Rücken, seine Brust und seine Flanken sind von einem bunten Ornament aus Knötchen und Schuppenplättchen bedeckt. Eine leuchtendere Farbenpracht, sagt Dante, verwenden weder die türkischen noch die tatarischen Weber für ihre Teppiche …
Die manufakturale Leuchtkraft dieses Vergleichs blendet einen, die Textilhändler-Perspektive, die sich in ihm offenbart, ist in höchstem Mass überraschend.
Thematisch ist der 17. Gesang der »Hölle« dem Wucher gewidmet und zeigt ein enges Vertrautsein mit dem Warensortiment und dem Geldumlauf. Der Wucher, der die Lücken .eines Banksystems ausfüllte, für das bereits ein dringender Bedarf bestand, war das schreiende Übel jener Zeit, doch zugleich eine Notwendigkeit, die den Warenumschlag im Mittelmeerraum erleichterte. In der Kirche wie in der Literatur wurden die Wucherer mit Schimpf und Schande überhäuft, und doch nahm man immer wieder ihre Dienste in Anspruch. Wucher betrieben selbst die vornehmsten Familien, sonderbare Bankiers, deren Basis Grundbesitz und Agrarwirtschaft war – und das brachte Dante ganz besonders auf.
Die Landschaft des siebzehnten Gesanges besteht aus glühenden Sandflächen, was Assoziationen mit arabischen Karawanenrouten wachruft. Im Sand sitzen die berühmtesten Wucherer jener Zeit: die Gianfigliacci und Ubbriachi aus Florenz und die Scrovegni aus Padua. Jedem von ihnen hängt ein Beutelchen am Hals, ein Talisman oder eine Geldbörse mit dem auf fatbigen Grund gestickten jeweiligen Familienwappen: em azurblauer Lowe auf Goldgrund beim einen, beim andern eine Gans, weisser als frischgeschlagene Butter auf blutrotem Grund, beim dritten schliesslich ein himmelblaues Schwein auf weissem Grund.
Bevor Dante den Geryon besteigt und auf ihm in den Abgrund gleitet, betrachtet er diese seltsame Ausstellung von Familienwappen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Beutelchen der Wucherer wie Farbproben präsentiert werden. Die Energie der Farbepitheta und die Art, wie sie in den Vers eingefügt sind, übertönt alle Heraldik. Die Farben werden mit einer bestimmten professionellen Schärfe bezeichnet. Mit anderen Worten: Sie werden in jenem Stadium präsentiert, wo sie sich noch auf der Palette des Künstlers befinden, in seinem Atelier. Und was sollte daran verwunderlich sein? Dante war in der Malerei zu Hause – als Freund Giottos verfolgte er aufmerksam den Kampf der Malschulen und Moden.
Credette Cimabue nella pittura …
(Purgatorio Xl, 94)
Nachdem sie die Wucherer lange genug betrachtet haben, sitzen sie bei Geryon auf. Vergil legt seinen Arm um Dantes Hals und sagt zum dienstbereiten Drachen: “So flieg hinab in weiten, gleichen `kreisen: und denke stets a deine neue Last! …(Inferno VXVII, 97-99)
Der Wunsch fliegen zu können, quälte und verzehrte die Menschen der Dante-Ära nicht weniger als die Alchemie. Es war ein Hunger nach Durchdringung des Raumes. Die Orientierung ist verloren. Nichts ist zu sehen. Vorn nur dieser Tatarenrücken, das schreckliche Seidengewand von Geryons Haut. Geschwindigkeit und Flugrichtung kann man nur nach der Luft beurteilen, die is Gesicht peitscht. ~Noch ist die Flugmachine nicht erfunden, Leonardos Entwürfe gibt es noch nicht, und doch ist das,Problem des Gleitfluges schon gelost.
Und zum Schluss bricht noch die Falkenjagd herein. Geryons Landemanöver werden mit der Rückkehr eines erfolglosen Falken verglichen, der nach vergeblichem Flug auf den Ruf des Falkners hin nur zögernd zurückkehrt und, kaum ist er gelandet, beleidigt wieder aufflattert und sich in einiger Entfernung niederlässt.
Versuchen wir nun, den siebzehnten Gesang als ein Ganzes zu erfassen, doch vom Gesichtspunkt der organischen Chemie der Danteschen Bildlichkeit aus, die mit Allegorie nichts zu tun hat. Statt einen sogenannten Inhalt nachzuerzählen, wollen wit dieses Kettenglied von Dantes Arbeit als eine ununterbrochene Umwandlung des materiell-poetischen Substrates betrachten, das seine Einheit bewahrt und danach strebt, ins Innere seiner selbst zu dringen.
Dantes bildliches Denken realisiert sich, wie in jeder wirklichen Poesie, mit Hilfe jener Eigenschaft der poetischen Materie, die ich Wandlungsfähigkeit oder Umkehrbarkeit nennen möchte. Die Entwicklung eines Bildes kann nur sehr bedingt eine Entwicklung genannt werden. In der Tat, stellen Sie sich – von der technischen Unmöglichkeit einmal absehend – ein Flugzeug vor, das in vollem Flug eine zweite Maschine konstruiert und losfliegen lässt. Auch wenn sie völlig mit dem eigenen Flug beschäftigt ist, schafft es diese Flugmaschine auf genau gleiche Weise, eine dritte hervorzubringen und losfliegen zu lassen. Zur Präzisierung meines als Versuch und Behelf gedachten Vergleichs möchte ich hinzufügen, dass das Hervorbringen und Losfliegenlassen dieser während des Fluges ausgestossenen, technisch unmöglichen neuen Maschinen nicht etwa eine Zusatz- und Nebenfunktion des fliegenden Flugzeugs darstellt, sondern unabdingbare Komponente des Fluges selber ist und dessen Realisierbarkeit und Sicherheit nicht weniger gewährleistet als die Funktionstüchtigkeit des Steuers oder das störungsfreie Arbeiten des Motors.
Gewiss kann diese Serie von Fluggeräten, die im Flug konstruiert werden und zur Wahrung einer intakten Bewegung eins aus dem andern hervorgehen, nur schwerlich eine Entwicklung nennen.
Der siebzehnte Gesang des Inferno ist eine glänzende Bestätigung für die Wandlungsfähigkeit der poetischen Materie im soeben genannten Sinne. Die Figuren dieser Wandlungsfähigkeit lassen sich etwa wie folgt umreissen: die Knötchen und Schuppenplättchen auf der bunten Tatarenhaut Geryons – die seidenen Teppichgewebe mit ihren Ornamenten, die sich auf einem mediterranen Ladentisch blähen und wulsten – die Meeres-, Handels- und Bankpiratenperspektive – der Wucher und die Rückkehr nach Florenz über die heraldischen Beutelchen mit ihren frischen, noch nie verwendeten Farben – der Wunsch, fliegen zu können, eingegeben von dem orientalischen Ornament, das den Stoff des Gesanges zum arabischen Märchen und seinen fliegenden Teppichen wendet – und schliesslich die zweite Rückkehr nach Florenz mit Hilfe des gerade wegen seiner Unnötigkeit unentbehrlichen Falken.
Noch immer nicht zufrieden mit dieser wahrhaft wunderbaren und alle Assoziationsketten der neuesten europäischen Poesie weit hinter sich lassenden Demonstration der Wandlungsfähigkeit der poetischen Materie lässt Dante wie zum Spott über den verdutzten Leser’ nachdem alles bereits abgeladen! ausgeatmet, hergegeben ist, Geryon zur Erde niedergleiten und schickt ihn grossmütig auf eine neue Reise wie einen Pfeil, der von der Sehne schnellt.

V
Dantes Entwürfe sind .selbstverständlich nicht bis zu uns gelangt. Wir haben nicht die Möglichkeit, uns mit der Geschichte seines Textes zu beschäftigen. Was aber nicht heisst dass es keine kreuz und quer überschriebenen Manuskripte gegeben hätte und der Text fertig ausgeschlüpft wäre wie Leda aus dem Ei oder Pallas Athene aus dem Kopf des Zeus. Doch die unglückliche Distanz von sechs Jahrhunderten und das an sich völlig verzeihliche Faktum nichtüberlieferter Entwürfe hat uns übel mitgespielt. Schon seit Jahrhunderten schreibt und spricht man über Dante, als hätte er sich unmittelbar auf Büttenpapier ausgedrückt!
Dantes Laboratorium? Das geht uns doch nichts an! Was sollte die einfältige Ehrfurcht damit auch anfangen? Man urteilt so, als hätte Dante schon vor Beginn der Arbeit das vollkommen fertige Ganze vor Augen gehabt und in der Moulage-Technik gearbeitet: zunächst in Gips, dann in Bronze. Bestenfalls drückt man ihm einen Meissel in die Hand und lässt ihn bildhauern oder, wie es so schön heisst, »skulpturieren«. Dabei vergisst man ein winziges Detail: der Meissel entfernt nur das Überflüssige, und der Entwurf des Bildhauers hinterlässt keine materiellen Spuren (was dem Publikum sehr gefällt). Die verschiedenen Stadien der Bildhauerarbeit entsprechen einet Serie von Textentwürfen.
Entwürfe lassen sich niemals tilgen.
In der Poesie, in der Bildhauerei und überhaupt in der Kunst fällt nichts fertig vom Himmel.
Hier steht uns die Gewöhnung an ein grammatisches Denken im Weg, unsere Gewohnheit, den Begriff»Kunst« im Nominativ zu gebrauchen. Wir ordnen den Schaffensprozess einem zielstrebigen Präpositionalkasus unter und stellen uns vor, dass ein Stehaufmännchen mit Bleikern nachdem es schön brav nach verschiedenen Seiten hin ein wenig gewackelt und allerlei Schwankungen nach dem bekannten Befragungsschema – worüber? über wen? durch wen? wodurch? – über sich hat ergehen lassen schliesslich in der buddhistischen, gymnasialen Ruhe de; Nominativs zum Stillstand kommen müsse. Die fertige Sache ist jedoch gleichermassen den abhängigen wie dem unabhängigen Kasus unterworfen. Überhaupt ist unsere ganze Syntaxlehre ein übermächtiges Relikt der Scholastik, und während sie in der Philosophie, in der Erkenntnistheorie auf den ihr zukommenden untergeordneten Platz verwiesen und in der Mathematik, die ihre eigene, autonome Syntax kennt, völlig überwunden ist, scheint sich diese scholastische Syntax in der Wissenschaft von den Künsten nicht überwinden zu lassen und verursacht stündlich einen kolossalen Schaden.
In der europäischen Poesie haben sich namentlich jene Dichter am weitesten von Dantes Methode entfernt und sind ihr, meine ich sogar, polar entgegengesetzt, die man Parnassiens nennt: Hérédia, Leconte de Lisle. Bedeutend näher ist ihr Baudelaire. Noch näher Verlaine, und am allernächsten in der ganzen französischen Poesie ist ihr Arthur Rimbaud. Dante ist seiner Natur nach der Dichter, der den Sinn des Bildes ins Wanken und dessen Ganzheitlichkeit zum Einsturz gebracht hat. Die Komposition seiner Gesänge erinnert an den Plan eines Luftverkehrsnetzes oder den unermüdlichen Umlauf der Brieftauben. Das Fortbestehen des Entwurfs entspricht also dem Gesetz der Energieerhaltung im literarischen Werk. Um ans Ziel zu kommen, hat man den Wind, der in eine leicht andere Richtung bläst, aufzufangen und zu nutzen. Genau das ist das Gesetz des Kreuzens heim Segeln.
Erinnern wir uns, dass Dante Alighieri in einer Blütezeit der Segelschifffahrt und hoher Segelkunst lebte. Wehren wir uns nicht gegen die Vorstellung, dass er Beispiele des Kreuzens und Manövrierens von Segelschiffen mit eigenen Augen hat beobachten können. Dante begegnete der damaligen
Kunst der Seefahrt mit grösster Hochachtung. Er war geradezu ein Schüler dieses geschmeidigsten und plastischsten, der Menschheit seit Urzeiten bekannten Sportes.
Ich möchte hier auf eine der Besonderheiten der Danteschen Psyche hinweisen: auf seine Angst vor direkten Antworten, die vielleicht durch die politische Situation jenes höchst gefährlichen, verworrenen und räuberischen Jahrhunderts bedingt war.
Während die ganze Divina Commedia, wie bereits gesagt, ein Frage- und Antwortbuch darstellt, muss jede direkte Aussage förmlich aus Dante herausgepresst werden, einmal mit Hilfe seiner Hebamme Vergil, ein andermal unter Mitwirkung seines Kindermädchens Beatrice etc.
Inferno, sechzehnter Gesang. Das Gespräch wird mit einer Leidenschaftlichkeit geführt, wie man sie nur im Gefängnis kennt: urn die kürzeste Zusammenkunft bis zum Äussersten zu nutzen. Drei berühmte Florentiner stellen ihm Fragen. Worüber? Über Florenz natürlich. Die Knie zittern ihnen vor Ungeduld, und sie haben Angst, die Wahrheit zu hören. Die Antwort ist lapidar und grausam: ein Schrei. Nach der verzweifelten Anstrengung, sich zurückzuhalten, zittert Dantes Kinn, und er wirft den Kopf zurück – genau das besagt die Bemerkung des Dichters:
Cosi gridai colla faccia levata.
(Inferno XVI, 76)
Manchmal vermag Dante ein Phänomen so zu beschreiben, dass von ihm so gut wie nichts übrigbleibt. Dabei verwendet er ein Verfahren, das ich die heraklitische Metapher nennen möchte: Sie unterstreicht den fliessenden Charakter des Phänomens mit solcher Kraft und überdeckt es derart mit Federstrichen der eigenen Handschrift, dass der direkten Anschauung, ist das Werk der Metapher getan, auch nicht ein Krümel übrigbleibt. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Dantes metaphorische Verfahren unsere Begriffe von Komposition weit übersteigen, denn unsere Wissenschaft von der Kunst ist eine Sklavin des syntaktischen Denkens und steht ihnen hilflos gegenüber.
Wenn ein Bäuerlein, das sich auf einen Hügel schleppt
Zu jener Jahreszeit, wo das die Welt erhellende Geschöpf
Sein Antlitz. uns schon weniger verborgen hält
Und all die Wassermücken nun den Schnaken weichen,
Den Tanz. der Glühwürmer erblickt unten im Tal,
Wo er vielleicht als Schnitte, und als Pflüger mühte
So flimmerte von Flammenzünglein jener achte Graben
Ganz überschaubar von der Höhe, die ich da bestieg;
Und wie jener, der sich rächte mit Hilfe von Bären
Und den entschwindenden Wagen des Elias schaute,
Als das Gespann der Pferde in den Himmel stürzte,
Ganz Auge war und nichts erkennen konnte
Als nur die eine, einzige Flamme,
Die schwand wie ein steigendes Wölkchen,
So füllte die zungenförmige Flamme die Spalten der Gräber,
Verheimlichte das Gut der Särge, ihre Beute,
Und in der Hülle jeden Feuers barg sich je ein Sünder.
(Inferno XXVI, 11-42)
Wenn Ihnen nicht schwindlig geworden ist von diesem wunderbaren Höhenflug, der Bachs Orgelkünsten würdig wäre, so versuchen Sie einmal festzustellen, wo hier das zweite, wo das erste Glied des Vergleichs ist, was womit verglichen wird, wo hier die Hauptsache liegt und wo die Nebensache, durch die sie erhellt werden soll. Eine impressionistische Haltung trifft man in einer ganzen Reihe von Dantes Gesängen. Ihr Ziel ist es, als ein verstreutes ABC, als ein springendes, leuchtendes, versprengtes Alphabet jene Elemente bereitzustellen, die sich nach dem Gesetz der Wandlungsfähigkeit der poetischen Materie zu sinnreichen Formeln verbinden müssen.
So sehen wir in dieser Einleitung-den wunderleichten, leuchtenden heraklitschen Tanz eines sommerlichen Mückenschwarms, der uns einstimmen soll auf die wichtige und tragische Rede Odysseus’.
Der 26. Gesang des Inferno ist von allen Kompositionen Dantes die am meisten »segelnde», die am stärksten kreuzende, die am besten manövrierende. An Wendigkeit, Ausweichvermögen, florentinischer Diplomatie und einer Art griechischer Listigkeit kommt ihr keine gleich.
In diesem Gesang lassen sich zwei Teile klar unterscheiden: die lichtvolle impressionistische Einstimmung und die harmonisch-strenge, dramatische Erzählung Odysseus über seine letzte Fahrt, sein Hinaussegeln in den Atlantischen Abgrund und seinen schrecklichen Untergang unter den Sternen einer fremden Hemisphäre.
In seinem freien Gedankenfluss kommt der hier besprochene Gesang einer Improvisation sehr nahe. Doch bei genauerem Hinhören scheint einem, als improvisiere der Sänger verhalten in seinem geliebten Griechisch und benutze das heimische italienische Idiom nur als Laut und Gewebe.
Wenn man einem Kind tausend Rubel gibt und es zwischen einem grossen Schein und dem Kleingeld wählen lässt, wird es sich natürlich für das Kleingeld entscheiden; man könnte ihm die ganze Summe abnehmen wenn man ihm nur ein paar Groschen schenkt. Genau dasselbe ist mit der europäischen Literaturkritik passiert, die Dante an ein paar Kupferstichen von Höllenlandschaften festgemacht hat. Noch niemand ist mit einem Geologenhammer an Dante herangegangen, um zur Kristallstruktur seines Gesteins vorzudringen, um dessen Einsprengsel, Trübungen, Augenfülle zu untersuchen und es als einen Bergkristall zu würdigen, der den buntesten Zufälligkeiten unterworfen war.
Unsere Wissenschaft sagt: Rück das Phänomen in einige Entfernung, dann werde ich mit ihm schon zurechtkommen und es mir aneignen. »Entferntheit« ein Ausdruck Lomonossows) und Erkennbarkeit sind für sie fast gleichbedeutend.
Bei Dante trennen sich die Bilder und nehmen immerzu Abschied voneinander. Es ist schwierig, in die Klüfte seines abschiedreichen Verses abzusteigen.
Noch haben wir uns nicht von dem toskanischen Bäuerlein losreissen können, das sich über den phosphoreszierenden Tanz der Glühwürmchen freut, noch ha ben wir das impressionistische Flimmern von Elias’ Wagen in den Augen, der sich auflöst zu einer Wolke, da wird auch schon der Scheiterhaufen des Eteokles zitiert und Penelope genannt, da verpassen wir auch schon das Trojanische Pferd, da leiht bereits Demosthenes dem Odysseus seine republikanische Beredsamkeit und – das Schiff des Altertums steht ausgerüstet da.
Das Altertum ist in Dantes Verständnis allem zuvor Panoramablick, höchste Gesamtschau, Weltumspannung. Im Odysseus-Gesang ist die Welt bereits rund.
Es ist ein Gesang über die Zusammensetzung des menschlichen Blutes, in dem das Salz des Ozeans enthalten ist. Das Prinzip der Reise liegt im System der Blutgefässe begründet. Das Blut ist planetarisch, solar, salzig …
Mit allen Windungen seines Gehirns verachtet Dantes Odysseus die Sklerose, ähnlich wie Farinata die Hölle verachtet.
“Wir sind doch nicht dazu geboren, wie sattes Vieh dahinzuleben; sollten wir die uns verbleibende Handvoll Abendgefühle nicht dem Wagnis widmen, westwärts zu segeln, über die Säulen des Herakles hinaus dorthin wo die Welt ohne Menschen weitergeht?” (Inferno XXVI, 114-120).
Der Stoffwechsel des Planeten vollzieht sich im Blut, und der Atlantik nimmt Odysseus in sich auf, verschlingt sein hölzernes Schiff.
Undenkbar, Dantes Gesänge zu lesen, ohne sie auf die Gegenwart zu beziehen. Dazu sind sie geschaffen. Sie sind Gerät zum Einfangen der Zukunft. Sie verlangen einen Kommentar im Futurum.
Die Zeit ist für Dante der Inhalt der Geschichte, die er als einen einzigen synchronistischen Akt versteht, und umgekehrt: Der Inhalt der Geschichte ist das mit seinen Gefährten, Mitsuchern, Mitentdeckern gemeinsam gehaltene Gut der Zeit.
Dante ist ein Antimodernist. Seine Gegenwart ist unerschöpflich, unermesslich, unversiegbar.
Deshalb kann die Odysseus-Rede, die gewölbt ist wie die Linse eines Brennglases, gleichermassen auf den Krieg der Griechen gegen die Perser, auf die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus, auf die kühnen Experimente des Paracelsus und auf das Weltreich Karls V. gerichtet werden.
Der Odysseus und Diomedes gewidmete 16. Gesang ist eine glänzende Einführung in die Anatomie des Danteschen Auges, das ganz natürlich nur zur Aufdeckung der Struktur der Zukunft geschaffen scheint. Dante besass das Sehvermögen eines Raubvogels, das nicht für die Orientierung im Nahbereich geschaffen ist: zu gross war sein Jagdrevier.
Auf Dante selber lassen sich die Worte des Stolzkopfs Farinata beziehen:
Noi veggiam, come quei ch’ha mala luce.
(Inferno X, 100)
Das bedeutet: wir Sünderseelen sind nur fähig, die ferne Zukunft zu sehen, denn dafür haben wir eine besondere Gabe. Wir werden absolut blind, sobald die Türen der Zukunft vor uns zuschlagen. Darin gleichen wir einem, der mit der Dämmerung kämpft und ferne Gegenstände unterscheidet, doch nicht ausmachen kann, was ganz in seiner Nähe liegt.
Das Prinzip des Tanzes kommt in der Rhythmik der Terzinen des 26. Gesanges sehr stark zum Ausdruck. Verblüffend ist hier die völlige Unbeschwertheit des Rhythmus. Die Versfüsse fügen sich einer Walzerbewegung:
E se già fosse, non sarìa per tempo.
Così foss’ ei, da che pure esser dee!
Chè più mi graverà com’ più m’ attempo.
(Inferno, XXVI, 10-12)
Für uns Anderssprachige ist es schwierig, ins letzte Geheimnis des fremden Verses einzudringen. Nicht uns steht ein Urteil zu, nicht wir haben das letzte Wort. Doch mir scheint, dass gerade hier jene fesselnde Geschmeidigkeit des Italienischen zu finden sei, die allein das Ohr eines gebürtigen Italieners voll zu erfassen vermag.
Hier will ich Marina Zwetajewa zitieren, die einmal von der »Geschmeidigkeit des Russischen« gesprochen hat.
Verfolgt man aufmerksam die Mundbewegungen eines klugen Rezitators, so scheint einem, als gebe er Taubstummen Unterricht, als spreche er mit dem Vorsatz; auch ohne Laute verstanden zu werden, indem er jeden Vokal mit pädagogischer Anschaulichkeit artikuliert. Und so genügt es, sich anzuschauen, wie der 26. Gesang klingt, urn ihn auch zu hören. Ich würde meinen, die Vokale in diesem Gesang seien unruhig, zuckend.
Der Walzer ist allem zuvor Wellentanz. Es wäre unmöglich, etwas ihm auch nur entfernt Entsprechendes in der hellenischen oder in der ägyptischen Kultur zu finden, denkbar aber wäre es in der chinesischen, und völlig normal erscheint er in der neueren europäischen Kultur ( diese Gegenüberstellung verdanke ich Spengler). Grundlage des Walzers ist die rein europäische Leidenschaft für sich wiederholende, schwingende Bewegungen, jenes Hinhören auf die Welle, das unsere ganze Schal!- und Lichttheorie durchdringt, unsere ganze Lehre von der Materie, unsere Poesie und unsere Musik.
VI

Du Poesie, beneide ruhig die Kristallographie, kau dir die Nägel vor Wut und Ohnmacht! Denn es ist allgemein· anerkannt, dass die mathematischen Kombinationen die zur Kristallbildung notwendig sind, sich nicht aus dein dreidimensionalen Raum herleiten lassen. Dir aber versagt man die elementare Achtung, die jedes Stückchen Bergkristall geniesst.
Dante und seine Zeitgenossen kannten keine geologische Zeit. Die paläontologische Uhr war ihnen noch unbekannt: die Uhr der Steinkohle, die Uhr des Fossilienkalks, die Uhr der Körnigkeit, des Feinstaubs, der Schichtenfolge. Sie drehten sich im Kreis des Kalenders, teilten den Tag in Quadranten. Dennoch passte das Mittelalter nicht recht ins Ptolemäische Weltsystem: Es war ihm nur notdürftige Hülle.
Der biblischen Genesis fügte man die aristotelische Physik bei. Die beiden Dinge waren schwerlich vereinbar und wollten nicht zusammenwachsen. Die gewaltige Sprengkraft der Schöpfungsgeschichte, die Idee einer spontanen Genesis, attackierte von allen Seiten her das winzige Inselchen der Sorbonne, und wir gehen nicht fehl, wenn wir sagen, dass Dantes Menschen in einer Archaik lebten, die ringsum von Gegenwart umspült wurde wie der Erdball von Tjutschews Ozean. Wir können uns nur schwer vorstellen, dass absolut jedem bekannte Dinge – der einfachste Schulkram, der zu jedem Elementarunterricht gehört – wie die biblische Kosmogonie samt christlichen Zusätzen von den gebildeten Leuten jener Zeit buchstäblich wie die neueste Zeitung, wie ein druckfrisches Extrablatt auf genommen wurden.
Wenn wir uns Dante unter diesem Gesichtspunkt nähern, zeigt sich, dass er an der biblischen Überlieferung weniger die heilige und blendende Seite sah, als vielmehr den Stoff, der durch heisse Reportage und leidenschaftliches Experimentieren effektvoll umgesetzt werden konnte.
Im 26. Gesang des Paradiso geht Dante sogar bis zu einem persönlichen Gespräch mit Adam: ein echtes Interview. Dabei wird er vom Evangelisten Joannes assistiert, dem Autor der Apokalypse.
Ich behaupte, dass in Dantes Umgang mit der Überlieferung bereits alle Elemente modernen Experimentierens zu finden sind, nämlich: die Schaffung spezieller Rahmenbedingungen für den Versuch, die Verwendung von Instrumenten, an deren Präzision nicht zu zweifeln ist, sowie eine Überprüfung des Resultats, die anschaulich sein muss. Die Situation des 26. Gesanges im Paradiso lässt sich als feierliches Examen unter Konzertbedingungen auf optischen Instrumenten verstehen. Musik und Optik bilden den Knoten dieses Textes.
Die Antinomie des Danteschen Versuchs liegt darin, dass er zwischen Beispiel und Experiment hin und her springt. Das Beispiel wird dem patriarchalischen Futtersack des alten Bewusstseins entnommen, um sofort wieder dort zu landen, sobald es nicht mehr gebraucht wird. Das Experiment, das aus der Summe der Erfahrung die ihm notwendigen Pakten bezieht, gibt sie nicht laut Pfandschein wieder zurück, sondern setzt sie in Umlauf.
Die Gleichnisse der Evangelien und die scholastischen Beispiele der Schulweisheit sind ein Kraut, das gegessen und vertilgt wird. Die experimentelle Wissenschaft aber entnimmt einer zusammenhängenden Wirklichkeit Fakten und bildet aus ihnen gleichsam einen Samenfundus das geschützte, unantastbare Eigentum einer noch ungeborenen Zeit, die erst entstehen muss.
Die Position des Experimentators, der mit den Fakten ein zuverlässiges Bündnis eingehen will, ist im wesentlichen schwankend, unruhig, seitwärts verschoben. Sie erinnert an die bereits erwähnte Figur des Walzers, denn nach Jeder halben Drehung der seitwärts versetzten Fussspitze kommen die Fersen des Tänzers wohl wieder zusammen, doch jedesmal auf einem anderen Parkettstück und auf qualitativ neue Weise. Der schwindelerregende Mephisto-Walzer des Experimentierens hat seinen Keim im Trecento, vielleicht aber lange zuvor schon im Prozess der poetischen Formwerdung, in der wellenartigen Prozesshaftigkeit, in der Wandlungsfähigkeit der poetischen Materie, der genauesten aller Materien, der prophetischsten und der unzähmbarsten.
Vor lauter theologischer Terminologie, Schulgrammatik und allegorischen Einfältigkeiten haben wir die Experimentaltänze der Danteschen »Komödie« übersehen. Nach dem Vorbild einer toten Wissenschaft haben wir Dante mit Würden überhäuft, wo seine Theologie doch ein Gefäss voller Dynamik war.
Für die tastende Hand, die sich auf den Hals eines erwärmten Kruges legt, bekommt dieser seine Form dadurch, dass er warm ist. Wärme geht in diesem Fall der Form voraus, gerade sie leistet die skulpturierende Funktion. Im Zustand der Kälte, gewaltsam ihrem Glühen entrissen, taugt Dantes »Komödie« nur gerade zu einer Zerlegung mittels mechanistischer Zängelchen, nicht aber zum Lesen, zur ausführenden Lektüre.
Come quando dall’ acqua o dallo specchio
Salta lo raggio all’opposita parte,
Salendo su per lo modo parecchio
A quel che scende, e tanto si diparte
Dal cader della pietra in eoual tratta
Sì come mostra esperienza ed arte …
(Purgatorio XV, 16-11)
»Wie der Sonnenstrahl, wenn er auf eine Wasserfläche oder einen Spiegel trifft, im gleichen Winkel abprallt in dem er eingefallen ist, was ihn von einem fallenden Stein unterscheidet, der senkrecht von der Erde zurückspringt – wie uns die Erfahrung zeigt und auch die Kunst…”
In dem Moment, als Dante das Bedürfnis ankam, die Daten der Überlieferung empirisch nachzuprüfen, als er zum ersten Mal Geschmack fand an dem, was ich »heilige Induktion» nennen möchte, hatte die Konzeption der Divina Commedia bereits Gestalt gewonnen, ihr Gelingen war innerlich bereits gesichert.
Das Poem ist mit seiner dichtestbelaubten Seite der Autorität zugewandt, am rauschendsten, am konzertantesten ist es gerade dort, wo das Dogma es liebkost, der Kanon, das starke, goldmundige Predigerwort. Das Problem ist, dass wir in der Autorität, genauer gesagt im Autoritarismus, nur eine Absicherung gegen Irrtümer sehen und gar kein Ohr mehr haben für jene grandiose Musik der Zutraulichkeit und des Vertrauens, für jene feinsten, alpinen Regenbogen-Nuancen der Glaubhaftigkeit und der Glaubensfestigkeit, über die Dante verfügt.
Col quale il fantolin corre alla mamma –
(Purgitorio XXX, 44)
so schmiegt sich Dante an die Autorität.
Eine Reihe von Gesängen des Paradiso zeigt eine Examenshülle, die harte Einkapselung in ein Examen. An einigen Stellen hört man sogar deutlich den Bass des Examinators und das zitternde Stimmchen des Baccalaureus. Die Einsprengsel von Groteske und Genrebild (»Das Examen des Baccalaureus«) sind notwendige Bestandteile der hochfliegenden und konzertanten Kompositionen des dritten Teils. Eine erste kleine Probe davon finden wir bereits im zweiten Gesang des »Paradieses« (Beatrices Disput über den Ursprung der Mondflecken).
Um die Natur von Dantes Umgang mit den Autoritäten wirklich zu begreifen, d. h. die Form und Methode seiner Erkenntnis, sollten wir die Konzertsituation der Scholarengesänge der “Komödie” berücksichtigen, aber auch die Vorbereitung der Organe zu ihrer Wahrnehmung . Ich will mich nicht weiter bei der höchst erstaundlichen Inszenierung des Experiments mit der Kerze und den drei Spiegeln aufhalten, wo bewiesen wird, dass der Rückweg des Lichts seinen Ursprung in der Brechung des Lichtstrahls hat, doch muss ich unbedingt die Vorbereitung des Auges aug die Apperzeption neuer Gegenstände erwähnen
Diese Vorbereitung gerät zu einer richtigen Anatomielektion: Dante ahnt den Schichtenaufbau der Netzhaut: di gonna in gonna …
Die Musik ist hier kern zufällig anwesender Gast, sondern Teilnehmerin am Disput. Genauer gesagt, fördert sie den Stoffwechsel der Meinungen, reguliert ihn, begünstigt die syllogistische Verdauung, breitet die Prämissen aus und verdichtet die Schlussfolgerungen. Ihre Rolle ist eine absorbierende und auflösende, sie spielt eine geradezu chemische Rolle.
Wenn man Dante mit Schwung und voller Überzeugung liest, wenn man voll und ganz ins Wirkungsfeld der poetischen Materie einzieht, sich selber Verbindungsglied werden lässt und seine eigenen Intonationen in Einklang bringt mit den Zurufen der Orchester- und Themengruppen, die fortwährend an der auf gewühlten und bewegten Oberfläche des Sinns zum Vorschein kommen; wenn man beginnt, in dem rauchfarbenen Kristall des Formklangs die tiefen Einsprengsel zu entdecken, die Beiklänge und Nebengedanken, die ihm nicht von einer poetischen, sondern von einer geologischen Intelligenz zubestimmt wurden, dann geht die rein stimmliche, intonierende und rhythmische Arbeit über in ein weit mächtigeres, koordinierendes Tun, nämlich ins Dirigieren, und über dem stimmführenden Raum tritt, aus der Stimme hervorgetrieben wie eine mathematisch komplexere Dimension aus der Dreidimensionalität, die ihn teilende Hegemonie des Dirigentenstabes in Kraft.
Was kommt zuerst: Hören oder Dirigieren? Wenn das . Dirigieren nur ein leichtes Anschieben einer ohnehin fliessenden Musik ist, wenn das Orchester schon an sich gut ist und tadellos zusammenspielt, wozu ist es dann da, das Dirigieren? Das Orchester ohne Dirigent, ein lange gehegter Traum, gehört zur selben Sorte abgeschmackter gesamteuropäischer »Ideale« wie die Weltsprache Esperanto, die das linguïstische Zusammenspiel der ganzen Menschheit symbolisieren soll.
Schauen wir nach, wann der Dirigentenstab in Erscheinung trat, so sehen wir, dass er nicht spät und nicht früh, sondern genau dann aufkam, als er aufkommen musste: Als ein neues, eigenständiges Tun schuf er sich in der Luft seine neue Oberhoheit. Hören wir, wie der moderne Dirigentenstab aus dem Orchester geboren wurde, oder genauer: ausschlüpfte.
1732: Der Takt (Tempo oder Schlagmass) wurde früher mit dem Fuss geschlagen, jetzt gewöhnlich mit der Hand. Der Dirigent ist der conducteur, der Anführer (Walther, »Musicalisches Lexicon«).
1753: Baron Grimm nennt den Dirigenten der Pariser Oper einen “Holzhacker” aufgrund der Gewohnheit, den Takt für alle hörbar laut zu schlagen, die seit Lullys Zeiten in der französischen Oper vorherrschend war (Schünemann, »Geschichte des Dirigierens«, 1913).
1810: Auf dem Frankenhausener Musikfest dirigierte Spohr mit einem Stöckchen aus zusammengerolltem Papier, »ohne das geringste Geräusch und ohne alle Grimassen« (Spohr, »Autobiographie«).
Der Dirigentenstab kam mit einiger Verspätung zur Welt: das chemisch reaktive Orchester war ihm zuvorgekommen. Die Nützlichkeit des Dirigentenstabes ist keineswegs der ausschließliche Grund für seine Entstehung. Im Tanz des Dirigenten, der dem Publikum den Rücken zukehrt, findet die chemische Natur der Orchesterklänge ihren Ausdruck. Und dieser Stab ist gewiss kein äusserliches administratives Zubehör oder eine Art symphonische Polizei die in einem idealen Staat wegfallen könnte. Er ist eine tanzende chemische Formel, welche die für das Gehör wahrnehmbaren Reaktionen integriert. Ebenso bitte ich darum, ihn nicht als zusätzliches, stummes Instrument aufzufassen, das zu grösserer Anschaulichkeit und höherem Genuss erfunden worden wäre. In gewissem Sinne enthält dieses unanfechtbare Stöckchen qualitativ alle Elemente des Orchesters. Aber wie? Es riecht nicht nach ihnen und kann auch nicht nach ihnen riechen. Es riecht genausowenig, wie die chemische Formel für Chlor nach Chlor riecht, wie die Formel für Salmiak oder Ammoniak nach Ammoniak oder Salmiak riecht.
Ich habe Dante nicht deshalb zum Thema dieses Gesprächs gewählt, um ihn im Sinne eines »Lernen wir bei den Klassikern« als geeignetes Objekt anzubieten und ihn mit Shakespeare und Lew Tolstoj an eine bizarre Kirpotinsche Table d’hôte zu setzen, sondern deshalb weil er der grösste und unbestreitbare Meister der umkehrbaren und fortwährend sich wandelnden poetischen Materie ist, der früheste und zugleich kraftvollste chemische Dirigent einer einzig in Fluten und Wellen, einzig im Aufschwung und im Kreuzen existierenden poetischen Komposition.

VII
Dantes Gesänge sind Partituren eines besonderen chemischen Orchesters. Für das äussere Ohr am deutlichsten vernehmbar sind in ihnen die Vergleiche, die mit Ausbrüchen gleichzusetzen sind, und die Solopartien, d. h. Arien und Ariosos: eigentümliche Selbstbekenntnisse, Selbstgeisselungen oder Autobiographien, einmal kurz und auf einer Handfläche unterzubringen, lapidar wie eine Grabinschrift, dann wieder ausgedehnt wie eine von einer mittelalterlichen Universität ausgestellte Belobigungsurkunde, oder stark entwickelt, gegliedert und eine dramatische Opernreife erreichend wie die berühmte Kantilene Francescas.
Der 33. Gesang des Inferno, in dem Ugolino erzählt, wie Ruggieri, der Erzbischof van Pisa, ihn zusammen mit seinen drei Söhnen im Gefängnisturm verhungern liess, ist in die Klangfarbe eines Violoncello gehüllt, die dickflüssig und schwer ist wie. bitter gewordener, vergifteter Honig.
Die dickflüssige Klangfarbe des Violoncello ist zur Wiedergabe des Wartens und quälender Ungeduld wie keine andere geeignet. Keine Kraft der Welt könnte die Bewegung des aus dem geneigten Glas fliessenden Honigs beschleunigen. Deshalb kam das Violoncello erst dann zu seiner Gestalt und Klangweise, als in Europa die Analyse der Zeit genügend fortgeschritten war, als die gedankenlosen Sonnenuhren überwunden waren und der bisherige Beobachter des Schattenstäbchens, das sich den römischen Ziffern im Sand entlangbewegte, sich zum leidenschaftlichen Teilhaber an der Differentialpassion, zum Märtyrer der unendlich-kleinen Grössen verwandelt hatte. Das Violoncello verhält den Ton, auch wenn es sich noch so beeilt. Fragen Sie Brahms, der weiss das. Fragen Sie Dante, der hat das gehört.
Ugolinos Erzählung ist eine der bemerkenswertesten Danteschen Arien, einer jener Fälle, wo ein Mensch die einmalige nie wiederkehrende Möglichkeit erhält , enlich angehört zu werden, und sich vor den Augen des Zuhörers völlig verwandelt, wie ein Virtuose auf seine Unglück spielt und seinem Elend ein nie gehörtes und ihm selber unbekanntes Timbre entlockt.
Man sollte sich strikte daran·erinnern, dass die Klangfarbe ein Strukturprinzip ist, ähnlich der Alkalität oder dem Säuregehalt einer chemischen Verbindung. Nicht der Glaskolben ist der Raum, in dem die chemische Reaktion sich vollzieht. Das wäre zu einfach.
Die Violoncellostimme des im Gefängnis bärtig gewordenen, hungernden Ugolino, der mit seinen Söhnen eingesperrt ist, seinen Nestlingen, von denen der eine den markant violinenhaften Namen Anselmuccio trägt, fliesst aus einer engen Spalte hervor –
Breve pertugio dentro dalla muda,
(Inferno XXXIII, 22)
und reift im Resonanzraum des Gefängnisses: Hier wird das Violoncello allen Ernstes dem Gefängnis zum Bruder gemacht. Il carcere – das Gefängnis – ergänzt die Sprecharbeit des autobiographischen Violoncello und bedingt sie akustisch.
Im Unterbewusstsein des italienischen Volkes spielte das Gefängnis eine gewichtige Rolle. Gefängnisalbträume wurden mit der Muttermilch eingesogen. Das Trecento warf die Menschen mit erstaunlicher Unbekümmertheit in den Kerker. Die gewöhnlichsten Gefängnisse standen der Besichtigung offen wie die Kirchen oder unsere Museen. Das Interesse am Gefängnis wurde sowohl von den Gefängniswärtern als auch vom Einschüchterungsapparat der kleinen Staaten ausgenutzt. Zwischen dem Gefängnis und der freien Aussenwelt herrschte lebhafter Austausch, eine· Art Diffusion, gegenseitige Durchdringung.
Und da ist nun Ugolinos Geschichte, eine jener herumgeisternden Anekdoten, ein kleiner Albtraum, mit dem Mütter ihren Kindern Angst einjagen, einer Jener angenehmen Schrecken, die man als Medizin gegen die Schlaflosigkeit mit Wohlbehagen vor sich hinmurmelt, wenn man sich im Bett von einer Seite auf die andere wälzt. Sie ist bekannt wie eine Ballade, wie Bürgers Lenore, wie die Loreley oder der Erlkönig.
In dieser Hinsicht gleicht sie dem Glaskolben, der simpel und verständlich ist, unabhängig von der Qualität des in ihm ablaufenden chemischen Prozesses.
Doch das Violoncello-Largo, das uns Dante in Ugolinos Namen darbringt, hat seinen eigenen Raum und seine eigene Struktur,’die sich·über die Klangfarbe offenbaren., Der Balladenglaskolben mit seiner Allbekanntheit ist in Scherben gegangen. Jetzt beginnt die Chemie mit ihrem architektonischen Drama.
I’ non so chi se’, nè per che modo
Venuto se’ quaggiù,· ma Fiorentino
Mi sembri veramente quand’ io t’odo.
Tu dei saper ch’io fui Conte Ugolino …
(Inferno XXXIII, 10-13)
» …Ich weiss nicht, wer du bist und wie du hierher gekommen bist, doch Florentiner scheinst du wirklich mir, wenn ich dich sprechen höre. Du musst wissen, dass ich Graf Ugolino war … «
»Du musst wissen« – tu dei saper – ist der erste Cellostrich, erstes Hervorbrechen des Themas.
Zweiter Cellostrich: Wenn du jetzt nicht weinen musst dann weiss ich nicht, .was überhaupt dich weinen machen könnte …. Da tun sich wahrhaft grenzenlose Horizonte des Mitleids auf. Mehr noch: der Mitleidende wird zum neuen Partner, schon dringt aus der fernen Zukunft seine vibrierende Stimme bis hierher.
Ich weiss nicht, wer du bist und wie du hierher gekommen bist, doch Florentiner scheinst du wirklich mir, wenn ich dich sprechen höre. Du musst wissen, dass ich Graf Ugolino war … « »Du musst wissen« – tu dei saper – ist Nicht zufällig habe ich von der Ballade gesprochen. In ihrer Chemie ist Ugolinos Erzählung eine echte Ballad auch wenn sie in eine Gefängnisretorte eingeschlossen ist. Hier die Elemente der Ballade: das Gespräch des Vaters mit seinen Söhnen (erinnern Sie sich an en »Erlkönig«); der Wettlauf mit einer ausser Kontrolle geratenden Geschwindigkeit, d. h., um die Parallele mit dem »Erlkönig« fortzuführen, auf der einen Seite der rasende Ritt mit dem zitternden Sohn in den Armen, auf der andern Seite die Gefängnissituation, das Abzählen der herabtropfenden Takte, die den Vater mit seinen drei Kindern der mathematisch denkbaren, dem väterlichen Bewusstsein jedoch unmöglich scheinenden Schwelle des Hungertodes näherbringen. Derselbe galoppierende Rhythmus erscheint hier in verhüllter Form, im dumpfen Aufheulen des Violoncello, das mit aller Kraft versucht, der Situation zu entfliehen und so das Klangbild eines noch grausameren, langsamen Wettlaufs liefert, indem es die Geschwindigkeit in die feinsten Fasern zerlegt.
Ähnlich wie das Violoncello irregeworden mit sich selber spricht und Fragen wie Antworten aus sich selber hervorpresst, drängen sich in Ugolinos Erzählung schliesslich die anrührenden und hilflosen Repliken der Söhne:
…ed Anselmuccio mio
Disse: ”Tu guardi sì, padre: che hai?
(Inferno XXXIII, 50-51)
» … Und mein Anselmuccio sagte: >Vater, was schaust du so? Was hast du?«
Die dramatische Struktur der Erzählung hat also ihren Ursprung in der Klangfarbe, und diese Klangfarbe wird nicht etwa nachträglich für sie ausgesucht und ihr wie einem Schuhleisten übergespannt.
VIII
Mir scheint, Dante habe aufmerksam alle Sprachdefekte studiert, den Stotterern gelauscht, den Lisplern, den Näselnden, allen Aussprachefehlern, und habe viel von ihnen gelernt.
Diesen Eindruck erweckt das Lautkolorit des 32. Gesanges im Inferno.
Eine eigentümliche Lippenmusik: abbo – gabbo – babbo Tebe – plebe – zebe – converrebbe. Als sei an der Erschaffung der Phonetik ein Kindermädchen beteiligt. Einmal wer.., den die Lippen nach Kinderart vorgewölbt, dann wieder verlängern sie sich zu einem Rüsselchen.
Die Labiale bilden gleichsam den »bezifferten Bass«, den basso continuo, d. h. die Akkordgrundlage einer Harmonisierung. Ihnen schliessen sich schnalzende, saugende, pfeifende, aber auch klirrende und summende Dentale an.
Ich ziehe willkürlich einen dieser Fäden heraus: cagnazzi – riprezzo – guazzi – mezzo – gravezza.
Zupfen, Schnalzen und labiale Explosionen brechen auch nicht eine Sekunde ab.
In den Gesang ist ein kleiner Wortschatz eingesprengt, den ich als Sortiment von Seminarzöglingshetze oder blutdürstigen Schülersticheleien bezeichnen würde: cuticagna (Genickhaar); dischiomi (du rupfst Haarbüschel aus); sonar con Ie mascelle ( das Maul aufreissen, krakeelen); pigliare a gabbo (prahlen, aufschneiden). Mit dieser absichtlich schamlosen, bewusst infantilen Orchestrierung züchtet Dante die Kristalle für die lautliche Landschaft der Giudecca (der Kreis des Judas) und der Kaina (der Kreis Kains).
Non fece al corso suo sì grosso velo
D’inverno la Danoia in Osterlic,
Nè Tanai là sotto il freddo cielo,
Com’era quivi, chè, se Tambernic
Vi fosse su caduto, o Pietrapana,
Non avria pur dall’orlo fatto cric.
(lnferno XXXII, 25-30)
Plötzlich quakt da mir nichts, dir nichts eine slawische Ente: Osterlic Tambernic, cric (das lautmalerische Wörtchen “krach!”).
Das Eis verursacht eine phonetische Explosion und zerfällt in die Namen Donau und Don. Die Kältetendenz des 32. Gesanges rührt vom Eindringen der Physik in eine moralische Idee her: Verrat, gefrorenes Gewissen, die Ataraxie der Schande, der absolute Nullpunkt,
Der zweiunddreissigste Gesang ist seinem Tempo nach ein modernes Scherzo. Doch was für eins? Ein anatomisches Scherzo, das die Degeneration des Sprechens an lautmalerischem, infantilem Material untersucht. Hier eröffnet sich ein neuer Zusammenhang: Essen und Sprechen. Die Schandrede tritt den Rückweg an, kehrt zurück ins Schmatzen, Beissen, Glucksen, Käuen. Essen und Sprechen zeigen beinahe dieselbe Artikulation. Da entsteht eine seltsame Heuschreckphonetik:
Mettendo i denti in nota di cicogna
(Inferno XXXII, 36)
»Mit den Zähnen arbeitend in der Art der Heupferdkiefer.«
Zum Schluss ist noch anzumerken dass dieser 32. Gesang voll ist von anatomischer Lustbegierde.
“Jener berühmte Stoss, der die Ganzheit des Körpers zerstörte und zugleich seinen Schatten zerfetzte … « (Inferno XXXII, 61-62). Ebenda mit einem geradezu chirurgischen Vergnügen: » Der, dem Florenz die Halswirbel durchschlug … «
Di cui segò Fiorenza la gorgiera …
(Inferno XXXII, 120)
Und weiter: »Gierig wie ein Hungernder aufs Brot sich stürzt, warf sich der eine auf den andern, grub seine Zähne ganz genau in jene Stelle, wo der Hinterkopf in den Nakken übergeht … « –
Là’ve il cervel s’aggiunge con la nuca …
(Inferno XXXII, 129)
All das tänzelt her wie ein Dürersches Skelett mit seinen Scharniergelenken und führt hin zur deutschen Anatomie.
Denn ein bisschen ist der Mörder auch Anatom.
Denn für das Mittelalter war der Henker ein klein wenig auch wissenschaftlicher Arbeiter.
Kriegskunst und Hinrichtungskunst sind der Vorraum zum anatomischen Theater.

IX .
Das Inferno ist ein pfandleihhaus, in dem alle Dante bekannten Länder und
Städte unauslösbar hinterlegt sind. Die gewaltige Konstruktion der Höllenkreise besitzt ein Gerippe. Sie lässt sich nicht in Gestalt eines Trichters wiedergeben. Sie lässt sich nicht auf einer Reliefkarte darstellen. Die Hölle hängt auf dem Eisendraht des Egoismus der Städte.
Es wäre falsch, das lnferno als etwas Räumliches zu denken als eine Vereinigung riesiger Zirkusse, heisser Sandwüsten, stinkender Sümpfe, babylonischer Metropolen und rotglühender Moscheen. Die Hölle hat keinen Inhalt und keinen Umfang: genau wie eine Epidemie, eine Seuche oder die Pest – wie jede Seuche breitet sie sich aus, ohne im eigentlichen Sinne räumlich zu sein.
Stadtliebe, Stadtleidenschaft, Hass auf die Stadt – das ist die Materie des Inferno. Die Höllenkreise sind nichts anderes als die Saturnringe des Exils. Dem Verbannten ist seine einzige, verbotene und unwiederbringlich verlorene Stadt ein Überall – er ist von ihr eingekreist. Ich möchte damit sagen, dass das Inferno eingekreist ist von Florenz. Die italienischen Städte bei Dante – Pisa, Florenz, Lucca, Verona, diese lieben Planeten ihrer Bürger – sind zu ungeheuren Ringen ausgedehnt, zu Gürteln geweitet, in einen nebelhaften, gasförmigen Zustand zurückversetzt.
Der Anti-Landschaftscharakter des Inferno ist gleichsam Bedingung für seine Anschaulichkeit.
Stellen Sie sich vor, das grandiose Experiment Foucaults würde nicht mit einem, sondern mit vielen Pendeln durchgeführt, die ineinander schwingen. Hier existiert der Raum nur als Futteral für die Amplituden. Dantes Bilder genauer zu fassen, ist ebenso undenkbar, wie die familiennamen all derer aufzuzählen, die an der Völkerwanderung teilgenommen haben.
»Wie die Flamen zwischen Zuidzande und Brügge aus Furcht vor der peitschenden Meeresflut Deiche errichten, das Meer zurücklaufe; und wie die Bürger von Padua entlang dem Ufer der Brenta Dämme aufschütten aus Sorge um die Sicherheit ihrer Städte und Schlösser und in Voraussicht des Frühlings, der den Schnee der Chiarentana (ein Teil der Schneealpen) zum Schmelzen bringt – so waren auch diese nicht ganz so monumentalen Dämme, wer immer auch ihr Ingenieur gewesen war … «
(Inferno XV, 4-12).
Hier schwingen die Monde des vielteiligen Pendels von Brügge bis nach Padua, halten eine Vorlesung in europäischer Geographie, einen Vortrag über Ingenieurskunst, über die technische Sicherung der Städte, über die Organisation öffentlicher Arbeiten und über die staatsweite Bedeutung der alpinen Wasserscheide für Italien.
Wir, die wir vor einet einzigen Verszeile auf den Knien kriechen, was haben ·wir von diesem Reichtum bewahrt? Wo sind seine Erben, wo seine Verfechter? Was sollen wir anfangen mit unserer Poesie, die so schändlich hinter der Wissenschaft zurückbleibt?
Schrecklich zu denken, dass die blendenden Explosionen der modernen Physik und Kinetik schon 600 Jahre vor ihrem Erdonnern genutzt wurden, und kein Wort ist scharf genug, die beschämende, barbarische Gleichgültigkeit anzuprangern, die die jämmerlichen Setzer eines vorgefertigten Sinns ihnen gegenüber an den Tag legen.
Poetische Sprache erschafft ihre Instrumente im Gehen und im Gehen vernichtet sie sie auch.
Von all unseren Künsten ist einzig die Malerei, besonders die neuere französische, noch imstande Dante zu hören. Eine Malerei, die die Körper der Pferde in die Länge dehnt, wenn sie sich auf der Rennbahn der Ziellinie nähern.
Jedesmal, wenn eine Metapher die pflanzlichen Farben des Seins zum artikulierten Ausbruch steigert, erinnere ich mich dankbar an Dante.
Wir beschreiben immer gerade das, was nicht beschrieben werden kann, nämlich den zum Stillstand gebrachten Text der Natur, und haben verlernt, das einzige zu beschreiben, was seiner Struktur nach sich der poetisch Darstellung fügt, nämlich Ausbrüche, Intentionen, Schwingungen.
Ptolemäus ist durch die Hintertür zurückgekommen! Giordano Bruno hat man ganz umsonst verbrannt!
Unsere Schöpfungen sind bereits im Mutterleib allen und jedem bekannt, doch Dantes vielgliedrige, unter vielen Segeln segelnde und kinetisch aufglühende Vergleiche haben bis heute den Reiz des noch nie Gesagten bewahrt.
Verblüffend ist seine »Reflexologie des Sprechens«, eine ganze, bis heute nicht verwirklichte Wissenschaft von der spontanen psycho-physiologischen Einwirkung des Wortes auf die Gesprächspartner, auf die Zuhörer und auf den Sprechenden selber, auch gewisse Mittel, den Drang zu sprechen wiederzugeben, etwa den plötzlichen Wunsch, sich zu äussern, mit einem Lichtzeichen zu signalisieren.
Hier kommt er der Wellentheorie von Schall und Licht sehr nahe, hier determiniert er ihre Verwandtschaft.
»So wie ein Tier unter einer Pferdedecke sich erregt und gereizt bewegt, und nur die sich rührenden Falten des Stoffes seine Unzufriedenheit verraten, so bezeigte mir die erstgeschaffene Seele (Adam) durch die Hülle (des Lichts), wie gern, mit wieviel Freude sie auf meine Frage Antwort geben wolle …” (Paradiso XXVI, 97-102).
Im dritten Teil der »Komödie«, dem Paradiso, sehe ich ein wahres kinetisches Ballett. Hier finden sich alle Arten von Lichtfiguren und Tänzen, bis hin zu den stampfenden Absätzen eines Hochzeitstanzes.
» Vor mir brannten vier Fackeln, und die mir am nächsten war, lebte plötzlich auf und färbte sich rosarot, als hätten Jupiter und Mars sich in Vögel verwandelt und würden unter sich die Federn tauschen« (Paradiso XXVII, 10-15).
Ist das nicht seltsam: Ein Mensch, der zum Sprechen ansetzt rüstet sich mit einem straff gespannten Bogen, legt einen Vorrat gefiederter Pfeile bereit, richtet Spiegel und gewölbte Linsengläser ein und blinzelt nach den Sternen wie ein Schneider, der einen Faden ins Nadelöhr einfädeln will . . .
Dieses Sammelzitat, das verschiedene Stellen der »Komödie« vereinigt, habe ich mir ausgedacht, um die sprechvorbereitenden Schritte von Dantes Poesie möglichst genau zu charakterisieren.
Die Vorbereitung des Sprechens ist noch mehr seine Sache als die Artikulation, das Sprechen selber.
Erinnern Sie sich an die wundervolle Bitte, die Vergil an den listigsten aller Griechen richtet.
Sie wird ganz und gar gewiegt von der Weichheit italienischer Diphtonge.
Es sind die sich windenden, schmeichelnden und stotternden Zünglein ungeschützter Öllämpchen, die den durchtränkten Docht umbrabbeln …
O voi, che siete due dentro ad un foco,
S’io meritai di voi, mentre ch’io vissi,
S’io meritai di voi assai o poco . . .
(Inferno XXVI, 79-81}
Dante bestimmt Herkunft, Schicksal und Charakter eines Menschen nach der Stimme, wie die Medizin seiner Zeit den Gesundheitszustand nach der Farbe des Urins beurteilte.
X
Er ist durchdrungen vom Gefühl unsagbarer Dankbarkeit für den blendenden Reichtum, der ihm in die Hände fällt. Seine Sorge ist nicht eben klein: Er muss Raum schaffen für das Anströmende, das erstarrte Sehen vom Star befreien, sich darum bekümmern, dass die grosszügig hervorströmende poetische Materie nicht zwischen den Fingern zerrinnt, nicht ein leeres Sieb hinterlässt.
Tutti dicean: “Benedictus qui venis!”
E fior gittando di sopra e dintorno:
“Manibus o date lilia plenis!”
(Purgatorio XXX, 19•11)
Das Geheimnis seines Fassungsvermögens liegt darin, dass er nicht ein einziges Wörtchen von sich aus dazutut. Alles mögliche treibt ihn an, nur nicht das Erfundene, nicht der Erfindergeist. Dante und die Phantasie – das ist doch unvereinbar! Schämt euch, ihr französischen Romantiker, ihr unglücklichen Incroyables mit euren roten Westen, die ihr Alighieri verleumdet habt! Was für eine Phantasie hat er denn? Er schreibt nach Diktat, er ist Kopist, ein Übersetzer. Sein Rücken ist krumm geworden in der Haltung des Schreibers, der erschrocken auf das illuminierte Original schielt, das ihm aus der Bibliothek des Priors ausgeliehen wurde.
Ich vergass vielleicht zu sagen, dass die “Komödie” gleichsam in einer hypnotischen Séance entstanden ist. Das ist die Wahrheit, wenn auch vielleicht etwas zu grell formuliert. Betrachtet man dieses erstaunliche Werk unter dem Gesichtspunkt der Schriftkultur unter dem Gesichtspunkt einer eigenständigen Schreibkunst, die um das Jahr 1300 der Malerei und der Musik völlig gleichberechtigt gegenüberstand und zu den meistgeachteten Berufen gehörte, so fügt sich den bereits vorgeschlagenen Analogien eine weitere hinzu: das Schreiben nach Diktat, das Abschreiben, das Kopieren.
Manchmal, sehr selten, zeigt er uns sein Schreibgerät. Die Feder heisst penna, hat also Anteil am Vogelflug. Tinte heisst inchiostro, zeigt ihre Zugehörigkeit zum klösterlichen Leben. Verse heissen ebenfalls inchiostri, oder sie werden mit dem lateinischen Schulausdruck versi genannt, oder – noch bescheidener – carte, was eine erstaunliche Vertauschung von Versen und beschriebenen Seiten darstellt.
Wenn alles niedergeschrieben und fertig ist, so wird noch lange kein Punkt gesetzt: Man muss es irgendwo hintragen, irgendwem zeigen, damit es geprüft und gelobt werde.
Abschreiben ist gar kein Ausdruck: Hier geht es um eine Reinschrift nach dem Diktat der grausamsten und ungeduldigsten Diktierer. Der Diktierer und Anordner ist weit wichtiger als der sogenannte Dichter.
. . . Jetzt bemühe ich mich noch ein wenig, dann muss das tränengenetzte Heft des bärtigen Schülers der strengen Beatrice vorgelegt werden, die nicht nur in Ruhm, sondern auch in Gelehrsamkeit erstrahlt.
Lange vor Rimbauds Farbenalphabet hatte Dante die Farbe mit dem Vollaut artikulierter Sprache verknüpft. Doch er ist ein Färber, ein Textilarbeiter. Sein ABC ist ein Alphabet sich bauschender, mit bunten Pulvern, pflanzlichen Farben gefärbter Gewebe:
Sopra candido vel cinta d’oliva
Donna m’apparve, sotto verde manto,
Vestita di color di fiamma viva.
(Purgatorio XXX, 31-33)
Sein Drang zu Farben ist eher textil- als alphabetbezogen. Farbe offenbart sich ihm erst im Gewebe. Das Textil ist bei Dante höchste Intensität materieller Natur als einer·Substanz, die durch ihre Farblichkeit definiert ist. Webkunst ist das Tun, das dem Qualitativen, der Qualität am nächsten steht.
Nun will ich versuchen, einen der zahllosen Dirigierflüge. von Dantes Dirigentenstab zu beschreiben. Wir betrachten diesen Flug in seiner Einfügung in den realen Rahmen einer kostharen und auf den Augenblick bezogenen Arbeit.
Beginnen wir beim Schreiben selber. Die Feder zeichnet kalligraphische Buchstaben, malt Eigennamen und Gattungsnamen. Die Feder ist ein Teilchen des Vogelkörpers. Dante, der nie die Herkunft der Dinge vergisst, erinnert sich natürlich daran. Die Technik des Schreibens mit ihren Strichen und Bögen geht über in den Figurenflug von Vogelschwärmen:
E come augelli surti di rivera
Quasi congratuiando a lor pasture,
Fanno di sè or tonda or altra schiera;
Sì dentro ai lumi sante creature
Volitando cantavano, e faciensi
Or D, or I, or L, in sue figure.
(Paradiso XVIII, 73-78)
Wie die Buchstaben unter der Hand eines Schreibers, der dem Diktierer gehorcht und die Literatur nicht als ein fertiges Produkt erlebt, vom Lockmittel des Sinns angelockt werden wie von einer herrlichen Speise, genauso picken die Vögel, magnetisiert vom grünen Gras, bald einzeln, bald gemeinsam, was ihnen vor die Schnäbel kommt, entfalten sich einmal zu einem Kreis, ziehen dann wieder in einer Linie dahin . . .
Schreiben und Sprechen sind nicht vergleichbar. Buchstaben entsprechen den Intervallen. Die alte italienische Grammatik ist genau wie unsere russische ein erregter Vogelschwarm, eine bunte toskanische schiera, die florentinische Menschenschar, die Gesetze wie Handschuhe wechselt und gegen Abend schon vergisst, was sie am Morgen zum Allgemeinwohl erlassen hat.
Es gibt keine Syntax: Es gibt nur den magnetisierten Ausbruch, die Sehnsucht nach dem Schiffsheck, die Sehnsucht nach der Würmerspeise, die Sehnsucht nach dem noch nicht erlassenen Gesetz, die Sehnsucht nach Florenz.

XI
Kommen wir noch einmal zur Frage der Danteschen Farbgebung zurück .
Das Innere des Berggesteins, der in ihm verborgene Aladinsche Raum, das Laternenhafte, Lampenhafte lüsterhaft Hängende der in ihm angelegten Fischkammern ist der allerbeste Schlüssel zur Farbgebung der »Komödie«.
Eine Mineraliensammlung ist der herrlichste organische Kommentar zu Dante.
Ich erlaube mir ein kleines autobiographisches Bekenntnis. Die von der Flut angespülten Steinchen des Schwarzen Meeres haben mir nicht wenig geholfen, als die Konzeption dieses Gesprächs heranreifte. Ich habe mich freimütig mit den Chalzedonen, den Karneolen, den kristallinen Gipsen, den Spaten, den Quarzen usw. beraten. Da wurde mir plötzlich klar, dass der Stein gleichsam ein Tagebuch des Wetters ist, meteorologische Verdichtung. Der Stein ist nichts anderes als das aus dem atmosphärischen in einen funktionalen Raum übergeführte Wetter selber. Um das zu verstehen, muss man sich vorstellen, dass alle geologischen Veränderungen und selbst die grossen Schübe vollkommen in Elemente des Wetters zerlegbar sind. In diesem Sinne ist die Meteorologie ursprünglicher als die Mineralogie, sie umfasst sie, umspült sie, bestimmt ihr Alter und verleiht ihr einen Sinn.
Die wunderbaren Seiten, die Novalis dem Bergmannsund Steigerwesen widmet, konkretisieren die Wechselbeziehung von Stein und Kultur, lassen die Kultur wie eine Gesteinsschicht anwachsen, leuchten sie aus mit dem Licht steingewordenen Wetters.
Der Stein ist das impressionistische Tagebuch des Wetters, angesammelt in Millionen unruhigster Jahre. Doch er ist nicht nur Vergangenheit, er ist auch Zukunft: In ihm birgt sich Periodizität. Er ist Aladins Wunderlampe, die das geologische Halbdunkel künftiger Zeiten durchdringt.
Das Unvereinbare vereinend, veränderte Dante die Struktur der Zeit, und vielleicht auch umgekehrt: Er war gerade deshalb gezwungen, den Weg der Glossolalie der Fakten, den Weg des Synchronismus durch Jahrhunderte getrennter Ereignisse, Namen und Überlieferungen zu beschreiten, weil er die Obertöne der Zeit hörte.
Die von Dante gewählte Methode ist anachronistisch: ihr bester Wortführer ist Homer, der mit dem Degen an der Seite in Gesellschaft von Ovid, Horaz und Lukan aus dem trüben Schatten milder Orpheuschöre hervortritt, wo sie sich zu viert im literarischen Gespräch eine tränenlose Ewigkeit verkürzen.
Zeichen für das Stehenbleiben der Zeit sind für Dante nicht nur die sphärischen astronomischen Körper, sondern-grundsätzlich alle Dinge und Personen. Alles Maschinelle ist ihm fremd. Der Kausalität gegenüber empfindet er Widerwillen: Derartige Prophezeiungen sind gerade recht als Streu für die Schweine.
Faccian Ie bestie Fiesolane strame
Di lor medesme, e non tocchin la pianta,
S’alcuna surge ancor nel lor letame …
(Inferno XV, 73-75)
Auf die direkte F rage, was die Dantesche Metapher sei, würde ich antworten: Ich weiss es nicht, denn die Metapher kann man nur metaphorisch definieren, und das ist wissenschaftlich begründbar. Doch mir scheint, dass Dantes Metapher das Stehenbleiben der Zeit bezeichnet. Ihre Wurzel liegt nicht in dem Wörtchen »wie«, sondern im Wort »als«. Sein quando klingt wie ein come. Das Dröhnen Ovids war ihm näher als die französische Redekunst Vergils.
Immer wieder wende ich mich an den Leser und bitte ihn, sich etwas “vorzustellen”: Ich greife also zur Analogie mit dem einen Ziel, die Unzulänglichkeit unseres Begriffssystems auszugleichen.
Stellen Sie sich also vor, da.ss die folgenden Personen in eine singende und dröhnende Orgel wie in ein offenes Haus eintreten und sich darin verborgen halten: der Patriarch Abraham und König David, das ganze Volk Israel mit Isaak, Jakob und allen Verwandten, auch Rahel, um derentwillen Jakob soviel gelitten hat.
Zuvor schon eingetreten sind unser Urvater Adam mit seinem Sohn Abel, der alte Noah und Moses, der Gesetzgeber und Gehorchende …
Trasseci l’om bra del primo parente,
D’Abel .suo figlio, e quella di Noè,
Di Moisè legista e ubbidiente,
Abraam patriarca, e David re,
Israel con lo padre e co’ suoi nati,
E con Rachele, per cui tanto fe’ ..
(Inferno IV, 55-60)
Dann bekommt die Orgel auch noch die Fähigkeit, sich zu bewegen, all ihre Pfeifen und Bälge geraten in ungewöhnliche Erregung, und tobend und wütend tritt sie plötzlich ab.
Würden die Säle der Eremitage plötzlich verrückt, würden sich die Bilder aller Schulen und Meister plötzlich von den Nägeln lösen und ineinander übergehen, sich mischen und die Zimmerluft mit futuristischem Gebrüll und tobender Erregung der .Farben füllen, bekämen wir etwas, was der Danteschen »Komödie« vergleichbar wäre.
Dante der Schulrhetorik zu entreissen, hiesse der ganzen europäischen Aufklärung einen wichtigen Dienst erweisen. Ich hoffe, dass es dazu nicht der Arbeit von Jahrhunderten bedarf, doch wird es nur mit vereinten weltweiten Anstrengungen gelingen, einen echten Anti-Kommentar zur Arbeit ganzer Generationen von Scholasten, kriechenden Philologen und Pseudo-Biographen zu schaffen. Die mangelnde Achtung vor der poetischen Materie, die nur im ausführenden Vollzug, nur im Flug des Dirigentenstabes erkannt werden kann, war der Grund für die allgemeine Blindheit gegenüber Dante, dem grössten Meister und Gestalter dieser Materie, dem grössten Dirigenten der europäischen Kunst, der die Formierung eines Orchesters um Jahrhunderte vorweggenommen hat, das – wem wohl?-dem Integral des Dirigentenstabes bereits adäquat war …
Kalligraphische Komposition, verwirklicht mit den Mitteln der Improvisation: So etwa könnte die Formel für Dantes schöpferischen Ausbruch lauten, den man gleichzeitig als Flug und als etwas Vollendetes aufzunehmen hätte. Vergleiche sind artikulierte Ausbrüche.
Die von der Konstruktion her komplexesten Teile des Poems werden auf einer Hirtenflöte, auf einer Lockpfeife gespielt. Immer wieder wird die Hirtenflöte vorangeschickt.
Hier meine ich Dantes Introduktionen, die er gleichsam auf gut Glück, als Versuchsballons losschickt.
Quando si par te il giuoco della zara,
Colui che perde si riman dolente,
Ripetendo Ie volte, e tristo impara;
Con l’altro se ne va tutta la gente:
Qual va dinanzi, e qua/ di retro il prende,
E qual da lalo gli si reca a mente:
Ei non s’ arresta, e questo e quello intende;
A cui porge Ja man più non fa pressa;
E cosi dalla calca si difende.
(Purgatorio VI, 1-9)
»Ist das Würfelspiel zu Ende, spielt der Verlierer in trauriger Einsamkeit die Partie noch einmal durch, wirft verzagt seine Würfel. Dem erfolgreichen Spieler hängt sich die ganze Kumpanei an: Einer lauft ihm voraus, ein andrer zupft ihn von hinten, ein dritter drängt sich von ein der Seite schmeichelnd an ihn und will sich ihm in Erinnerung bringen; doch der Glückspilz geht einfach weiter, hört alle ohne Unterschied an, gibt jedem die Hand und befreit sich damit von den lästigen Dränglern … «
So also klingt dieses “Strassenlied” im »Fegefeuer« mit seinem Gedränge von lästigen Florentinerseelen, die es erstens nach Klatsch, zweitens nach Protektion und drittens wieder nach Klatsch verlangt, klingt auf der Lockpfeife des Genres, auf der typischen flämischen Hirtenflöte, die in der Malerei erst dreihundert Jahre später auftaucht.
Noch eine interessante Überlegung drängt sich hier auf: Der (erläuternde) Kommentar ist ein nicht wegzudenkendes Strukturelement der »Komödie« selber. Das Wunderschiff hat bereits mit den an ihm haftenden kleinen Muscheln seine Werft verlassen. Der Kommentar entspringt dem Strassenpalaver, dem Gerücht, der florentinischen Verleumdung mit ihren vielen Mündern. Er ist unvermeidlich wie der Eisvogel, der Batjuschkows Schiff hinterherfliegt.
. . . . Da, da, schauen Sie nur: Da geht der alte Marzucco. Wie prächtig der sich gehalten hat auf der Beerdigung seines Sohnes! Ein aussergewöhnlich tapferer Alter … Und wissen Sie, Pietro della Broccia hat man ganz umsonst geköpft – der war so rein wie Glas … Da ist doch eine dunkle Frauenhand im Spiel … Übrigens, da ist er ja selber – gehen wir hin, fragen wir ihn …
Die poetische Materie hat keine Stimme. Sie malt nicht mit Farben und drückt sich nicht mit Worten aus. Sie hat keine Form und keinen Inhalt, aus dem einfachen Grund, weil sie einzig im Vollzug existiert. Der fertige Text ist nichts anderes als ein kalligraphisches Produkt, das unvermeidlich nach dem vollzogenen Ausbruch übrigbleibt. Wird die Feder wieder ins Tintenfass getaucht, ist der fixierte, festgehaltene Text nichts anderes. als eine Ansammlung von Buchstaben, die völlig den gleichen Status hat wie das Tintenfass.
Spricht man über Dante, sollte man weniger die Formwerdung im Auge behalten als das Werden des Ausbruchs – diese textilen, segelnden, scholarenhaften, meteorologischen, ingenieurtechnischen, stadtbezogenen, kleinhandwerklichen und anderen Ausbrüche, deren Liste man ins Unendliche fortsetzen könnte. Mit anderen Worten: Die Syntax lässt uns in die Irre gehen. Alle Nominative müssten durch richtungsweisende Dative ersetzt werden. Das ist das Gesetz der umkehrbaren und fortwährend sich wandelnden poetischen Materie, die einzig im Vollzug, im Ausbruch existiert. . . . Hier ist alles anders: Das Substantiv ist das Ziel, nicht das Subjekt des Satzes. Gegenstand der Danteforschung wird einmal, hoffe ich, dies sein: das Verhältnis von Ausbruch und Text.
1933
Mandelstam, Ossip, Gespräch über Dante. Gesammelte Esays II 1925-1935. Aus dem Russischen übertragen und herausgegeben von Ralph Dutli. Frankfurt am Main 2024 (Fischer Taschenbuch Verlag), Pag. 113-175
