2. Heidegger: Satz vom Grund

Heidegger, Martin, Der Satz vom Grund, Stuttgart 2022, (Klett-Cotta), pag. 177-195



DREIZEHNTE STUNDE 

Der Satz vom Grund lautet: Nichts ist ohne Grund. Nihil est sine ratione. Grund ist die Übersetzung von ratio. Eine Übersetzung wird dort, wo das Sprechen der Grundworte von einer geschichtlichen Sprache in die andere übersetzt, zur Überlieferung. Eine Überlieferung kann, wenn sie erstarrt, zur Last und zum Hemmnis ausarten. Sie kann es, weil die Überlieferung eigentlich, was ihr Name sagt, ein Liefern im Sinne des liberare, der Befreiung ist. Als ein Befreien hebt die Überlieferung verborgene Schätze des Gewesenen ans Licht, sei dies Licht auch erst nur das einer zögernden Morgendämmerung. Dass »Grund« die Übersetzung von ratio sei, will sagen: Die ratio hat sich in den Grund überliefert, welche Überlieferung schon früh doppelsinnig spricht. Die doppelsinnige Überlieferung der ratio in Grund und Vernunft erlangt freilich erst dort ihr entscheidendes Gepräge, wo das Geschick des Seins jene Epoche bestimmt, die nach der historischen Zeitrechnung die »Neuzeit« heisst. Wenn anders Sein und Grund das Selbe »sind«, dann muss das neuzeitliche Seinsgeschick auch den alten römischen Doppelsinn der ratio verwandeln. 

Soweit auch der Sinn von Grund, nämlich Boden und Erde, dem Sinn von Vernunft, nämlich Vernehmen, Hören entfernt bleiben mag, im Doppelsinn der ratio sind beide Bedeutungen schon frühzeitig beisammen, wenngleich nicht eigens in ihrer Zusammengehörigkeit bedacht. Sachgemässer müssen wir sagen: In dem, was die ratio nennt, – sind beide Richtungen dieses Doppelsinnes, Vernunft und Grund, vorgezeichnet. Denn was heisst ratio? Wir antworten durch eine Übersetzung des Wortes ratio. Sie lautet: Rechnung. Aber Rechnung ist hier im Sinne des Zeitwortes reor zu denken, dem das Hauptwort ratio zugehört. Rechnen heisst: etwas nach etwas richten, etwas als etwas vorstellen. Jenes, als was jeweils etwas vorgestellt wird, ist das Unterstellte. Dieses weitgedachte Rechnen bestimmt auch den Sinn des Wortes Kalkül. Man spricht vom mathematischen Kalkül. Aber es gibt auch einen anderen. Noch Hölderlin gebraucht das Wort Kalkül in den »Anmerkungen« zu seinen Übersetzungen des Oedipus Rex und der Antigonä des Sophokles in einem tieferen Sinne. In den “Anmerkungen zum Oedipus” (Stuttg. Ausgabe V, 196) heisst es: 

»Auch andern Kunstwerken fehlt, mit den griechischen verglichen, die Zuverlässigkeit; wenigstens sind sie bis izt mehr nach Eindrücken beurteilt worden, die sie machen, als nach ihrem gesetzlichen Kalkul und sonstiger Verfahrungsart, wodurch das Schöne hervorgebracht wird.« 

Und weiter: 

»Das Gesetz, der Kalkul, die Art, wie, ein Empfindungssystem, der ganze Mensen, als unter dem Einflusse des Elements sich entwickelt, und Vorstellung und Empfindung und Räsonnement, in verschiedenen Sukzessionen, aber immer nach einer sichern Regel nacheinander hervorgehen, ist im Tragischen mehr Gleichgewicht, als reine Aufeinanderfolge. « 

Und die »Anmerkungen zur Antigonä« beginnen (a. a. O.; s. 265): 

»Die Regel, das kalkulable Gesetz der Antigonä verhält sich zu dem des Oedipus, wie ⋋ zu ⋌, so dass sich das Gleichgewicht mehr vom Anfang gegen das Ende, als vom Ende gegen den Anfang zu neigt.« 

Insofern beide Anmerkungen vom »Gleichgewicht« sprechen, scheint auch der hier genannte Kalkül quantitativ-mechanisch, mathematisch vorgestellt zu sein. Doch das von Hölderlin genannte Gleichgewicht gehört zur Waage und Ausgewogenheit des Kunstwerkes, d. h. hier zur tragischen Darstellung im Trauer-Spiel. 

Ratio ist Kalkül, Rechnung im weiten und hohen und gewöhnlichen Sinne. Rechnen als Richten von etwas nach etwas legt jeweils etwas vor und ist so in sich ein Hergeben, reddere. Zur ratio gehört das reddendum. Aber je nach dem seinsgeschichtlichen Zusammenhang, aus dem die ratio spricht, später als Vernunft und Grund, hat das reddendum einen anderen Sinn. Neuzeitlich liegt darin das Moment des unbedingten und durchgängigen Anspruches auf Zustellung der mathematisch-technisch errechenbaren Gründe, die totale »Rationalisierung«. 

In der Rede vom principium reddendae rationis spricht Leibniz zwar in der lateinischen Sprache, aber er spricht dabei nicht aus der Sprache des alten Römertums. Gleichwohl hat sich, was römisch ratio heisst, in die Vorstellung dessen überliefert, was neuzeitlich »Vernunft« und »Grund« sagen. 

Inwiefern konnte sich nun aber die ratio im alten Sinne auf die Weise gabeln, dass sie doppelsinnig spricht, als Grund sowohl wie als Vernunft? Inwiefern es dahin kommen konnte, müsste jetzt den genau Hinhörenden schon deutlich geworden sein. Es bedarf indes noch eines eigenen Hinweises auf dieses »inwiefern«; denn wir sprechen von einer Gabelung der ratio in die ratio als Vernunft und die ratio als Grund. Die Rede von der Gabelung möchte zu verstehen geben, dass beide Worte, »Vernunft« und »Grund« und ihr Gesagtes, auseinander streben, aber gleichwohl in einem selben Stamm und Schaft gehalten sind, weshalb sie auch in ihrem Auseinanderstreben noch und gerade darin zueinander sich verhalten. Das althochdeutsche Wort für den gegabelten Zweig, den gegabelten Baumstamm und den ganzen Baum dieses Wuchses lautet: die Zwiesel. Solche Zwiesel finden wir öfter unter den steilragenden, alten Tannen des Hochschwarzwaldes. Inwiefern ist die ratio eine Zwiesel? Ratio besagt Rechnung im weiten Sinne, demgemäß man bei etwas mit etwas auf etwas rechnet, wir sagen auch: zählt, ohne dass hierbei Zahlen vorkommen. In der Rechnung wird etwas unterstellt, nicht willkürlich und nicht im Sinne eines Verdachtes; unterstellt wird das, woran es gerade schon liegt, dass es mit einer Sache so steht, wie es steht. Das so Unterstellte, Errechnete ist als das, woran es liegt, das Vorliegende, Tragende, das Gerechnete der Rechnung; die ratio ist somit die Basis, der Boden, d. h. der Grund. Das Rechnen stellt im Unterstellen etwas als etwas vor. Dieses Vorstellen von etwas als etwas ist ein Vor-sich-bringen, das jeweils ein Vor-liegendes vor-nimmt und in solchem Vor-nehmen vernimmt, wie es mit dem, worauf und womit gerechnet wird, bestellt ist. Das Rechnen, die ratio, ist als solches Vernehmen die Vernunft. Ratio ist als Rechnung: Grund und Vernunft. 

Wir versuchen, den Satz vom Grund als Sage vom Sein zu denken. Der Satz sagt: Sein und Grund: das Selbe. Urn dem Gesagten nachzudenken, fragen wir: Was sagt Grund? Die Antwort lautet: Im Wort »Grund« spricht, sich überliefernd, die ratio, welches Wort zugleich Vernunft meint. Inwiefern die ratio eine Gabel, eine Zwiesel ist, wurde erläutert. Die zurückdenkende Frage nach dem, was der Satz vom Grund als Sage vom Sein sagt, hat sich damit gewandelt und lautet jetzt: Inwiefern »sind« ratio und Sein das Selbe? Weist das Zwieselwort ratio, das jetzt stellvertretend und zugleich doppelsinnig für das Wort »Grund « spricht, überhaupt in eine Zusammengehörigkeit, d. h. in die Selbigkeit mit dem Sein? Unmittelbar ist davon in dem Zwieselwort ratio nichts zu erblicken. Weder der eine Zinken noch der andere des gegabelten Wortes »Rechnung«, »Rechenschaft«, weder »Grund« noch »Vernunft« nennen unmittelbar das Sein. 

Die Frage, in die wir durch den Satz vom Grund gestellt sind, lautet: Inwiefern »sind« Sein und ratio das Selbe? Inwiefern gehören Grund und Vernunft (ratio) einerseits und Sein andererseits zusammen?

[Wenn wir es vermöchten, diese Frage in ihrer vollen Tragweite auszutragen, dann könnte uns zum erstenmal ein Schein dessen treffen, was als Geschick des Seins die abendländische Geschichte, und d. h. heute und abgewandelt, die planetarische Weltgeschichte erleuchtet und zugleich beschattet.] 

Wenn wir fragen, inwiefern Sein und die gegabelte ratio das Selbe »seien«, d.h. zusammengehören, dann scheint das Fragwürdige nur darin zu liegen, Sein vonder einen Seite und die gegabelte ratio von der anderen Seite her in der behaupteten Zusammengehörigkeit unterzubringen. Für ein solches Vorhaben erscheint dann die genannte Zusammengehörigkeit wie etwas Drittes und wie ein Dach, ein Gewölbe, das gleichsam für die Unterbringung schon bereitsteht. Dies zu meinen, wäre jedoch irrig. Vielmehr muss die Zusammengehörigkeit gerade aus dem aufleuchten, was in ihr seine Unterkunft hat und was denn auch von sich aus schon spricht: Sein spricht zu uns, wenngleich auf verschiedene Weise, als φύσιϚ, von-sich-her-Aufgehen, als οὺσἰα, Anwesen, als Gegenständigkeit. `insgleichen spricht ratio als Grund sowohl wie als Vernunft. Das eigentlich Dunkle und Fragwürdige bleibt gerade das Zusammengehören. Dies Zusammengehören muss aus dem zum Vorschein kommen, was von sich aus in das Zusammen gehört, gesetzt dass hier das Zusammen mehr und anderes meint als das Aneinanderschweissen von zwei sonst getrennten Stükken. Sein muss demnach als Sein der ratio zugehören und umgekehrt: Die gegabelte ratio selbst spricht, wenn wir auf ihr Sagen sorgsam genug achten, von ihrer Zugehörigkeit zum Sein. Doch wenn wir uns auf das besinnen, was ratio sagt, nämlich Rechnung, dann finden wir darin nichts, was für eine Zugehörigkeit zum Sein sprechen könnte. Wie kommt es, dass das Wort ratio uns nicht antwortet, wenn wir fragen, inwiefern das in ihm Genannte eine Zugehörigkeit zum Sein enthalte? Dies kommt einmal daher, dass wir jetzt Gefahr laufen, das Wort ratio für sich und gleichsam losgelöst aus seinem Sagen zu nehmen, das stets ein geschichtliches ist. Zum anderen tappen wir hinsichtlich der Zugehörigkeit der ratio zum Sein deshalb im Dunkeln, weil wir es allzu leicht aus dem Sinn verlieren dass auch das Wort »Sein« je nur geschichtlich spricht. Hieraus ergibt sich für uns eine entscheidende Weisung. Die Frage, inwiefern Sein und ratio zusammengehören, lässt sich nur seinsgeschicklich fragen und durch ein Zurückdenken in das Seinsgeschick beantworten. Nun erfahren wir aber das Geschick des Seins zunächst nur im Durchgang durch die Geschichte des abendländischen Denkens. Dieses beginnt mit dem Denken der Griechen. Der Anfang des Seinsgeschickes findet seine schickliche Entsprechung und Verwahrnis im Denken des Griechentums von Anaximander bis Aristoteles. Die Frage nach der Zusammengehörigkeit von Sein und ratio fragen wir seinsgeschichtlich nur und anfänglich erst, wenn wir die Frage und ihr Gefragtes griechisch denken. 

Der Weg unserer Frage ist durch das Hören auf den Satz vom Grund vorgezeichnet. Darum gingen wir vom Grund zurück zur ratio. Aber die ratio spricht lateinisch-römisch und nicht griechisch, d. h. nicht so, dass wir im Hören dieses Wortes schon imstande wären, unsere Frage seinsgeschichtlich-anfänglich zu fragen. Oder sollte das römische Wort ratio doch zugleich auch griechisch sprechen? So steht es in der Tat. Denn »ratio« ist innerhalb der Geschichte des Denkens seinerseits ein übersetzendes Wort, und d. h. ein überlieferndes. So wie sich in die Grundworte des neuzeitlichen Denkens, Vernunft und Grund, die gegabelte ratio überliefert, so spricht im römischen Wort ratio ein griechisches Wort; es heisst λόγοϛ. Demgemäss hören wir den Satz vom Grund in der zweiten Tonart erst dann seinsgeschichtlich und dies zugleich anfänglich, wenn wir das Thema des Satzes griechisch sagen: ‘τὸ αὺτό ( ὲστιν) εἲνα τε χαὶ λόγοϛ: Das Selbe (ist) εἲνα und λόγοϛ. Zwar findet sich bei den griechischen Denkern nirgends ein Satz im angeführten Wortlaut. Gleichwohl nennt er den seinsgeschicklichen Zug des griechischen Denkens und dies auf eine Weise, dass er in die späteren Epochen der Seinsgeschichte vordeutet. 

Mit Rücksicht auf die vorhin genauer eingegrenzte Frage müssen wir jetzt bedenken: Inwiefern spricht im griechischen Wort λόγοϛ eine Zugehörigkeit des im Wort Gesagten zum Sein, d. h. zum εἲνα? Dieses griechische Wort für das lateinische esse und unser deutsches Hilfszeitwort »sein« besagt: an-wesen. Im griechischen Sinne verdeutlicht, heisst »Sein«: ins Unverborgene herein- und herbei-scheinen und, also scheinend, währen und weilen. 

Inwiefern gehört dieses so zu denkende Sein mit dem Grund und der ratio zusammen? Solange wir die Frage noch in dieser Form belassen, bleibt sie verwarren und versagt jeden Wink in die Antwort. Das Verworrene entwirrt sich, wenn wir fragen: Inwiefern gehört das griechisch als »anwesen« zu denkende »sein« mit dem λόγοϛ zusammen? Anders gewendet: Inwiefern spricht in dem, was das Wort λόγοϛ nennt, die Zusammengehörigkeit mit dem griechisch gedachten Sein? Inwiefern »sind« λόγοϛ und »anwesen« das Selbe? Was heisst λόγοϛ? 

Für die sorgfältige Behandlung dieser entscheidenden, aber auch weitläufigen Frage ist schon viel gewonnen, wenn wir das nicht mehr aus dem Auge verlieren, was sich auf dem Weg der Vorlesung ergeben hat. Was ist dies? Eine recht einfache Einsicht, die wir, weil sie einfach ist, gern zu leicht nehmen. Was zeigt sie uns? Sie lässt uns folgendes wissen: Grund und Vernunft sind die Übersetzung, d. h. jetzt die geschichtliche Überlieferung der gegabelten ratio. Die ratio ist die Übersetzung, d.h. jetzt die geschichtliche Überlieferung des λόγοϛ. Weil es so ist, deshalb dürfen wir λόγοϛ weder aus unseren späteren Vorstellungen von »Grund« und »Vernunft« her, noch auch im Sinne der römischen ratio denken. Wie denn sonst? Antwort: auf griechische Weise, im Sinne des griechischen Denkens und Sagens. Das scheint eine billige Auskunft zu sein, eine solche nämlich, die keine ist; denn was heisst: griechisch denken und sagen? Es heisst: Das Griechische des jetzt gemeinten Denkens und Sagens wird ge rade durch den λόγοϛ und als λόγοϛ bestimmt. Darum dürfen wir uns nicht einreden, es sei leicht, das griechische Wort λόγοϛ und dessen Sagen griechisch, und d. h. jetzt unter Hintansetzung des uns geläufigen Vorstellens nachzudenken. 

Aber so schwierig die Aufgabe zu sein scheint, so unumgänglich bleibt ihre Erfüllung, gesetzt nämlich, dass wir es inzwischen für nötig finden, auf das zu hören, was der Satz vom Grund eigentlich, d. h. in der anderen Tonart sagt. Inzwischen nämlich haben wir erfahren, dass der Satz vom Grund uns den Anspruch zuspricht, unter dem unser Zeitalter weltgeschichtlich steht. Was heillt λόγοϛ, griechisch gedacht? Die Antwort muss hier unvermeidlich grob ausfallen. Sie beschränkt sich auf solche Hinweise, die uns helfen, seinsgeschichtlich zu denken, was der Satz vom Grund in der zweiten Tonart sagt: Sein und Grund: das Selbe. Das griechische Hauptwort λόγοϛ gehört zum Zeitwort λέγειν. Dies besagt: sammeln, eines zum anderen legen. Hierbei kann es geschehen, dass das eine so zum anderen gelegt wird, dass eines nach dem anderen sich richtet. Solches Richten ist jenes Rechnen, das durch das lateinische reor und ratio vorgestellt wird, weshalb das römische Wort ratio geeignet ist, das griechische Wort λόγοϛ ins römische Denken überzusetzen. Auch im Griechischen kann λόγοϛ so viel bedeuten wie Rechnung, eines zum anderen richten, welches Richten das ist, was wir noch allgemeiner das Beziehen von etwas auf etwas nennen. Λόγοϛ kann das Gleiche bedeuten wie das lateinische relatio: Relation, Beziehung. Doch weshalb kann λόγοϛ dies bedeuten? Weil λόγοϛ und λέγειν Wesenhafteres nennen als das von uns obenhin gemeinte Sammeln und Rechnen; das Zeitwort λέγειν ist nämlich ein Wort für »sagen«, und λόγοϛ bedeutet Aussage und Sage. Jedes Wörterbuch gibt darüber Auskunft. Man nimmt es als selbstverständlich hin, dass für die Griechen »sagen« λέγειν heisst. Vollends gilt das, was die beiden im Wortlaut verschiedenen Wörter meinen, als selbstverständlich. Indes dürfte es an der Zeit sein zu fragen: Worin beruht für die Griechen das Wesen des Sagens? 

Sagen heisst, griechisch gedacht: Zum Vorschein bringen, etwas erscheinen lassen in seinem Aussehen, zeigen in dem, wie es uns anblickt, weshalb das Sagen uns darüber ins Bild setzt. Doch weshalb ist dann für die Griechen das Sagen ein λέγειν, λόγοϛ? Weil λέγειν heisst: sammeln, zueinanderlegen. Solches Legen aber ist, als sammelndes, aufhebendes, bewahrendes und verwahrendes, ein Vorliegenlassen, das zum Vorschein bringt: das Vorliegende. Das Vor-liegende aber ist das von-sich-her-Anwesende; das λέγειν und der λόγοϛ sind das Vorliegenlassen des Anwesenden in seinem Anwesen. Λόγοϛ als λεγόμενον meint zugleich das Gesagte, d. h. Gezeigte, d. h. Vorliegende als solches, das Anwesende in seinem Anwesen. Wir sagen: das Seiende in seinem Sein. Λόγοϛ nennt das Sein. Aber λόγοϛ ist als das Vorliegende, als die Vorlage zugleich das, worauf anderes liegt und beruht. Wir sagen: der Boden, der Grund. Λόγοϛ nennt den Grund. Λόγοϛ ist Anwesen und Grund zumal. Sein und Grund gehören im λόγοϛ zusammen. Der λόγοϛ nennt diese Zusammengehörigkeit von Sein und Grund. Er nennt sie, insofern er in Einem zumal sagt: Vorliegenlassen als Aufgehenlassen, von-sich-her-Aufgehen: , Sein; und: Vorliegenlassen als Vorlegen, Boden bilden, Gründen: Grund. Der λόγοϛ nennt zumal in Einem Sein und Grund. 

Aber bei diesem Nennen bleibt die Unterscheidung in Sein und in Grund verborgen und mit der Unterschiedenheit verbirgt sich die Zusammengehörigkeit beider. 

Nur für einen einzigen seinsgeschicklich hohen und vielleicht höchsten Augenblick kommt die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund zu dem Wort, das λόγοϛ heisst. Es wird in der Geschichte des frühen griechischen Denkens von Heraklit in dem erläuterten Sinne gesprochen. Aber das Wort λόγοϛ ist zugleich ein verbergendes Wort. Es lässt die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund nicht als solche zum Vorschein kommen. Nun möchte man erwarten, dass in der Folge der Geschichte des Denkens die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund mehr und mehr ans Licht gelange. Gerade dies geschieht nicht sondern das Gegenteil. Offenkundig wird zuvor die Verschiedenheit von Sein und Grund, aber wiederum nicht als Unterschiedenheit, die als Beziehung zwischen Sein und Grund beide in eine Zusammengehörigkeit verweist. Sein und Grund zeigen sich nur als Verschiedenes im Sinne des Geschiedenen und Getrennten. Weil jedoch im Verborgenen die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund waltet, fallen die Getrennten nicht in das Bezuglose auseinander. Vielmehr wird der Grund als etwas anderes vorgestellt, nicht als Sein, aber auf das bezogen, was das Sein von sich her bestimmt, nämlich auf das Seiende. Dergestalt waltet im Verborgenen die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund. Sie kommt weder vom Sein und seiner geschicklichen Prägung, noch vom Grund und dessen Formen her jemals ans Licht oder gar in den begreifenden Gedanken. Statt dessen macht sich in der Geschichte des Denkens etwas Selbstverständliches breit, nämlich jenes, was am Beginn der ersten Vorlesungsstunde erwähnt wurde: Jedes Seiende hat einen Grund. Dem Verstellen ist dies geläufig. Inwiefern? Insofern das Vorstellen als Vorstellen des Seienden hinsichtlich dessen, dass es ist und so und so ist, das Sein in der Sicht hat und damit, obzwar ohne sein Wissen, dergleichen wie Grund. Darum ist es dem Vorstellen natürlich, nach Gründen zu fragen und auf Prinzipien zurückzugehen. 

Wenn später der Satz vom Grund aufgestellt wird, dann spricht er zunächst nichts anderes als dieses Selbstverständliche aus. Der Satz selbst aber, der diese Selbstverständlichkeit gleichsam sanktioniert, nimmt sie auch für sich selbst in Anspruch. So gilt dann der Satz vom Grund als unmittelbar einsichtiges Denkgesetz. Woher kommt dies? Es kommt daher, dass Sein und Grund das Selbe »sind«, ihre Zusammengehörigkeit als solche jedoch vergessen bleibt, d. h. griechisch verstanden: verborgen. Aber dies lässt sich nicht denken, solange wir λόγοϛ von der ratio und der Vernunft her  verstehen. In diesem Fall gewahren wir auch nicht, inwiefern das römische rationem reddere nicht das Gleiche sagt wie das griechische λόγοϛ διδόναι. Man kann diese griechische Wendung richtig übersetzen durch: Rechenschaft ablegen, den Grund angeben; aber man denkt dabei nicht eigentlich griechisch. Griechisch gedacht, sagt λόγοϛ διδόναι: etwas Anwesendes in seinem so und so Anwesen und Vorliegen darbieten, nämlich dem versammelnden Vernehmen. Insofern jedes Seiende durch das Sein, d. h. durch das Gründen bestimmt bleibt, ist das Seiende selbst jeweils ein begründetes und gegründetes und dies in den verschiedenen Weisen, deren Mannigfaltigkeit und Herkunft hier nicht verhandelt werden können. 

[Nur nach zwei Hinsichten sei kurz gezeigt, wie von früh auf in der Geschichte des Denkens Sein und Grund zusammengehen, so zwar, dass ihre Zusammengehörigkeit und deren Herkunft verborgen bleiben. Das Zusammengehen ist jetzt ein Auseinanderfallen. Sobald wir freilich diese seltsame Zusammengehörigkeit einmal erblickt haben, ist es, wie stets in solchen Fällen, ein Leichtes, sie überall zu finden und nachzuweisen. 

»Sein« besagt unter anderen Namen der Frühzeit abendländischen Denkens λόγοϛ. Derselbe Denker Heraklit, der dieses Wort sagt, nennt Sein auch φύσιϛ. 

Sein ist als versammelnd-bergendes Aufgehenlassen jenes Erste, von woher Jegliches erst als das Jeweilige seines Versammelten aufgeht, hervorgeht ins aufgegangen-Unverborgene. Als λόγοϛ ist das Sein das Erste, von woher Anwesendes anwest – griechisch ‘τὸ πρῶτον ὅθεν. »Das Erste von woher« ist das, von wo aus Jegliches, was ist, anfängt, und von woher es als Angefangenes beherrscht bleibt; anfangen heisst griechisch ἄρχειν. Der λόγοϛ entfaltet sich so zum πρῶτον ὅθεν, d. h. zur ἀρχή, lateinisch-römisch gesagt zum principium. Dass alles Sinnen und Trachten, Tun und Lassen vorstellend nach Prinzipien sucht und an solche sich hält, ergibt sich aus dem Wesen des Seins als λόγοϛ und φύσιϛ. Hier ist die Zusammengehörigkeit von Sein und Prinzip und ratio, von Sein und Grund als Vernunftgrund gestiftet. Allein dies alles ist in keiner Weise selbstverständlich, sondern ein einziges Geheimnis eines einzigartigen Geschickes. 

Sein im Sinne des λόγοϛ ist das versammelnde Vorliegenlassen. Darin kommt das Vorliegende ans Licht und zwar als solches, woran es jeweils liegt, dass es mit anderem jeweils so und nicht anders steht. Das, woran es liegt, dass etwas ist und so ist und nicht anders, zeigt sich als solches, was schuld ist an dem so eben Genannten. Das, woran es liegt als einem schon Vorliegenden, was schuld daran ist, heisst griechisch αἴτιον. Die Römer übersetzen es in das Wort causa, wir sagen: Ursache. Beides, Ursachen und Prinzipien haben den Charakter des Gründens, sie gehören, weil dem Wesen des Grundes entstammend, mit diesem zum Sein. Deshalb bestimmen sie – die Prinzipien und die Ursachen – künftighin das Seiende und ]enken alles Vorstellen von Seiendem. Die Herrschaft und der Anspruch der Prinzipien und Ursachen wird alsbald so natürlich und ausgeprägt, dass es so aussieht, als bestimmten sie erst und sie allein – man weiss nicht weshalb und woher – das Seiende in dessen Sein. 

Wenn neuzeitlich das Sein transzendental als Gegenständigkeit und diese als Bedingung der Möglichkeit des Gegenstandes bestimmt wird, dann verschwindet gleichsam das Sein zugunsten dessen, was Bedingung der Möglichkeit heisst und von der Art des rationalen Grundes und Gründens ist.] 

Bei der Gelegenheit, die uns dazu führte, deutlicher zu sagen, was die Rede von der Geschichte des Seins als dem Seinsgeschick meine, wurde darauf hingewiesen, dass das Sein, indem es sich zuschickt und lichtet, zugleich sich entzieht. Die Rede vom Entzug blieb dunkel und klang für manches Ohr wie eine mystische, nirgends in der Sache gefestigte Behauptung. Jetzt können wir das Wort vom Entzug des Seins deutlicher hören. Das Wort sagt: Sein verbirgt sich als Sein, nämlich ina seiner anfänglich geschicklichen Zusammengehörigkeit mit dem Grund als λόγοϛ. Aber das Sichentziehen erschöpft sich nicht in dieser Verbergung. Vielmehr lässt das Sein, indem es sein Wesen verbirgt, anderes zum Vorschein kommen, nämlich den Grund in der Gestalt der ἀρχαί, αἰτίαι der rationes, der causae, der Prinzipien, Ursachen und der Vernunftgründe. Im Entzug hinterlässt das Sein diese Gestalten des Grundes, die jedoch nach ihrer Herkunft unbekannt bleiben. Indes wird dieses Unbekannte nicht als ein solches erfahren; denn es ist jedermann bekannt, dass alles Seiende einen Grund hat. Man findet dabei nichts Ungewöhnliches. 

So schickt sich denn das Sein im Entzug dem Menschen auf eine Weise zu, durch die es seine Wesensherkunft hinter dem dichten Schleier des rational verstandenen Grundes und der Ursachen und deren Gestalten verbirgt. 

Der Satz vom Grund sagt, in der zweiten Tonart gehört: Sein und Grund: das Selbe. Dies Gesagte spricht deutlicher, sobald wir seinsgeschicklich zurückdenken und hören, wie λόγοϛ als Leitwort Heraklits spricht. Der Satz vom Grund ist in der zweiten Tonart kein metaphysischer, sondern ein seinsgeschicklich gedachter Satz. Seine genauere Fassung muss deshalb lauten: Geschicklich anfänglich spricht sich Sein als λόγοϛ und d. h. im Wesen von Grund zu. Seinsgeschicklich anfänglich »sind« Sein und Grund das Selbe, bleiben es auch, aber in einer Zusammengehörigkeit, die in eine geschichtlich wandelhafte Verschiedenheit auseinandergeht. 

Indem wir der zweiten Tonart folgen, denken wir Sein nicht mehr vom Seienden her, sondern wir denken es als Sein, nämlich als Grund, d. h. nicht als ratio, nicht als Ursache, nicht als Vernunftgrund und Vernunft, sondern als versammelndes Vorliegenlassen. Sein und Grund sind aber nicht ein leeres Einerlei, sondern die verborgene Fülle dessen, was zunächst im Seinsgeschick als Geschichte des abendländischen Denkens zum Vorschein kommt. 

Bei der ersten Erläuterung der zweiten Tonart des Satzes vom Grund hiess es: Sein und Grund: das Selbe. Zugleich hiess es: Sein: der Ab-Grund. 

Sein »ist«, was sein anfänglicher Name λόγοϛ sagt, geschicklich das Selbe mit dem Grund. Insofern Sein als Grund west, hat es selber keinen Grund. Dies jedoch nicht deshalb, weil es sich selbst begründet, sondern weil jede Begründung, auch und gerade diejenige durch sich selbst, dem Sein als Grund ungemäss bleibt. Jede Begründung und schon jeder Anschein von Begründbarkeit müsste das Sein zu etwas Seiendem herabsetzen. Sein bleibt als Sein grund-los. Vom Sein bleibt der Grund, nämlich als ein es erst begründender Grund, weg und ab. Sein: der Ab-Grund. 

Steht nun dies Gesagte nur neben dem zuerst Gesagten: Sein und Grund: das Selbe? Oder schliesst gar eines das andere aus? So scheint es in der Tat, wenn wir nach der Regel der gewöhnlichen Logik denken. Darnach besagt: »Sein und Grund: das Selbe« so viel wie: Sein = Grund. Wie soll dann noch das Andere gelten können: Sein: der Ab-Grund? Allein gerade dies zeigt sich als das jetzt zu-Denkende, nämlich: Sein »ist« der Ab-Grund insofern Sein und Grund: das Selbe. Insofern Sein gründen »ist«, und nur insofern, hat es keinen Grund. 

Denken wir dem nach und bleiben wir in solchem Denken, dann merken wir, dass wir aus dem Bereich des bisherigen Denkens abgesprungen und im Sprung sind. Aber fallen wir mit diesem Sprung nicht ins Bodenlose? Ja und Nein. Ja – insofern jetzt das Sein nicht mehr auf einen Boden im Sinne des Seienden gebracht und aus diesem erklärt werden kann. Nein – insofern Sein jetzt erst als Sein zu denken ist. Als dieses zu-Denkende wird es aus seiner Wahrheit her das Mass-Gebende. Die Weise des Denkens muss sich dieser Mass-Gabe anmessen. Aber dieses Mass und seine Gabe können wir durch kein Errechnen und Ausmessen von uns aus an uns reissen. Sie bleiben das für uns Unermessliche. Der Sprung lässt jedoch das Denken so wenig ins Bodenlose im Sinne des völlig Leeren fallen, dass er erst das Denken in die Entsprechung zum Sein als Sein, d. h. zur Wahrheit des Seins gelangen lässt. 

Hören wir den Satz vom Grund in der anderen Tonart und denken wir dem Gehörten nach, dann ist dies Nach-denken ein Sprung und zwar ein Weitsprung, der das Denken ins Spiel mit dem bringt, worin das Sein als Sein ruht, also nicht mit solchem, worauf es als seinem Grund beruht. Das Denken gelangt durch diesen Sprung in die Wei te jenes Spiels, auf das unser Menschenwesen gesetzt ist. Nur insofern der Mensch in dieses Spiel gebracht und dabei aufs Spiel gesetzt ist, vermag er wahrhaft zu spielen und im Spiel zu blei ben. In welchem Spiel? 

Wir haben dieses Spiel kaum erfahren und in seinem Wesen noch nicht bedacht, d. h. in dem, was es spielt und wer es spielt, und wie hier das Spielen zu denken ist. Wenn wir versichern, das hier gemeinte Spiel, worin das Sein als Sein ruht, sei ein hohes und gar das höchste Spiel und frei von jeder Willkür, dann wird damit wenig gesagt, solange dieses Hohe und sein Höchstes nicht aus dem Geheimnis des Spiels gedacht ist. Dies zu denken, reicht jedoch die bisherige Denkweise nicht aus; denn sobald sie das Spiel zu denken, d. h. nach ihrer Art vorzustellen sucht, nimmt sie es als etwas, das ist. Zum Sein eines Seienden, also auch zum Spiel, gehört dann der Grund. Das Wesen des Spiels wird sonach als Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit überall im Gesichtskreis des Grundes, der ratio, der Regel, der Spielregel, des Kalküls bestimmt. Vielleicht müsste man den leibnizischen Satz: Cum Deus calculat fit mundus, gemässer übersetzen durch: Während Gott spielt, wird Welt. 

Die Frage, zu der uns der Sprung in die andere Tonart des Satzes vom Grund anweist, lautet: Lässt sich das Wesen des Spiels sachgemäss vom Sein als Grund her bestimmen, oder müssen wir Sein und Grund, Sein als Ab-Grund aus dem Wesen des Spiels her denken und zwar des Spiels, in das wir Sterbliche gebracht sind, die wir nur sind, indem wir in der Nähe des Todes wohnen, der als äusserste Möglichkeit des Daseins das Höchste an Lichtung des Seins und seiner Wahrheit vermag? Der Tod ist die noch ungedachte Massgabe des Unermesslichen, d. h. des höchsten Spiels, in das der Mensch irdisch gebracht, auf das er gesetzt ist. 

Doch ist es nicht ein bloss spielerisches Tun, wenn wir jetzt zum Schluss der Vorlesung über den Satz des Grundes den Gedanken an das Spiel und an die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund mit dem Spiel beinahe gewaltsam hereinzerren? So mag es scheinen, solange wir immer noch unterlassen, seinsgeschicklich zu denken, und d.h. uns andenkend der lösenden Bindung in die Überlieferung des Denkens anzuvertrauen. 

Der Denk weg der Vorlesung führte uns dahin, den Satz des Grundes in der anderen Tonart zu hören. Dies verlangte von uns, zu fragen: Inwiefern »sind« Sein und Grund das Selbe? Die Antwort ergab sich uns auf dem Weg eines Rückganges an den Anfang des Seinsgeschickes. Der Weg führte durch die Überlieferung, nach der in den Worten »Grund« und »Vernunft« die ratio im Doppelsinn der Rechnung spricht. In der ratio aber spricht der griechisch gedachte λόγοϛ. Aber erst indem wir bedachten, was im frühgriechischen Denken für Heraklit λόγοϛ sagt, wurde deutlich, dass dieses Wort zumal Sein und Grund nennt, beide aus ihrer Zusammengehörigkeit. Was Heraklit λόγοϛ nennt, sagt er noch in anderen Namen, die Leitworte seines Denkens sind: φύσιϛ, das von-sich-her-Aufgehen, das zugleich west als Sichverbergen;

χόσμοϛ, das griechisch zumal besagt Ordnung, Fügung und Schmuck, der als Glanz und Blitz zum Scheinen bringt; schliesslich nennt Heraklit das, was sich ihm als λόγοϛ, als das Selbe von Sein und Grund zuspricht:αἰών. Das Wort ist schwer zu übersetzen. Man sagt: Weltzeit. Es ist die Welt, die weltet und zeitigt, indem sie als χόσμοϛ; (Frg. 30) die Fügung des Seins zum erglühenden Erglänzen bringt. Wir dürfen nach dem Gesagten in den Namen λόγοϛ, φύσιϛ, χόσμοϛ und αἰών jenes Ungesagte hören, das wir das Seinsgeschick nennen. 

Was sagt Heraklit vom αἰών Das Fragment 52 lautet:  αἰών παῑϛ παίζων, πεσσεύων παιδὸϛ ἡβασιληίν. Seinsgeschick, ein Kind ist es, spielend, spielend das Brettspiel; eines Kindes ist das Königtum – d. h. die ἁρχή, das stiftend verwaltende Gründen, das Sein dem Seienden. Das Seinsgeschick: ein Kind, das spielt. 

Somit gibt es auch grosse Kinder. Das grösste, durch das Sanfte seines Spiels königliche Kind ist jenes Geheimnis des Spiels, in das der Mensch und seine Lebenszeit gebracht, auf das sein Wesen gesetzt wird. 

Warum spielt das von Heraklit im αἰών erblickte grosse Kind des Weltspieles? Es spielet, weil es spielet. 

Das »Weil« versinkt im Spiel. Das Spiel ist ohne »Warum«. Es spielt, dieweil es spielt. Es bleibt nur Spiel: das Höchste und Tiefste.  Aber dieses »nur« ist Alles:, das Eine, Einzige. 

Nichts ist ohne Grund. Sein und Grund: das Selbe. Sein als gründendes hat keinen Grund, spielt als der Ab-Grund jenes Spiel, das als Geschick uns Sein und Grund zuspielt. 

Die Frage bleibt, ob wir und wie wir, die Sätze dieses Spiels hörend, mitspielen und uns in das Spiel fügen.

Heidegger, Martin, Der Satz vom Grund, Stuttgart 2022, (Klett-Cotta), pag. 177-195